Berliner Abgeordnetenwahl: Polit-Prominenz im Wahl-Check
Der Wahl-O-Mat der Landeszentrale für politische Bildung ist online. Zum Auftakt testen die Spitzenkandidat*innen sich selbst.
Online können nun alle Berliner*innen überprüfen, wie zentrale Wahlaussagen der Parteien mit ihren eigenen Positionen übereinstimmen.
Versammelt sind am Mittwoch in der Geschäftsstelle der Landeszentrale in der Hardenbergstraße die Spitzenkandidat*innen der Parteien und andere Berliner Politprominenz – etwa SPD-Landesparteichef Raed Saleh und die Spitzendkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch.
Der Wahl-O-Mat ist ein Onlinetool der Bundeszentrale für politische Bildung, das dazu anregen soll, sich mit politischen Themen zu beschäftigen. Es soll insbesondere jungen Nutzer*innen helfen, ihre Meinungen und Wünsche mit denen der Parteien zu vergleichen.
Wahlkampf unter Druck
Der Wahl-O-Mat zur Wiederholungswahl sei unter besonderen Bedingungen entstanden, sagt Pamela Brandt, Referentin bei der Bundeszentrale. Weil der Wahlkampf kürzer ausfiel als vor gewöhnlichen Abgeordnetenhauswahlen, musste unter Hochdruck gearbeitet werden. Eine weitere Schwierigkeit war, dass auch die Wahlprogramme der Parteien erst spät vorlagen.
An diesem Mittwochvormittag sollen die eingeladenen Politiker*innen unter Beweis stellen, wie gut sie ihre eigenen Wahlprogramme kennen. Stehtische sind mit Namensschildern und Laptops vor einer weißen Leinwand aufgebaut.
Premiere Zur Bundestagswahl 2002 wurde der Wahl-O-Mat erstmals eingesetzt. Vorbild war der niederländische „StemWijzer“, den es seit 1985 gibt.
Funktion 38 Thesen können mit „stimme zu“, „neutral“ oder „stimme nicht zu“ beantwortet werden. Grundlage für die Thesen sind die Partei- und Wahlprogramme. Das Tool berechnet dann den Grad der persönlichen Übereinstimmung mit ausgewählten Parteien.
Beliebtheit Der Wahl-O-Mat zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses wurde 2021 über 1 Million Mal genutzt. 6 Prozent der Nutzer*innen gaben an, dass sie durch den Wahl-O-Mat motiviert wurden, überhaupt wählen zu gehen.
Nach einigen technischen Schwierigkeiten zu Beginn – der Laptop von Linke-Spitzenkandat Klaus Lederer muss neu gestartet werden, die Grünen-Kandidatin Jarasch verspätet sich – beugen sich die Politiker*innen über ihre Bildschirme.
Für fünf Minuten ist Stille, nur das Klicken der Tastaturen und der Kameras der Pressevertreter*innen ist zu hören. Die Redaktion des Wahl-O-Mat, die ausschließlich aus Mitgliedern unter 26 Jahren besteht, steht hinter den Kandidat*innen bereit, falls es Unklarheiten gibt – aber Fragen gibt es keine. Jarasch ist die Schnellste.
Spaß und Spannung
Das Ergebnis überrascht wenig: Fast alle Teilnehmer*innen stimmen zu 100 Prozent mit ihrer eigenen Partei überein. Lediglich bei Saleh und Jarasch gibt es Abweichungen. Ausgerechnet bei der Aussage: „Die Friedrichstraße soll dauerhaft für den Autoverkehr freigegeben sein“, verklickt sich Jarasch offenbar – und stimmte dafür.
Schnell wies sie noch mal darauf hin, dass sie gerade von einem Pressetermin zur Friedrichstraße komme, auf dem sie als Verkehrssenatorin die Umwandlung eines Abschnitts der Straße in eine dauerhafte Fußgängerzone verkündet hatte. 95,9 Prozent Übereinstimmung hat sie am Ende mit dem Wahlprogramm ihrer eigenen Partei, auf Platz zwei liegt bei ihr die Klimaliste.
Auch wenn die Ergebnisse eindeutig für die eigenen Parteien ausfallen, sind sich alle einig: Interessanter ist es, wenn man auch mal ein bisschen abweicht. „Das Tool soll Spaß machen“, sagt Brandt von der Bundeszentrale.
Das hätten auch noch mal die Nutzer*innenumfragen zum Wahl-O-Mat auf Bundes- und Landesebene gespiegelt. So schnell wie das Durchklicken durch den Wahl-O-Mat ist die Veranstaltung dann auch schon wieder vorbei: Die Politiker*innen müssen weiter. Der Wahlkampf ist schließlich kurz dieses Mal und die Termindichte hoch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen