Berliner Szenen: Geh sterben
Im Regio wird geklopft und getrunken, die Fotos sind fail, der Schnaps ist eklig. Und sterben gehen heißt gar nichts.
D ie vier Jugendlichen, die am Zoo in den Regio eingestiegen sind, haben volle, klimpernde Plastiktüten bei sich. Sie schlagen ihr Lager in zwei Vierersitzen auf. „Was hattet ihr fürn Sozialverhalten?“, fragt die eine. „Na ja“, sagt die andere, „die meinten, ich quatsch zu viel.“ „Bei mir war alles im vorderen Drittel“, sagt der eine. „Schleim, schleim“, sagt der andere.
Dann erzählt er von einem Typen, der eine Latexallergie hatte und zu einer Domina gegangen ist und dann einen Allergieschock gekriegt hat und gestorben ist. Dabei holt er kleine Fläschchen aus einer Plastiktüte und stellt sie auf dem Tischchen am Fenster auf. „Jeder drei“, sagt er. „Was habt ihr denn geholt?“, fragt eines der Mädchen. „Kleiner Feigling Bubblegum“, sagt der Junge, und dann klopfen sie mit den Fläschchen auf die Tischchen und trinken und ekeln sich. „Boah“, sagen beide Mädchen, „das ist richtig eklig.“ „Ich steh voll auf Süßes“, sagt die eine, „aber das hier geht gar nicht.“
Sie fangen an sich zu fotografieren, alle vier, sich selber und sich gegenseitig. „Krass“, sagt der eine Junge und guckt sich auf dem Foto an, „das sieht voll fail aus.“ „Bei mir auch“, sagt der andere. „Bei mir ist es so, wenn ich scheiße aussehen will auf Fotos, dann seh ich auch scheiße aus, aber wenn ich gut aussehen will, dann seh ich auch scheiße aus.“ „Guck mal“, sagt das eine Mädchen zu ihm und zeigt ihr Handy, „da seh ich sexy aus, oder?“ – „Hm.“ – „Na ja, nicht das sexy, sondern hübsch-sexy.“ – „Hm, ja, okay.“
Dann gucken die zwei Jungs Hiphopvideos auf ihren Handys und die Mädchen reden. „Und dann“, erzählt die eine, „sagt der so zu mir: Du nervst, geh sterben.“ „Ist doch egal“, sagt die andere. „Tim hat auch schon so was in die Richtung zu mir gesagt, und dann waren wir zwei Wochen zusammen.“
„Deutschland“, ruft einer der Jungs, „deine Rapper sehen aus wie Justin Bieber!“
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