Berliner Geschichte: Tempelhofs dunkle Seite
Auf dem ehemaligen Flugfeld stand ein KZ. Der Senat bewirbt den Ort als "Tempelhofer Freiheit". Vereine finden das zynisch und fordern eine Gedenkstätte.
Auf dem Tempelhofer Feld soll eine Gedenkstätte für Opfer des Nationalsozialismus entstehen, fordern mehrere Berliner Vereine. „Am nördlichen Rand des Feldes stand eines der wichtigsten Konzentrationslager der frühen Nazizeit, das KZ Columbiahaus“, sagt Beate Winzer vom „Förderverein für ein Gedenken der NS-Verbrechen auf dem Tempelhofer Flugfeld“. Auch ein Zwangsarbeiterlager stand auf dem Gelände.
Die aktuelle Planung für das Flughafengelände sieht sowohl eine große Freifläche als auch Wohn- und Gewerbebebauung vor. Das Flughafengebäude soll weiterhin als Event-Location genutzt werden. Außerdem soll auf dem Feld der Neubau der Zentral- und Landesbibliothek enstehen.
Spuren sichtbar machen
Winzer hingegen will die Spuren des Zwangsarbeiterlagers sowie des KZs „für alle sichtbar machen.“ Auch Jürgen Karwelat von der Berliner Geschichtswerkstatt pflichtet bei: „Das Tempelhofer Areal ist groß genug, um dieser Erinnerung ihren Platz zu geben.“ Im größten Konzentrationslager Berlins wurden zwischen 1934 und 1936 vor allem politische Häftlinge eingesperrt, gefoltert und getötet. Als sich die Verfolgung durch die Nazis ausweitete, wurde das KZ am Columbiadamm geschlossen, weil es nicht genug Kapazitäten hatte. Der neugebaute Flughafen wurde ab 1939 zur Montage von Kriegsflugzeugen genutzt und gehörte zu einem der größten Rüstungsunternehmen Deutschlands.
„Ein Drittel der Belegschaft waren ZwangsarbeiterInnen, die unter schrecklichen Bedingungen litten“, sagt Winzer. Dass das Tempelhofer Feld seit 2010 mit dem Namen „Tempelhofer Freiheit“ beworben wird, sei schlichtweg eine Beleidigung den Opfern gegenüber.
Mitgeprägt hat diesen Namen die Tempelhof Projekt GmbH. Die Gesellschaft ist für die Verwaltung und Entwicklung des Tempelhofer Felds verantwortlich. „Tempelhofer Freiheit – unser Name ist Programm für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit“, sagt Geschäftsführer Gerhard Steindorf. Der Senat sieht das ähnlich: „Mit dem Namen Tempelhofer Freiheit wollen wir eine Zukunftsperspektive aufzeigen und keine historische Aussage machen“, sagt Manfred Kühne, in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zuständig für das Tempelhofer Feld. Er könne allerdings verstehen, dass der Name „missverständlich sein könne“.
Eine Gedenkstätte, so Kühne, sei von Senatsseite nicht geplant. Stattdessen soll es etwa eine Tafel geben, an der über die Geschichte des Geländes informiert wird. Eine Tafel – das ist dem Kreuzberger Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) nicht genug. Er warnt vor einer Musealisierung des Flugfelds: „Wir brauchen einen Ort der aktiven Auseinandersetzung und des Lernens“, sagt Schulz. Für einen solchen Ort, an dem Geschichte erlebbar wird, spricht sich auch die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD), aus. Sie befürworte Grabungen auf dem Gelände, um Spuren zu sichern, sagte sie der taz. Die Vereine gehen davon aus, bei Grabungen auf Reste des Konzentrationslagers zu stoßen, da dieses nur aufgeschüttet, aber nicht zertrümmert worden sei.
Gegraben werden muss ohnehin: Bevor auf dem Tempelhofer Feld neue Gebäude errichtet werden dürfen, müssen im Rahmen der Bauordnung zunächst archäologische Untersuchungen erfolgen. Diese würden im Herbst beginnen, bestätigt Karin Wegner, die Leiterin des Fachbereichs Archäologie beim Landesdenkmalamt. „Die NS-Vergangenheit auf dem Gelände haben wir dabei fest im Auge“, so Wegner.
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