Berliner Club Yaam akut bedroht: Auf wackligem Fundament
Laut Gutachten soll eine Ufermauer, an die das Yaam grenzt, nicht sicher sein. Die Betreiber bangen um die Zukunft, geben die Hoffnung aber nicht auf.
Ein Gutachten, das Ende 2019 in Auftrag gegeben wurde, hatte ergeben, dass die Standsicherheit der Ufermauer im Bereich der Schillingstraße, an die das Yaam direkt grenzt, zweifelhaft sei. Daraufhin wurde im gesamten Uferbereich des Yaam-Außengeländes auf Anweisung der Bauaufsicht ein fünf Meter breiter Streifen mit einem Flatterband abgesperrt. Und der Club, der nur 2,90 Meter vom Ufer entfernt ist, bis auf Weiteres aus Sicherheitsgründen geschlossen.
Wechselvolle Geschichte Die erste Version des Clubs Yaam (Young African Art Market) entstand 1996 in der Cuvrystraße. In der Folge musste der Club viermal innerhalb von Friedrichshain und Kreuzberg umziehen, da er immer nur Zwischennutzungsverträge erhielt. Seit 2014 residiert der vom Verein Kult e. V. betriebene Club an der Schillingstraße – in dem Gebäude, in dem sich davor der Club Maria am Ufer und später der Club Magdalena befanden.
Veranstaltungen Das Yaam hat sich als Veranstaltungsort einen Namen gemacht, vor allem im Bereich Reggae. Doch vor allem ist es ein sozialer Ort, der mehr ist als nur ein Club. Man bietet afrokaribisches Essen an und heißt People of Color ausdrücklicher willkommen als die anderen Berliner Clubs. Man veranstaltet auch Flohmärkte, Soli-Feste und hat eine Box auf dem Gelände stehen, in der Bedürftige kostenlos Klamotten oder Bücher bekommen können. (taz)
Hendrik auf der Heidt wirkt am Montag immer noch ziemlich fassungslos. Die ganze Logistik, die ganze IT, befinde sich immer noch in dem Gebäude, das er nicht betreten dürfe, erzählt er der taz. Wie soll man so den Clubbetrieb am Laufen halten?
Martin Gräff, wie Hendrik auf der Heidt im Vorstand des Vereins, der das Yaam betreibt, sagt, die Ufermauern seien hundert Jahre alt. Dass diese marode seien, das sei längst bekannt. Bereits 2003 wurde dies in einem Gutachten bestätigt. Passiert sei danach – nichts. Die Renovierung würde 5 bis 7 Millionen Euro kosten, sei ihm gesagt worden. „Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat aber kein Geld, das bezahlt der nie.“
Mit den beiden Yaam-Vorständen geht es über das weitläufige, fast 2.000 Quadratmeter große Gelände. Am Eingang befinden sich die Buden, die afrikanisches Essen anbieten. Es gibt einen Garten, man hat einen wunderbaren Blick auf die Spree. Dass der Ort sehr speziell ist – keine Frage. Wenn nicht gerade eine Pandemie wütet, gibt es hier vor allem Reggae-Konzerte. Bei People of Color ist das Yaam ein beliebter Ort. „Anders als in anderen Berliner Clubs kommt bei uns eigentlich jeder rein“, so Martin Gräff.
„Refugees welcome“-Slogans
In der Nachbarschaft des Yaam wurde in den letzten Jahren die „Mediaspree“ hochgezogen, überall anonyme Bürokomplexe und Luxusapartements. Ganz in der Nähe befindet sich das urbane Hipsterdorf Holzmarkt. Und direkt neben dem Club wird gerade ein riesiges Hotel fertiggestellt. Das mit Graffiti zugetackerte Yaam mit seinen „Refugees welcome“-Slogans im Eingangsbereich wirkt hier wie ein Fremdkörper.
Politiker würden trotzdem immer wieder betonen, dass sie diesen speziellen Ort erhalten wollen, so Martin Gräff – auch der grüne Baustadtrat des Bezirks, Florian Schmidt: „Friedrichshain-Kreuzberg ohne Yaam kommt für mich nicht infrage“, richtet dieser nun in einer Presseerklärung aus.
Dennoch fühlt sich Martin Gräff ein wenig von der Politik im Stich gelassen. Er wolle nicht undankbar sein, während des Corona-Lockdowns habe der Bezirk als Besitzer des Yaam-Geländes drei Monate lang die Miete erlassen, eine großzügige Geste. Und die Miete sei für ein Filetgrundstück wie dieses sowieso vergleichsweise gering, das sei ihm auch bewusst. Doch Gräff wünsche sich ein noch stärkeres Engagement, vielleicht auch mal ein Bekenntnis von Kultursenator Klaus Lederer (Linke). Er vermisse eine vorausschauende Politik, die nicht blind Probleme wie nun das mit der maroden Uferanlage auf sich zukommen lasse und die dann das Yaam „auszubaden“ habe.
Einen Ort wie das Yaam erhalten zu können, sei in den letzten Jahren sowieso immer schwerer geworden. 100.000 Euro habe man im letzten Jahr allein für den Brandschutz ausgegeben, 1 Millionen Euro insgesamt in den letzten fünf Jahren zur Instandhaltung des Clubs. Gleichzeitig fahre man immer nur auf Sicht, es fehle eine Planungssicherheit. Der Vertrag mit dem Bezirk wurde eben erst bis 2024 verlängert, immerhin.
Das kommt zu einer Unzeit
Aber warum nicht für einen noch längeren Zeitraum? Man könne sofort 800.000 Euro aus Mitteln der Lottostiftung Berlin bekommen, die dringend benötigt werden für die Renovierung des alten Gebäudes, erklärt Gräff. Aber nur, wenn man einen Mietvertrag über 25 Jahre vorweisen könne. Und die Geschichte mit der maroden Ufermauer komme natürlich auch zu einer Unzeit.
Erst seit ein paar Wochen habe man wegen Corona wieder geöffnet, statt sonst 800 Personen lasse man nur noch 250 auf das Gelände. „Wir sind ein Sommerbetrieb. Im Sommer erwirtschaften wir eigentlich Rücklagen für den Winter“, so Gräff. Doch derzeit sei es schon schwer genug, das Geld reinzubekommen, das man allein für die 20.000 Euro monatliche Betriebskosten brauche. Und da werde einem auch noch der Uferbereich gesperrt, wahrscheinlich für eine lange Zeit, „dabei kommen eigentlich alle unsere Gäste wegen dem Wasser“.
Hendrik von der Heidt stellt dann letztendlich die große Frage: „Wir wollen wissen, ob wir hier weitermachen können.“ Nicht nur nächste Woche, nicht nur diesen Sommer, sondern auch irgendwann nach Corona und „hoffentlich noch in 25 Jahren“.
Schon mehrere Umzüge überlebt
Aus dem Büro von Baustadtrat Schmidt heißt es: „Der Bezirk hat bereits einen Prüfstatiker beauftragt, um möglichst schnell zu klären, ob er eine Öffnung der Halle (ggf. auch in Teilen) für möglich hält. Wenn ja, wird dies unmittelbar vollzogen.“ Falls nicht, müsse erst noch ein bereits beauftragtes Gutachten abgewartet werden. In drei bis vier Wochen werde eine detaillierte Ausarbeitung zur Gebäudestatik der jetzt gesperrten Halle vorliegen.
Martin Gräff meint, er könne sich nicht vorstellen, dass sich das Gutachten gegen eine Öffnung aussprechen werde. Er sei schon mehrmals im Keller gewesen. Die Stelen, die das Gebäude tragen, seien extrem massiv.
Und falls doch? Gräff sagt, das Yaam gebe es nun schon seit 25 Jahren, man habe mehrere Umzüge überlebt, „wenn wir etwas können, dann improvisieren“. Zur Not werde das Gebäude eben abgerissen und ein neues Yaam gebaut. In der Zwischenzeit könne man auch in Zelten weitermachen. Hauptsache, man könne überhaupt weitermachen.
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