piwik no script img

Berliner OlympiabewerbungOhne Begeisterung geht gar nichts

Die Olympischen Spiele nach Berlin holen? Der Senat sollte zuallererst klären, ob die Einwohnerschaft dahintersteht.

Sprinter Usain Bolt begeisterte das Publikum bei der Leichtathletik-WM 2009 im Olympiastadion Foto: dpa

Den Wohnungsbau sollten sie beschleunigen, das Verkehrsnetz auszubauen helfen und auch ansonsten für jede Menge schöner Dinge sorgen. Ungefähr so klang es 2014, als in Berlin zuletzt Menschen ernsthaft versuchten, die Olympischen Sommerspiele erneut in die Stadt zu bekommen. Von dem, wofür zumindest bei traditioneller, vielleicht naiver, vielleicht aber auch einfach sportbegeisterter Sichtweise „Olympia“ steht, nämlich für grandiose Sportwettbewerbe, war wenig zu hören.

Ohne Sportbegeisterung aber geht es nicht. Wenn nicht vorrangig eine deutliche Mehrheit in der Stadt der Wunsch umtreibt, die besten Athletinnen und Athleten des Planeten ein paar Wochen zu Gast zu haben, braucht ein Senat, sei er links oder konservativ, an eine Bewerbung erst gar nicht zu denken.

Die am 17. Juni startenden Special Olympics Weltspiele werden aus Sicht von Regierungschef Kai Wegner (CDU) zeigen, dass „Berlin Großveranstaltungen kann“. Der Maßstab passt allerdings nicht wirklich: Die Olympischen Sommerspiele sind das größte Sportereignis der Welt und ziehen mehr Zuschauer und Gäste als jede andere Veranstaltung an – bei den Special Olympics geistig behinderter Menschen rechnen die Organisatoren nur mit den Athleten, ihren Trainern, Familien und Freunden als Gästen, insgesamt rund 15.000 Menschen.

Wie schön internationale Wettkämpfe in Deutschland sein können, haben die Mehrfacheuropameisterschaften im Sommer 2022 gezeigt. Selten war breite Begeisterung für Triathlon größer als im Münchner Olympiapark, und bei der Leichtathletik konnte sich die Stimmung im dortigen Stadion mit jenen Momenten im Berliner Olympiastadion messen, als Usain Bolt 2009 bei der Weltmeisterschaft mit seinen Rekordsprints das Publikum begeisterte.

Nun ließe sich sagen, Heldenverehrung, auch sportliche, sei von gestern. Aber das kann nur von sich geben, wer nie gesehen hat, wie eben damals Bolt lief, wie weiterhin Weitspringerin Malaika Mihambo über die Sandgrube zu schweben scheint oder Gina Lückenkemper mit vollem Einsatz ins Ziel des 100-Meter-Finales in München stürzte.

Manche Kritiker lehnen eine Bewerbung schon deshalb ab, weil das Internationale Olympische Komitee (IOC) dabei unangenehme Vorgaben macht. Mag sein – aber diesem IOC dürfte auch daran gelegen sein, möglichst attraktive Standorte wie 2024 Paris für seine Spiele zu bekommen, was Verhandlungsspielrraum bieten könnte.

Rostock liegt um die Ecke

Und was die Sportstätten angeht, hat Berlin mit kurzen Wegen auch ohne anderswo aus dem Boden gestampfte und zu Recht kritisierte gigantische Neubauten fast alles zu bieten. Allein die Ruderer wären am Stadtrand in Grünau unterwegs, und das Segeln müsste in die Ostsee vor Rostock ausgelagert werden – aber das wäre quasi um die Ecke im Vergleich zu den Münchner Spielen 1972, als das Segeln knapp 900 Kilometer entfernt vor Kiel stattfand.

Nachdem die neue schwarz-rote Regierung eine Bereitschaft Berlins für Olympische Spiele in ihren Koalitionsvertrag geschrieben und das anders als zuvor Rot-Grün-Rot nicht mit unrealistischen Reformbedingungen an das IOC verbunden hat, ist jetzt zu klären, ob das der Rest der vier Millionen Berliner auch so sieht. Andernfalls kann man sich nämlich alle weitere Mühe und jegliche neue Olympia-Diskussion sparen.

Das geht ganz einfach mit einer rechtlich unverbindlichen, aber moralisch sehr wohl bindenden berlinweiten Abstimmung. Und wie gesagt: Wer da für ein „Ja“ werben will, sollte den Sport ganz in den Vordergrund stellen und Olympische Spiele nicht als Um-zu-Veranstaltung bewerben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Seit wann steht bei Olympia der Sport im Vordergrund? Ich dachte immer, es geht um Geld, Geld und nochmals Geld, das mit der Aufmerksamkeit auf professionell gedopte Gladiatoren und Gladiatorinnen geschöpft wird. Lasse mich natürlich gerne eines Besseren belehren...

  • Olympische Spiele muß man sich leisten können und nicht nur wollen.

  • Ach ist es wieder mal soweit?



    Wir haben ja jede Menge Geld, das wir zum Fenster rauswerfen könnten.



    Lernfähig ist man offenbar nicht.



    OK, ist ja nicht das Geld der Politiker. Da kann man schon mal irre Dinge machen.



    Hertha - die Verlierer des Jahres - wollten ein neues Stadion. Pal Dardai als nächster Bundeskanzler?