Kinotipp der Woche: Filmsache Helke Sander

Die Deutsche Kinemathek ehrt die Regisseurin und Vorreiterin des feministischen Films mit einer einwöchigen Werkschau im Arsenal.

Szene aus „Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers“, BRD 1978, Regie: Helke Sander

„Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers“, BRD 1978, Regie: Helke Sander Foto: Deutsche Kinemathek

Wie funktioniert das Patriarchat und wie hält es sich am Laufen? Die Suche nach einer Antwort auf diese Frage zieht sich durch das Schaffen der Regisseurin Helke Sander. Das kann dann satirisch überspitzt laufen, wie in “Die Deutschen und ihre Männer – Bericht aus Bonn“ (1990), wo ein gewisses Lieschen Müller aus Österreich in die damalige deutsche Hauptstadt aufbricht und erst einmal laut brüllt: “Ich suche einen Mann“.

Und zwar einen halbwegs vernünftigen. Um dann jede Menge gockeliger Krawattenträger vor die Kamera zu bekommen, die nur zu deutlich klar machen, dass es ihnen im Patriarchat eigentlich ziemlich gut gefällt und sie sich auch gar nichts anderes vorstellen können. Und das, was die Typen ohne Schlips so von sich geben, klingt kaum fortschrittlicher.

Die Erforschung einer Welt, die Männer bevorzugt für ihresgleichen eingerichtet haben, muss bei Sander aber nicht nur so humorvoll vor sich gehen wie in “Die Deutschen und ihre Männer“, sondern kann auch so laufen wie in ihrer mehr als dreistündigen Dokumentation “Befreier und Befreite“ (1992). In diesem Film geht die Regisseurin den Massenvergewaltigungen deutscher Frauen in den letzten Tagen des 2. Weltkriegs nach, die vor allem von Soldaten der Roten Armee begangen wurden.

Werkschau Helke Sander, 21. 2.–27. 2., Kino Arsenal, Potsdamer Str. 2; Karten: www.arsenal-berlin.de

Sander, die vorher lange zu dem Thema recherchiert hatte, befragt dabei nicht nur Opfer, sondern auch damalige Soldaten. Sie hört sich alle Geschichten an, von Männern, die relativieren, und von Frauen, die etwa davon berichten, dass sie im selben Raum und zur selben Zeit vergewaltigt wurden wie ihre Mütter.

Sander wertet nicht, wird an keiner Stelle emotional und versucht einfach nur, herauszufinden, wie verbreitet Vergewaltigungen als Waffe, als Mittel der Rache, damals wirklich war. Und was mit den Kindern passiert ist, die aus diesen Taten hervorgingen.

Tabuisierte Themen

Das Thema war damals tabuisiert, ein Stück weit ist es das heute noch. Sander musste sich anhören, einen revanchistischen Film gedreht, eine Täter-Opfer-Umkehrung vorgenommen zu haben. Dabei wollte sie einfach nur aufklären und schuf damit einen epochalen Dokumentarfilm.

Für ihre Themen zu kämpfen, das war Sander zu dem Zeitpunkt längst gewohnt. Sie war mittendrin in der 68er-Bewegung in Berlin, war Mitbegründerin des “Aktionsrat zur Befreiung der Frauen“ und machte sich stark für feministische Strömungen innerhalb der 68er-Bewegung.

Dass sie dabei nicht immer die Männer mit auf ihrer Seite hatte, so revolutionär sich diese auch geben wollten, prägte dann auch ihre Arbeit als Filmemacherin. Und als solche hatte sie wiederum damit zu kämpfen, dass der “Neue Deutsche Film“, der damals antrat, das Opa-Kino für tot zu erklären, auch wieder vor allem von Männern dominiert wurde.

Vorreiterin des feministischen Kinos

Ein feministisches Kino in Deutschland musste erst noch erfunden werden. Und als Vorreiterin eines solchen Kinos gilt heute Helke Sander, die nun zu ihrem 85. Geburtstag mit einer Werkschau im Kino Arsenal geehrt wird.

Ein prototypischer Sander-Film, der wie so oft bei ihr Dokumentarisches, Fiktionales und Autobiographisches verbindet, ist sicherlich “Der subjektive Faktor“ (1981). Man wird zurückgebeamt in die Zeit der Studentenbewegung. Springer enteignen!, Ho-Ho-Ho-Chi-Minh!, Kommunenleben, alles da.

Eine junge Studentin will sich in dem Film ebenfalls engagieren, muss aber feststellen, dass beim superwichtigen Plenum, wo gerade mindestens an der Weltrevolution gearbeitet wird, nur die Männer wirklich etwas zu melden haben. Geh doch in die Küche, wird ihr beschieden. Aber bloß in der Küche zu hocken, das reicht ihr nicht.

Zeiten des Aufbruchs

Man wird wunderbar zurückgeholt in die Zeit des Aufbruchs und diverser Konflikte in diesem Film. Lenin-Poster an der Wand, Che Guevara mit einer dicken Zigarre im Mundwinkel ebenso, und ständig wird repetiert, was der Rudi jetzt schon wieder Wichtiges von sich gegeben hat.

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Dazwischen immer wieder dokumentarisches Filmmaterial, auch vom Rudi. Und dann kommen noch die Typen von der bürgerlichen Presse mit ihren speckigen Lederjacken vorbei und wollen von den männlichen Komunarden vor allem wissen, ob in der revolutionären Gemeinschaft denn nun wirklich jeder mit jedem Sex haben würde.

Für die Bedürfnisse der Studentin, die auch noch ein Kind hat, bleibt da ersteinmal nicht viel Raum. Der muss erst noch geschaffen werden. Wofür sich die Studentin genauso einsetzt, wie es Helke Sander als Aktivistin wie als Filmemacherin immer getan hat.

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