Berliner Verschwörungs-Lehrer: Verfassungstreue auf dem Prüfstand
Der Grundschullehrer Nikolai N. ist wegen Verdachts auf Volksverhetzung freigestellt. Nun wird über das politische Mäßigungsgebot diskutiert.
Berlin taz | Die Debatte über den wegen des Verdachts auf Volksverhetzung angezeigten Grundschullehrer Nikolai N. geht am Dienstag weiter. Die SPD-Abgeordnete Maja Lasić sagte der taz, man müsse den Fall N. zum Anlass nehmen, um grundsätzlich über das politische Mäßigungsgebot, dem Landesbedienstete verpflichtet sind, zu diskutieren: „Wie weit geht das in den außerdienstlichen Bereich hinein?“
Auch Lasićs CDU-Kollegin Hildegard Bentele hatte bereits am Montag gefordert, mit Blick auf den aktuellen Fall die Regelungen zur Verfassungstreue angestellter Lehrer im öffentlichen Dienst auf den Prüfstand stellen zu wollen.
Lehrer N. ist nicht verbeamtet, allerdings bestehe ein „Recht zur personenbedingten Kündigung“, wenn die Person sich als „ungeeignet in Bezug auf ihre Arbeitsaufgaben“ erweise, sagte eine Sprecherin der Bildungsverwaltung.
Am Wochenende war bekannt geworden, dass der Weddinger Grundschullehrer Nikolai N. in seinem YouTube-Kanal „Der Volkslehrer“ Verschwörungstheorien etwa über den Terroranschlag am 11. September 2001 verbreitet, antijüdische Positionen vertritt und „die deutsche Kultur“ im Unterricht nicht ausreichend vermittelt sieht. Zudem soll er auf Demonstrationen den Holocaust geleugnet haben und – das legen zumindest auch seine YouTube-Videos nahe – mit der teilweise rechtsextremen Reichsbürgerszene sympathisieren, die die Bundesrepublik nicht anerkennt und vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Strafanzeige erstattet
Die Senatsbildungsverwaltung erstattete daraufhin am Montag Strafanzeige wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen den Mann, der an der Vineta-Grundschule in Wedding Englisch, Musik und Sport unterrichtet. Seit Montag ist N. zudem vom Dienst freigestellt.
Die Schulleitung der Vineta-Grundschule betonte zwar, N. habe sich im Unterricht stets „an seine Neutralitätspflicht gehalten“, seine privaten Ansichten hätten keine Rolle gespielt. Was aber ist für einen Landesbediensteten mit Vorbildfunktion für seine minderjährigen Schüler noch Privatsache und was nicht?
Tom Erdmann, GEW-Berlin
„Der Lehrer hat mit seinem YouTube-Kanal ja geradezu die Öffentlichkeit gesucht“, sagt GEW-Berlin-Vorsitzender Tom Erdmann – also auch die potenzielle Aufmerksamkeit seiner SchülerInnen.
Erdmann sprach sich allerdings gegen den Vorschlag der CDU-Abgeordneten Bentele aus, die Regelungen zum Mäßigungsgebot juristisch zu verschärfen. Das erinnere schnell an den sogenannten Radikalenerlass in den 1970er Jahren, als jede Person vor der Einstellung in den öffentlichen Dienst vom Verfassungsschutz auf ihre Gesinnung überprüft wurde.
Bildungspolitikerin Lasić will demnächst eine Fragestunde im Bildungsausschuss zum Thema Mäßigungsgebot beantragen. Man müsse etwa auch diskutieren, ob in Fällen wie N. eine sogenannte Verdachtskündigung ausgesprochen werden könne, statt den Betroffenen bis zur Entscheidung des Gerichts nur freizustellen – bei vollen Bezügen.
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