Berliner Verkehrsbetriebe in der Krise: BVG übt sich in Selbstkritik
BVG-Chef Henrik Falk will das U-Bahnchaos „schonungslos“ auswerten und kündigt Sofortmaßnahmen beim Personal an. Experten sagen, das kommt Jahre zu spät.
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Tatsächlich steckt die BVG tief in der Krise. Hohe Krankenstände, ausgedünnte Fahrpläne oder digitale Anzeigetafeln mit Fantasiewartezeiten sind schon länger ein Problem. Nach dem Ende der Sommerferien hatte die BVG schließlich angekündigt, „Stabilität in das Angebot“ zu bringen. Das Gegenteil trat ein. Etliche U-Bahnlinien sind aus dem Takt geraten. Von Stabilität keine Spur.
Noch vor zwei Wochen hatte BVG-Chef Henrik Falk versucht, gut Wetter zu machen. „Wir haben tatsächlich Startschwierigkeiten gehabt“, sagte Falk. Und dass sich die Situation aber bereits deutlich gebessert habe. Also: Schwamm drüber. Kurz darauf machte das U-Bahnsystem dann aber komplett die Grätsche. Klagen über Wartezeiten von 20 Minuten und mehr zur Hauptbetriebszeit häuften sich.
Nun verspricht das landeseigene Unternehmen gegenzusteuern. Die BVG habe nicht nur begonnen, „die vergangenen Tage schonungslos zu analysieren und auszuwerten“. Auch seien kurzfristige Maßnahmen „aufgesetzt“ worden, um die Ursachen für den aktuell „sehr hohen“ Krankenstand anzugehen.
Führungskräfte in der Fahrerkabine
So sollen jetzt auch Mitarbeiter:innen aus der Verwaltung und Führungskräfte einspringen und Fahrdienste übernehmen, um Ausfälle bei den Fahrer:innen zu kompensieren. Auf die Fahnen schreibt sich die BVG zudem, die zuvor von Beschäftigten kritisierten „Dienstplananpassungen“ zurückgezogen zu haben. Die hatten die Arbeit noch unattraktiver gemacht und sollen ein Grund dafür gewesen sein, dass es Anfang vergangener Woche reihenweise zu Krankmeldungen kam.
Den Problemen bei den Fahrgastinformationen sei die BVG darüber hinaus „kurzfristig mit zusätzlichen Ressourcen begegnet“. So wurde nach Angaben des Unternehmens am Mittwoch „ein zusätzlicher und vorerst provisorischer Arbeitsplatz“ in der Leitstelle der BVG eingerichtet, „der die Echtzeit-Fahrgastinformation künftig deutlich verbessern wird“.
Expert:innen kritisieren gegenüber der taz, dass die BVG mit diesen Maßnahmen Jahre zu spät kommt. Der Personalmangel lasse sich ohnehin nicht so schnell abstellen, erst recht nicht mit provisorischen Arbeitsplätzen. Bei den Disponent:innen etwa, die in der Leitstelle für einen möglichst gleichmäßigen Betrieb sorgen sollen, seien in der Regel noch nicht einmal zu „normalen“ Zeiten alle Plätze besetzt.
Schließlich ist da noch das Hauptproblem des Berliner U-Bahnsystems: der überalterte und störanfällige Fuhrpark. Teilweise werden 60 Jahre alte Züge eingesetzt. Entlastung sollen schon vor Jahren bestellte neue Züge des Herstellers Stadler bringen. Die werden laut BVG allerdings nicht vor 2025 ausgeliefert – und auch hier hat das Unternehmen auf taz-Anfrage zuletzt ein „voraussichtlich“ hinterhergeschoben.
In der Pressemitteilung erweckt die BVG den Eindruck, die Führungsetage habe inzwischen bei Stadler noch einmal auf den Putz gehauen: „Einen verbindlichen Auslieferungstermin hat die BVG beim Hersteller mit Nachdruck eingefordert.“
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