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Berliner Tafel über Essener Ausschluss„Allein Bedürftigkeit entscheidet“

Sabine Werth, die Vorsitzende der Berliner Tafel, kritisiert den Aufnahmestopp für Migranten der Essener Tafel und appelliert an den Bundesverband.

Wartende vor der Essener Tafel. Die hat einen Aufnahmestopp für Migranten verhängt. Andere Tafeln kritisieren diese Maßnahme Foto: dpa
Interview von Jakob Kulick

taz: Frau Werth, in Essen werden aktuell nur Personen mit deutschem Pass neu registriert – wie schätzen Sie diese Situation ein?

Sabine Werth: Die Tafeln haben alle dem gleichen Grundsatz zu folgen und zwar, dass allein die Bedürftigkeit der Menschen darüber entscheidet, wer Unterstützung erhält und wer nicht. Ein Ausschluss nach einem anderen Kriterium ist undenkbar.

Sie üben also Kritik am Vorgehen des Essener Verbands?

Es ist nicht an mir, andere Tafeln zu kritisieren – aber in Berlin wäre das, was die Essener gerade veranstalten, undenkbar. Wir dürfen rechtspopulistischen Wortführern kein Kanonenfutter liefern. Gleichzeitig möchte ich eines klarstellen: Es ist das gute Recht jeder Tafel, die Notbremse zu ziehen. Die Tafeln sind rein ehrenamtlich organisiert. Das heißt, wir verfügen nur über ein begrenztes Personal und über begrenzte Mengen an Lebensmittel, die wir verteilen können. Wenn der Andrang zu groß ist, können einer Tafel also die nötigen Ressourcen ausgehen und sie muss einen Aufnahmestopp verhängen. Dieser kann aber nur für alle oder für niemanden gelten.

Auch wenn Sie selbst keine direkte Kritik an die Essener Tafeln richten wollen – wünschen Sie sich in dieser Sache eine Ansage vom Ihrem Dachverband?

Der Dachverband ist der Hüter des Tafelnamens und hier wird einer seiner Grundsätze ignoriert und missbraucht. Ich wünsche mir vom Bundesverband, dass er öffentlich klarstellt, was unsere Grundsätze sind – und dass ein Verstoß gegen diese auch Folgen nach sich ziehen kann. Die letzte Konsequenz wäre die Aberkennung des Tafelnamens.

Bild: dpa
Im Interview: Sabine Werth

Sabine Werth, 60, ist studierte Sozialarbeiterin sowie Mitbegründerin und Vorsitzende der Berliner Tafel.

Wie könnte ihrer Meinung nach die Lage der Tafeln allgemein verbessert werden? Aufnahmestopps, egal für wen, sind ja sicherlich nicht in Ihrem Sinne.

Meine Forderungen richten sich an die Politik. Die ist dafür verantwortlich, allen Menschen in dieser Gesellschaft ein auskömmliches Leben zu ermöglichen. Das heißt, dass vor allem für höhere Löhne und höhere Renten gesorgt werden muss. Im besten Fall wäre eine Organisation wie die Tafeln gar nicht nötig. Aber wir können nicht auf die Politik warten, sondern müssen handeln.

Davon abgesehen, dass die Tafeln gerade mit großem Andrang fertig werden müssen – mit welchen Herausforderungen haben Sie aktuell zu kämpfen?

Die Supermärkte werden ständig besser darin, die vorgehaltenen Warenbestände zu minimieren und rechtzeitig zu verkaufen – dadurch fällt auch weniger für uns ab. Die Krux sind allerdings die Privathaushalte. Sie werfen zu viel weg. Es muss aus den Köpfen raus, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum gleichbedeutend mit dem Verfallsdatum ist. Da benötigen wir Kampagnen, um die Leute aufzuklären und zu einem Umdenken zu bewegen. Auch wenn zum Beispiel die Foodsaver schon einiges erreicht haben, müssen wir da noch viel mehr machen.

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6 Kommentare

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  • Quatsch, nicht allein die Bedürftigkeit entscheidet, sondern die Menge an Nahrung die verteilt werden kann. Und wenn der Armen durch Völkerwanderer immer mehr werden dann wird es enger . Deshalb gibt es auch Wartezeiten bevor man sich anstellen kann.

     

    Übrigens gibt es in Deutschland sehr viele Minirentenbezieher die sich keine Aufstockung holen. Wie ist das nun mit denen, haben die einen Berechtigungsschein vom Amt für die Tafeln?

    Tafeln sind übrigens das Menetekel für Politikversagen. Die Betroffenen sind auch Wähler und werden sich zur richtigen Zeit von Kandidaten abholen lassen die das verstehen.

  • Diskriminierungsverbot

     

    Das Diskriminierungsverbot, auch Benachteiligungsverbot, untersagt, Menschen wegen bestimmter Merkmale ungleich zu behandeln, wenn dies zu einer Diskriminierung, also einer Benachteiligung oder Herabwürdigung einzelner führt, ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt. Insbesondere dürfen weder Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, politische oder sonstige Anschauung, nationale oder soziale Herkunft, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, Vermögen, Geburt noch der sonstige Status als Unterscheidungsmerkmale herangezogen werden...

     

    Die europäische Menschenrechtskonvention enthält in Art. 14 ein Diskriminierungsverbot. Danach ist es verboten, Menschen wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status die Rechte und Freiheiten der Konvention vorzuenthalten oder einzuschränken.

     

    Grundgesetz Art. 3

     

    3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

  • "Meine Forderungen richten sich an die Politik. Die ist dafür verantwortlich, allen Menschen in dieser Gesellschaft ein auskömmliches Leben zu ermöglichen. Das heißt, dass vor allem für höhere Löhne und höhere Renten gesorgt werden muss. Im besten Fall wäre eine Organisation wie die Tafeln gar nicht nötig."

     

    Vielleicht könnte man diesen Skandal, dass gesamtgesellschaftliche Hilfe immer mehr privatisiert und auf mittelalterliche Art mehr und mehr zum Almosen geschrumpft wird, stärker thematisieren?

     

    Deutschland lebt unter seinen Verhältnissen, weil denen, die wirklich und reichlich haben, nichts genommen werden soll.

    • @J_CGN:

      ARMUT in DEUTSCHLAND gibt es für unsere „Volksvertreter“ nicht und deshalb wird der Armutsbericht auch seit Jahren einfach geschönt. Mehr als fünf Millionen Hartz IV Empfänger, unzählige Lohnsklaven und immer mehr Obdachlose sind für die momentan herrschenden Politiker nicht existent.

       

      Die deutschen Tafeln unterstützen regelmäßig bis zu 1,5 Millionen bedürftige Personen, davon 23 Prozent Kinder und Jugendliche, 53 Prozent Erwachsene im erwerbsfähigen Alter (vor allem ALG-II- bzw. Sozialgeld-Empfänger, Spätaussiedler und Migranten), 23 Prozent Rentner und 19 Prozent Alleinerziehende.

       

      Wer sich die Zahlen genauer anschauen möchte, der kann auf diesen LINK klicken https://www.tafel.de/ueber-uns/die-tafeln/zahlen-fakten/

       

      Besonders die Entwicklung der Anzahl der Tafeln in Deutschland, seit 1993, ist erschreckend.

    • @J_CGN:

      Meine ich ebenfalls!

  • "Die Krux sind allerdings die Privathaushalte. Sie werfen zu viel weg. Es muss aus den Köpfen raus, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum gleichbedeutend mit dem Verfallsdatum ist."

    Und wenn die Haushalte das kapiert haben dann werden die Supermärkte reagieren und die Warenbestände noch mehr minimieren. Also wird ein Nullsummenspiel daraus,

    auf jeden Fall für die Tafeln, Bedürftigen etc.