piwik no script img
taz logo

Berliner SenatRot-Rot-Grün will sich Druck machen

Behördenchaos ade? Der Senat stößt endlich eine Verwaltungs-reform an. An die großen Machtfragen traut er sich aber erst mal nicht ran.

Funktioniert derzeit suboptimal: die Berliner Verwaltung Foto: dpa

Der rot-rot-grüne Senat will sich messen lassen beim Großthema der bürgerfreundlicheren Verwaltung: Bis zum Sommer 2019 soll es unter anderem eine digitalisierte Kfz-Zulassungsstelle geben, soll Schluss mit dem Warten auf Unterhaltsvorschuss sein und sollen Einstellungsverfahren für das dringend nötige neue Personal weit schneller ablaufen.

All das hat Regierungschef Michael Müller (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung angekündigt. „Wir haben uns unter Druck gesetzt, nicht nur zu diskutieren, sondern nach zwölf Monaten auch etwas vorzuzeigen.“ Die von einer Expertenkommission jüngst als zentral erachtete Stärkung des Senats gegenüber den Bezirken gehört hingegen nicht zu den vorrangigen Projekten. Stattdessen soll es einen „Zukunftspakt Verwaltung“ mit den Bezirken geben.

Am Samstag hatte der Senat in einer Klausurtagung über die Vorschläge der Expertengruppe um Heinrich Alt diskutiert, Ex-Vorstandsmitlied der Bundesagentur für Arbeit. Der hatte vor drei Wochen den 99-seitigen Abschlussbericht vorgestellt. Darin finden sich Aussagen wie „Derzeit lässt sich die Berliner Verwaltung in vielen Bereichen kaum steuern“ und dass dort Arbeitsleistung eine „eher untergeordnete Rolle“ spiele. Alt und seine elf Kollegen empfahlen daher, der Landesebene wieder mehr Macht gegenüber den Bezirken zu geben und dort die Bürgermeister gegenüber den Stadträten zu stärken.

Das aber will die Landesregierung nur nachrangig angehen: Man habe das nicht unter den Tisch fallen lassen, sagte Müller, aber weil der Senat da nicht alleine handeln könne, soll in dem angekündigten 12-Monate-Programm anderes vorrangig sein. Die Gespräche darüber würden aber weitergeführt.

Am Wochenende war kolportiert worden, dass sich die drei Koalitionspartner bei diesem Thema schlicht nicht einigen konnten und es vor allem zwischen SPD und Linkspartei knirschte. Letztere liegt in der jüngsten Wahlumfrage nicht nur erneut vor der SPD, sondern erstmals sogar mit zwei Prozent.

Am Dienstag mochten Müller und seine Stellvertreter Klaus Lederer (Linkspartei) und Ramona Pop (Grüne) davon nichts wissen. „Ich sehe da gar keine Blockade bei irgendeiner Partei oder Fraktion, sondern ein Ausloten“, sagte der Regierungschef. Pop nannte Diskussionen über anders organisierte Bezirksregierungen „interessant und spannend“. Wichtiger aber sei es, schneller zum Ziel einer bürgerfreundlicheren und effizienteren Verwaltung zu kommen. Auch Lederer sieht darin keinen entscheidenden Faktor für das Reformprojekt.

Die Industrie- und Handelskammer, die Stiftung Zukunft Berlin und Verband der Kaufleute und Industrieller – wo Ex-Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) Präsidiumsmitglied ist – äußerten sich in einer gemeinsamen Reaktion skeptisch: Auch wenn die Richtung stimme, blieben „viele grundsätzliche Fragen einer nachhaltigen Reform der Berliner Verwaltung und insbesondere ihrer Strukturen unbeantwortet“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!
taz zahl ich illustration

tazzahl ich

All you can read

Niemand muss taz lesen. Aber wer will, kann. Unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Das ist dank Ihrer Unterstützung möglich!

  • Ja, ich will
  • Unterstützen Sie die taz jetzt freiwillig mit Ihrem Beitrag
  • Vielen Dank, dass Sie die taz unterstützen
  • Schon dabei!