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Berliner Kinos vor der BerlinaleMan muss hier nicht rotsehen

Die Kinos in der Krise wegen der Pandemie? Eigentlich nicht. In den kleinen Kinos will man jedenfalls nicht klagen.

Rotes Polster im Dunkeln, so geht Kino Foto: imago

Berlin taz | Die Zeiten, in denen man einfach mal spontan ins Kino ging, um sich einen Film anzusehen, für den man sich kurz vorher entschieden hat, sind bekanntlich eine Weile her. Seit fast zwei Jahren gilt der pandemische Ausnahmezustand samt wechselnden Coronaregeln, und der Kinobesuch will entsprechend vorbereitet sein. Die Lage ist unübersichtlich genug.

Wenn man etwa anfängt, sich die aktuell geltenden Einlass­bestimmungen für die Kinos der Berliner Yorck-Gruppe durchzulesen mit dem 2G+ sowie den Sondererläuterungen für Leute mit Genesenenstatus, den Geboostert-Regelungen für die Johnson-&-Johnson-Impflinge und dem ganzen Pipapo, ist man eigentlich schon wieder geneigt, das verrückte Abenteuer Kinobesuch doch lieber sein zu lassen und stattdessen gemütlich daheim bleibend zu schauen, was einem Netflix zu bieten hat.

Zudem seit Mitte Januar in den Berliner Kinos auch noch eine FFP2-Masken-Pflicht am Platz gilt. Für den Verzehr von Speisen und Getränken darf die Maske aber abgenommen werden. Wahrscheinlich würde man im Kinosaal also auch noch von Popcornjunkies und XXL-Cola-Schlürfern umgeben sein, die sich so ein wenig Erleichterung von dem Gesichtslappen verschaffen wollen. Von der Angst davor, dass Omikron besonders gerne Menschen in geschlossenen Räumen durchseucht, war jetzt noch nicht einmal die Rede. Wer möchte unter diesen Umständen also wirklich gerade ins Kino gehen, und wer freut sich tatsächlich auf die Berlinale?

Scheinbar eine ganze Menge Leute.

Berlinale auch in den Kiezen

Die Karten Am 10. Februar startet die Berlinale, sie dauert bis zum 20. Februar, und die Karten für den Vorführungen bei dieser 72. Auflage der Filmfestivals gibt es ausschließlich online. Der Vorverkauf startet am Montag, 7. Februar, die Tickets können immer drei Tage vor einer Vorstellung erworben werden. Auf www.berlinale.de findet sich ein reichhaltiges Programm, was man alles gucken könnte bei der Berlinale.

Die Kieze Neben den traditionellen Berlinale-Kinos geht es wieder auch in die Kieze. Die „Berlinale goes Kiez“-Reihe startet am 12. Februar in Wilmersdorf im Eva Lichtspiele und endet am 18. Februar im Brotfabrik-Kino in Weißensee. Im Intimes ist der 14. Februar der Termin, Kiezkino gibt es auch im City Kino (Wedding), Kino Union (Friedrichshagen), Passage (Neukölln) und Neue Kammerspiele (Kleinmachnow).

Christian Suhren vom Kreuzberger Arthousekino FSK gibt an, dass man aufgrund geltender Abstandsregeln zwar nur halbe Kapazitäten in den beiden Kinosälen fahren könne, die Vorstellungen aber dann auch meist gut gefüllt seien. Und Verena von Stackelberg vom Neuköllner Programmkino Wolf sagt: „Die Leute nehmen das Kinoangebot sehr dankbar wahr.“

Die Überbrückungshilfen

Eigentlich könnte man meinen, nach den zähen Coronamonaten, den Unsicherheiten und all den Lockdowns würden die Kinobetreiber langsam auf der letzten Rille fahren. Aber so ist es gar nicht. „Die Überbrückungshilfen laufen gut, da kann man sich nicht beschweren“, so Christian Suhren. Und Verena von Stackelberg sieht die Situation so: „Seit zwei Jahren kann unser Geschäft nicht mehr Geschäft genannt werden, weil alles komplett gefördert ist. Wir haben gerade keine rea­le Geschäftssituation. Alles ist sehr fiktiv. Wir haben auf, zeigen Filme, aber das Geld, das wir damit einnehmen, hat eigentlich nichts mit unserer echten Existenz zu tun.“

Weitgehend von wirtschaftlichen Zwängen befreit, machen die Kinobetreiber gerade also das, was sie am liebsten tun: Sie zeigen Filme. Man könnte fast meinen, es wäre während der Pandemie nicht etwa schwieriger geworden, ein Kino am Laufen zu halten, sondern einfacher.

Aber so ist es natürlich nicht. Das Kinogeschäft sei gerade „finanziell weniger ein Pro­blem als logistisch“, so von Stackelberg, „ständig fallen Mitarbeiter aus, müssen in Quarantäne“. Dazu müsse beim Einlass bei jedem Gast umständlich und zeitraubend der Impfstatus ­­geprüft werden. Zu bedenken gibt sie auch, dass jetzt eigentlich die Zeit wäre, wo man ordentlich Umsatz machen sollte, um mit dem Plus auf dem Konto die Saure-Gurken-Zeit in den Sommermonaten kompensieren zu können, in der traditionell weniger ins Kino gegangen wird.

Dabei würde helfen, „dass normalerweise im Januar und Februar die ganzen Oscarfilme herauskommen“, sagt sie, „aber derzeit warten die Filmverleiher lieber auf bessere Zeiten. Gerade ist nicht so viel da an Arthousefilmen, die auch Geld bringen.“ Und Christian Suhren blickt mit gesunder Skepsis in die nahe Zukunft, wenn er sagt: „Die Leute, die jetzt ins Kino gehen, wollen auch unbedingt ins Kino. Damit der Saal aber wieder wirklich voll werden soll, müssen auch andere kommen, die sich vielleicht das Kino inzwischen etwas abgewöhnt haben.“

Berlinale goes Kiez

Dass man sich wieder an das Kino erinnert oder es nicht vergisst, dafür wird sicherlich die in ein paar Tagen startende Berlinale sorgen. Sven Loose, Programmverantwortlicher für das Friedrichshainer Kino Intimes, ist jedenfalls voller Vorfreude. Das Intimes ist erstmalig mit dabei bei der Reihe „Berlinale goes Kiez“, bei der nun zum zwölften Mal auch kleinere Kinos, vor denen kein roter Teppich ausgelegt wird, Teil des großen Filmfestivals werden können. Er wisse „die mit der Einbindung in das Festivalprogramm verbundene höhere Aufmerksamkeit sehr zu schätzen“, sagt er, und freue sich, an der beliebten Kiez-Festivalreihe teilzunehmen.

Das Intimes kann einen Publicity-Booster gerade besonders gut gebrauchen. Es wird mitbetrieben von dem Friedrichshainer Kinokollektiv der Tilsiter Lichtspiele, das auch den Kulturort Zukunft am Ostkreuz unterhält, wo es ein weiteres Kino gibt. Doch das Zukunft könnte bald Geschichte sein, der Mietvertrag, der bis Ende März dieses Jahres läuft, wurde nicht verlängert. Und obwohl sich auch die kommunale Politik vehement für den Erhalt des Ortes einsetzt, bleibt der Eigentümer, auf dessen Gelände sich das Zukunft befindet, bislang stur.

Manuel Godehardt vom Tilsiter-Kollektiv sagt zum aktuellsten Stand: „Wir stecken in Verhandlungen mit dem Vermieter. Ob es eine Verlängerung gibt, steht noch in den Sternen. Mehr können wir dazu leider gerade nicht sagen.“ Das Ende des Zukunft am Ostkreuz, gerade jetzt während der Pandemie, „würde dann auch das Kino Intimes und die Tilsiter Lichtspiele und die an diesen Standorten arbeitenden Mitarbeiter hart treffen“.

Corona konnte den Berliner Kinos bislang nichts anhaben. Es ist ein drohender Investor, der drei Friedrichshainer Lichtspielhäusern gefährlich werden könnte. Klingt wie ein schlechter Film.

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