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Berliner Landeshaushalt„Jedem muss klar sein: Es wird nicht mehr“

CDU und SPD präsentieren ihre Milliarden-Sparliste. Finanzsenator Stefan Evers mag dabei nicht einmal Hoffnung auf die Zukunft machen.

Auf dem Weg zur Sparlistenverkündung: Die führenden Köpfe der schwarz-roten Koalition um Regierungschef Kai Wegner (CDU) Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin taz | „Winter is coming“, hat der Finanzsenator vergangene Woche mit Blick auf die damals noch anstehenden milliardenschweren Haushaltskürzungen angekündigt. Als am Dienstagmorgen im Abgeordnetenhaus die führenden Köpfe von CDU und SPD vor Journalisten sitzen und genau diese Kürzungen erklären sollen, fallen vor dem Parlament tatsächlich die ersten Schneeflocken. Keine lieblichen, nein nasskalte, schier alles durchdringende. Drinnen müht sich derweil die schwarz-rote Führungsriege um Regierungschef Kai Wegner (CDU), Gutes an ihren eigenen Beschlüssen zu finden.

Dass sie unumgänglich waren etwa. Dass Berlin mit dem, was sie „Kraftanstrengung“ nennen, etwas geschafft habe, was anderen Bundesländern noch bevorstehe. Dass die Bundesregierung jüngst daran zerbrochen sei, während in Berlin CDU und SPD an einem Strang gezogen hätten. Dass man vieles, etwa neue E-Busse, jetzt eben nicht streiche, sondern bloß nicht mehr direkt aus dem Haushalt finanziere, sondern über Kredite, die trotz Schuldenbremse erlaubt sein sollen. Das läuft dann unter „alternative Finanzierungsformen“.

Es ist auch so einiges zu hören, was sich nicht sofort erschließt. Dass die Koalition es etwa nicht für nötig hält, das bislang – pro Jahr – bloß rund 10 Euro kostende Anwohnerparken zu verteuern, das etwa in Bonn 360 Euro kostet. Die Begründung auf Nachfrage: Das hätte nur einen einstelligen Millionenbetrag erbracht. Was sich nicht so ganz erschließt, denn das hängt ja davon ab, ob man verdoppelt oder verzehnfacht. 2026 soll ein alles umfassendes Parkkonzept vorliegen.

Die Senatsverwaltung für Kultur wäre mutmaßlich auch für diesen angeblich nur einstelligen Millionenbetrag dankbar gewesen: Auf rund 130 Millionen soll sie verzichten. Was das vor allem genau für die laufende Sanierung der Komischen Oper heißt, bleibt offen.

Das 29-Euro-Ticket fällt weg

Überhaupt ist von den sieben Parteichefs, Fraktionsvorsitzenden und Senatsmitgliedern, die da vor den Journalisten sitzen, wenig wirklich Konkretes zu hören. Nachfragen zu Folgen bei konkreten Haushaltsposten etwa im Sozialen fallen wenig umfassend aus. Wobei Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), selbst nicht im Raum, später am Vormittag als einziges Senatsmitglied eine eigene Pressemitteilung verschicken und darauf hinweisen wird, dass sie in ihrem Haushalt weniger als 4 Prozent einsparen muss. Bei der Kultur sind es rund 12 Prozent.

Den vielleicht schwersten Job hat an diesem Morgen Franziska Giffey: Als sie Anfang 2023 noch nicht Wirtschaftssenatorin war, sondern als Spitzenkandidatin von SPD-Wahlplakaten schaute, war das 29-Euro-Ticket ihr größtes Wahlversprechen. Nun muss sie erklären, warum das Ticket „schnellstmöglich“ ausläuft. Wie genau und ob schon abgeschlossene Jahres-Abos weiter gelten, ist unklar – sie selbst geht von „Vertrauensschutz“ aus.

In einer derartigen Haushaltslage „müssen Sie abwägen, welches Versprechen Sie halten“, argumentiert Giffey den Journalisten gegenüber. Die Alternative war offenbar, dass vormals von der SPD durchgesetzte Umsonst-Angebote wegfallen: das beitragsfreie Schulessen genauso wie freies Bus- und Bahnfahren für alle Schüler. Beim Sozialticket gibt es den Mittelweg: Es bleibt erhalten, wird aber teurer. Künftig soll es 19 statt 9 Euro kosten. Die SPD-Fraktion hat im Abgeordnetenhaus allerdings schon vor mehreren Wochen darauf verwiesen, dass ebendieses Ticket 2016 noch 36 Euro kostete und sich seither staatliche Hilfen erhöhten.

Es ist im Verlauf der 90-minütigen Pressekonferenz zunehmend Finanzsenator Stefan Evers (CDU), der auf Fragen antwortet. Er hat oft und nicht nur mit seinem drohenden „Winter is coming“ auf die Kürzungen einzustimmen versucht. Nun verweist er darauf, dass die jetzigen Beschlüsse nur der erste Schritt von vielen seien – auch wenn dieser erste als „Bewährungsprobe“ vielleicht der wichtigste sei. Evers lässt auch erst gar nicht Hoffnung aufkommen, irgendwann wieder aus dem Vollen schöpfen zu können: „Jedem muss klar sein: Es wird nicht mehr.“

Evers: Kein Cent Kürzung bei Klassenfahrten

Klarheit gibt es immerhin bei einem Thema, das für breite Diskussion sorgte, weil es die komplette Schülerschaft zu betreffen schien: Klassenfahrten seien eben nicht gestrichen, dort wird laut Evers kein einziger Cent gekürzt. Jenes Schreiben, mit dem er Ende September untersagte, Zusagen für 2025 zu machen oder Verträge einzugehen, soll nicht mehr gelten, sobald der Senat in seiner nächsten Sitzung den Entwurf eines Nachtragshaushalts behandelt. Der soll die nun beschlossenen und trotz Schuldenbremse erlaubten neuen Kredite beinhalten.

Oppositionspolitiker hatten schon im Vorfeld die Kürzungen kritisiert. Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch etwa war schon zwei Stunden vor der Pressekonferenz im RBB-Radio mit dem Vorwurf zu hören, die Beschlüsse seien „massiv unsozial“. Bei der Linksfraktion sieht man ebenfalls soziale Härten und eine drohende Spaltung der Stadt. „Mit den Kürzungen beim Umwelt- und Klimaschutz sowie beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs werden die Verkehrswende abgeblasen und die notwendige Klimaanpassungsmaßnahmen verschoben“, reagieren die beiden Fraktionschefs Anne Helm und Tobias Schulze im Anschluss.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) meint, es hätte einen Weg gegeben, manche Kürzungen zu vermeiden: „Schwarz-Rot ignoriert mögliche Einnahmen in dreistelliger Höhe.“ Der BUND verweist auf eine Studie, laut der das Land Berlin durch eine Verpackungssteuer mindestens 40 Millionen Euro hätte einnehmen können. Zu den unveränderten Parkgebühren heißt es: „Öffentlicher Raum wird weiterhin für das umweltschädlichste städtische Verkehrsmittel zum Schleuderpreis zur Verfügung gestellt.“

In den Stunden nach dieser seit vielen Wochen erwarteten Spar-Präsentation hört es zwar wieder auf zu schneeregnen. Laut Wetterbericht bleiben aber noch „Sturmböen und rutschige Straßenverhältnisse“. Donnerstag steht an derselben Stelle die nächste Plenarsitzung des Parlaments an. Drinnen zwar, aber mutmaßlich nicht weniger stürmisch.

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