Berliner Pannenwahl 2021: Noch mehr Wahlwiederholung
Das Bundesverfassungsgericht verhandelte am Dienstag über eine mögliche Wiederholung der Bundestagswahl. Eine Teilwiederholung zeichnet sich ab.
Ein Teil der Berliner Bundestagswahl 2021 muss auf jeden Fall wiederholt werden. Das zeichnete sich bei der mündlichen Verhandlung am Bundesverfassungsgericht über eine Wahlbeschwerde der CDU/CSU-Fraktion am Dienstag ab. Offen ist aber noch, um wie viele Stimmbezirke und Wahlkreise es geht.
Am 26. September 2021 fanden in Berlin sowohl Bundestagswahlen als auch Wahlen zum Abgeordnetenhaus statt. Die Wahlen waren jedoch schlecht organisiert. Stimmzettel fehlten oder wurden unzulässig kopiert. Wahllokale mussten zeitweise geschlossen werden oder blieben unzulässig lange offen.
Gegen die Bundestagswahl in den Berliner Wahlkreisen erhoben mehr als 1.700 Bürger:innen Einsprüche. Selbst der Bundeswahlleiter erhob Widerspruch – zum ersten Mal in der Geschichte. Der Bundestag entschied daraufhin am 10. November 2022 mit den Stimmen der Ampelkoalition, dass in 431 (von 2.256) Berliner Stimmbezirken (Wahllokalen) die Bundestagswahl wiederholt werden muss. Der CDU/CSU-Fraktion ging das aber nicht weit genug. Sie verlangt eine Wahlwiederholung in rund zwei Dritteln aller Stimmbezirke, inklusive die Wiederholung in sechs von zwölf Wahlkreisen. Hierüber muss nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Klärung von Grundsatzfragen
Karlsruhe wird den Fall nutzen – das wurde in der Verhandlung deutlich –, um einige grundsätzliche Fragen der Wahlprüfung zu klären. Ist es automatisch ein Wahlfehler, wenn Wähler:innen länger als 30 Minuten warten müssen und deshalb die Gefahr besteht, dass sie wieder nach Hause gehen – oder gar Fotos der Warteschlangen im Internet posten, die andere von der Wahl abschrecken? Ist es ein Wahlfehler, wenn wegen der langen Schlangen noch nach 18 Uhr gewählt wird und die Wähler so schon erste Prognosen oder gar Hochrechnungen kennen? Die CDU/CSU warf der Ampelmehrheit vor, dass sie die Fehler gar nicht so genau wissen wollte und deshalb nicht die Protokolle aller Wahllokale ausgewertet habe. Diesem Vorwurf wird sich wohl auch das Gericht anschließen.
Bisher galt für die Rechtsfolgen von Wahlfehlern im Bund, dass der Eingriff in das Wahlergebnis so gering wie möglich bleiben soll. Das hält die CDU/CSU hier jedoch für unangemessen. In Wahlkreisen mit besonders vielen Pannen müsse in allen Wahllokalen neu gewählt werden.
Die Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts sollte bis Dienstagabend dauern und eventuell am Mittwoch fortgesetzt werden. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet. Die Wahlwiederholung wird vermutlich im Herbst stattfinden.
Dabei könnte die Teilwiederholung der Bundestagswahl zwar einigen Abgeordneten das Mandat kosten, sie wird jedoch die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht entscheidend verändern. Es ist nicht einmal gesagt, dass eine möglichst umfassende Wahlwiederholung vor allem der CDU nutzen wird. Zwar steht die Union derzeit in den Umfragen besser da als 2021, doch bei einer Teilwiederholungswahl dürfte die Wahlbeteiligung sehr niedrig liegen und das Ergebnis unberechenbar sein. Vielleicht wandern sogar Berliner Mandate in andere Bundesländer ab.
Deutlich größere Auswirkungen hatte das Berliner Wahlchaos für die Abgeordnetenhauswahl von 2021. Bekanntlich ordnete das Berliner Landesverfassungsgericht bereits im November 2022 eine vollständige Wiederholung an. Die Neuwahl fand im Februar 2023 statt. Die SPD beendete anschließend die rot-rot-grüne Koalition im Senat und wählte stattdessen Wahlsieger Kai Wegner von der CDU zum Regierenden Bürgermeister.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen