Berliner Solidemo für türkische Aktivisten: Erdogan mit Hitlerbart
In Berlin gehen mehrere tausend Menschen auf die Straße. Sie feiern ihre Solidarität mit der türkischen Demokratiebewegung.
BERLIN taz | Aufgebracht und in guter türkischer Kampfesstimmung gehen am Sonntagnachmittag mehrere tausend Menschen in Berlin auf die Straße, um gegen die massiven Übergriffe der türkischen Regierung zu demonstrieren. Vorneweg ein Trupp türkischer Frauen, in roten T-Shirts, mit erhobenen Fäusten.
Es ist nicht nur die heterogene türkische Gemeinde, die in Berlin seit Tagen in immer größer werdenden Gruppen protestiert, viele in purer Wut, manche sichtlicht betroffen, gerührt. Unter den Demonstrierenden sind auch zahlreiche AktivistInnen aus verschiedenen Berliner Protestmilieus - von der Mietenbewegung zur Linkspartei, von den Grünen zu den Anarchos.
Am Sonntag tragen die Demonstrierenden Schilder mit der Aufschrift „Taksim ist überall. Überall ist Widerstand“ oder „Istanbul ist nicht allein“. Ein Mann, der am Rand läuft, trägt ein Schild auf dem der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan zu sehen - mit Hitlerbärtchen. „Hoch die internationale Solidarität“, immer wieder ertönt der Schlachtruf kraftvoll im Zentrum Berlins.
Bereits seit Tagen ist das Kottbusser Tor, das Herz des türkisch geprägten, alternativen Kreuzbergs, zum Zentrum der deutschen Solidaritätsbewegung geworden. Immer wieder kam es hier in den letzten Tagen angesichts der anhaltenden Repressionen in der Türkei zu Solidaritäts- und Protestaktionen. In der Nacht zu Sonntag, nachdem das Ausmaß neuerlicher Gewalt in Istanbul bekannt geworden war, zogen spontan dutzende Menschen zur türkischen Botschaft in Berlin. Andere brachten ihre Solidarität mit einem Autokorso zum Ausdruck.
Am Samstag luden taz und das Berliner „Haus der Kulturen der Welt" in Berlin zur Podiumsdiskussion „Vom Taksim bis nach Iskenderun - Vereint im Protest, gespalten in der Politik". Türkische Wissenschaftler erörterten die verschiedenen Beweggründe für die Proteste und deren Verlauf.
Auch in anderen deutschen Städten wie in München, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart, Düsseldorf und Bremen kam es am Wochenende zu Demonstratinen und Protestaktionen gegen die Übergriffe der türkischen Regierung. Einige dutzend deutsche AktivistInnen sind eigens nach Istanbul gereist - und beteiligen sich dort direkt an den Protesten.
Unter ihnen ist auch Roman Denter, der die Räumung des Gezi-Parks am Samstagabend vor Ort miterlebt hat. Attac verurteilte die Polizeigewalt scharf: „Erdogan hat sich in die Tradition autoritärer Regime gestellt. Das Attac-Netzwerk steht auf der Seite der Protestierenden, steht auf der Seite einer Bewegung für Demokratie und Menschenrechte“, sagte Denter, Mitglied im Koordinierungskreis von Attac und im Blockupy-Bündnis, am Sonntag in Istanbul.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen