Berliner Verfassungsgerichtsentscheid: AfD verliert gegen Michael Müller
Berlins Verfassungsgericht weist eine AfD-Klage gegen den Regierenden Bürgermeister zurück. Müller habe das Neutralitätsgebot nicht verletzt.
Die Twitternachricht des Regierenden Bürgermeisters von Berlin verstößt nicht gegen das Recht der AfD auf Chancengleichheit. Mit dieser Begründung hat der Berliner Verfassungsgerichtshof am Mittwoch eine Klage der AfD zurückgewiesen. Michael Müller kommentierte das Urteil als ein wichtiges Signal, dass es auch als Regierender möglich sei, sich zum politischen Geschehen zu äußern.
Den Tweet, um den es geht, hatte Müller (SPD) am 27. Mai 2018 von seinem offiziellem Account abgesetzt. Das war der Tag, an dem gefühlt halb Berlin gegen die AfD auf die Straße gegangen war. Riesig, laut und bunt waren die Protestzüge. Auch die Clubszene hatte sich beteiligt. Selbst mit Schiffen auf der Spree wurde demonstriert. Anlass war die zeitgleich stattfindende Versammlung der AfD zum Thema „Zukunft Deutschland“.
Die Demonstration mit rund 5.000 Anhängern war um 15.16 Uhr beendet. Müller hatte seinen Tweet um 17.30 abgesetzt: „Zehntausende in Berlin heute auf der Straße, vor dem Brandenburger Tor und auf dem Wasser. Was für ein eindrucksvolles Signal für Demokratie und Freiheit, gegen Rassismus und menschenfeindliche Hetze.“
Die AfD machte vor dem Verfassungsgerichtshof geltend, Müller habe mit dieser Nachricht ihr Recht auf Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb verletzt. Wenn sie sich in amtlicher Funktion äußerten, seien Inhaber von Regierungsämtern laut Artikel 21 des Grundgesetzes zur Neutralität verpflichtet. Sie dürften nicht parteiergreifend zu Lasten einzelner Parteien Stellung nehmen. Der Tweet verstoße gegen das Gebot, weil er die Gegendemonstrationen positiv bewerte. Damit werde zugleich die AfD kritisiert.
„Wertebezogene Äußerung“
Formal sei der Antrag zulässig, erklärte Sabine Schudoma, Präsidentin des neunköpfigen Verfassungsgerichtshofs, als sie am Mittwoch die Entscheidung verkündete. Inhaltlich sei der Gerichtshof der Argumentation der AfD aber nicht gefolgt. Zwar habe Müller, indem er den Tweet über seinen Bürgermeister-Account verbreitete, in amtlicher Funktion gehandelt. „Er war damit dem Neutralitätsgebot unterworfen“, so Schudoma. Aus dem Wortlaut ergebe sich aber nichts, was auf die AfD als Bezugspunkt der Nachricht hindeutete.
Weder enthalte die Nachricht eine Kollektivbezeichnung, die für die AfD stehen könne, noch sonst irgendeine sprachliche Anspielung auf diese. Auch aus dem Kontext des Demonstrationsgeschehen habe sich dieser Bezug nicht ergeben. Die Motive der Menschen, an diesem Tag zu protestieren, seien vielfältig gewesen. Die Zehntausenden hätten sich keiner bestimmten Partei zuordnen lassen. „Die Nachricht ist als rein wertebezogene Äußerung zu verstehen“, sagte Schudoma.
In dem Tweet habe sich der Regierende Bürgermeister nicht nur mit den allgemeinen Wertebekenntnissen der Demonstranten solidarisiert. Gegen Rassismus zu sein und gegen menschenfeindliche Hetze sei wesentlicher Teil von Grundrechten und Verfassung und dem Parteienstreit damit entzogen. Weil der Tweet nach Ende der AFD-Versammlung abgesetzt wurde, sei damit auch niemand von der Teilnahme abgehalten worden.
Der Schatzmeister des Berliner AfD-Landesverbands, Frank-Christian Hansel, sagte nach der Verkündung zu taz, er halte die Begründung des Gerichtshofs für „konstruiert“. Ohne die AfD-Demonstration hätte Müller den Tweet an diesem Tag nie abgesetzt. Ob die AfD auch den Inhalt des Tweets auf sich bezogen habe? Hansel wies das zurück. „Wir sind natürlich gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit.“
Die mündliche Verhandlung hatte im Januar stattgefunden. Müller hatte sich durch seinen Anwalt sowie den Leiter der Senatskanzlei und seine Pressesprecherin vertreten lassen.
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