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Berliner Verkehrsbetriebe in der KriseBVG übt sich in Selbstkritik

BVG-Chef Henrik Falk will das U-Bahnchaos „schonungslos“ auswerten und kündigt Sofortmaßnahmen beim Personal an. Experten sagen, das kommt Jahre zu spät.

Besser noch reinquetschen – die nächste U-Bahn kommt vielleicht erst in 20 Minuten Foto: Jürgen Held/Imago

Berlin taz | Die BVG ist berüchtigt für ihre ranschmeißerischen und selbstbejubelnden Pressemitteilungen. Insofern nimmt sich die jüngste Mitteilung aus der Pressestelle von Mittwochnachmittag nahezu selbstkritisch aus. Mit Blick auf die Vorwoche ist die Rede von „verständlichem Ärgernis der unzureichenden Fahrgastinformationen“ und von „ungeplanten Ausfällen in größerem Ausmaß“ bei der U-Bahnflotte. Es klingt fast demütig.

Tatsächlich steckt die BVG tief in der Krise. Hohe Krankenstände, ausgedünnte Fahrpläne oder digitale Anzeigetafeln mit Fantasiewartezeiten sind schon länger ein Problem. Nach dem Ende der Sommerferien hatte die BVG schließlich angekündigt, „Stabilität in das Angebot“ zu bringen. Das Gegenteil trat ein. Etliche U-Bahnlinien sind aus dem Takt geraten. Von Stabilität keine Spur.

Noch vor zwei Wochen hatte BVG-Chef Henrik Falk versucht, gut Wetter zu machen. „Wir haben tatsächlich Startschwierigkeiten gehabt“, sagte Falk. Und dass sich die Situation aber bereits deutlich gebessert habe. Also: Schwamm drüber. Kurz darauf machte das U-Bahnsystem dann aber komplett die Grätsche. Klagen über Wartezeiten von 20 Minuten und mehr zur Hauptbetriebszeit häuften sich.

Nun verspricht das landeseigene Unternehmen gegenzusteuern. Die BVG habe nicht nur begonnen, „die vergangenen Tage schonungslos zu analysieren und auszuwerten“. Auch seien kurzfristige Maßnahmen „aufgesetzt“ worden, um die Ursachen für den aktuell „sehr hohen“ Krankenstand anzugehen.

Führungskräfte in der Fahrerkabine

So sollen jetzt auch Mit­ar­bei­te­r:in­nen aus der Verwaltung und Führungskräfte einspringen und Fahrdienste übernehmen, um Ausfälle bei den Fah­re­r:in­nen zu kompensieren. Auf die Fahnen schreibt sich die BVG zudem, die zuvor von Beschäftigten kritisierten „Dienstplananpassungen“ zurückgezogen zu haben. Die hatten die Arbeit noch unattraktiver gemacht und sollen ein Grund dafür gewesen sein, dass es Anfang vergangener Woche reihenweise zu Krankmeldungen kam.

Den Problemen bei den Fahrgastinformationen sei die BVG darüber hinaus „kurzfristig mit zusätzlichen Ressourcen begegnet“. So wurde nach Angaben des Unternehmens am Mittwoch „ein zusätzlicher und vorerst provisorischer Arbeitsplatz“ in der Leitstelle der BVG eingerichtet, „der die Echtzeit-Fahrgastinformation künftig deutlich verbessern wird“.

Ex­per­t:in­nen kritisieren gegenüber der taz, dass die BVG mit diesen Maßnahmen Jahre zu spät kommt. Der Personalmangel lasse sich ohnehin nicht so schnell abstellen, erst recht nicht mit provisorischen Arbeitsplätzen. Bei den Dis­po­nen­t:in­nen etwa, die in der Leitstelle für einen möglichst gleichmäßigen Betrieb sorgen sollen, seien in der Regel noch nicht einmal zu „normalen“ Zeiten alle Plätze besetzt.

Schließlich ist da noch das Hauptproblem des Berliner U-Bahnsystems: der überalterte und störanfällige Fuhrpark. Teilweise werden 60 Jahre alte Züge eingesetzt. Entlastung sollen schon vor Jahren bestellte neue Züge des Herstellers Stadler bringen. Die werden laut BVG allerdings nicht vor 2025 ausgeliefert – und auch hier hat das Unternehmen auf taz-Anfrage zuletzt ein „voraussichtlich“ hinterhergeschoben.

In der Pressemitteilung erweckt die BVG den Eindruck, die Führungsetage habe inzwischen bei Stadler noch einmal auf den Putz gehauen: „Einen verbindlichen Auslieferungstermin hat die BVG beim Hersteller mit Nachdruck eingefordert.“

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4 Kommentare

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  • Die Politik verkennt, was die wahren Lebensadern der Stadt sind. Fälschlicherweise halten sie in CDU und SPD Straßen dafür. Und das ham wa jetzt davon.



    Autobahn bauen statt billigen, funktionierenden Nahverkehr für alle finanzieren. All die Millionen Berliner:innen passen aber nicht in Autos auf die Straßen. Da kollabiert es dann überall.

  • Die Führungsriege von BVG und S-Bahn sprechen wahrscheinich jeden Morgen ihr Dankgebet, dass die Verkehrswendeversprechungen der Grünen, als Jarasch noch Senatorin war, nur leeres Gerede gewesen ist.

    Wenn nächste Woche eine größere Anzahll Autofahrer ihre Fahrzeuge stehen lassen würden, würde bei Fak & co. nackte Panik ausbrechen.

    • @rero:

      Irgendwie findet man immer einen Weg, die Grünen zu bashen oder? Wir langsam langweilig. Interessanter wäre mal ein Kommentar zu derzeit federführenden CDU in Sachen Verkehr, bzw. wann war Verkehr auf Bundesebene mal in sozialer Hand?

      • @JFBerlin:

        Die CDU in Berlin hat keine Verkehrswende versprochen.

        Die Bundesebene interessiert nicht, wenn es um die BVG geht.

        Haben Sie denn den Eindruck, dass Jarasch eine Verkehrswende eingeleitet hat?

        Oder die BVG sich auf weitere Kunden freut?

        Gegen die Grünen auf Bundesebene hören Sie von mir nichts Negatives.

        Ich finde es nämlich schade, dass Nouripour, aber auch Lang abgetreten sind.