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Neues Berliner PolizeigesetzBig Brother soll mehr watchen können

Der Innenausschuss berät am Montag über eine Reform des Polizeigesetzes. CDU und SPD wollen deutlich weitreichendere Befugnisse beschließen.

Hier würde der Polizei eine neue Software zur Gesichtserkennung auch nicht weiterhelfen Foto: Michael Gottschalk/photothek/imago

Wenn es nach der schwarz-roten Koalition geht, hat Berlin bald ein neues Polizeigesetz. Am kommenden Montag soll der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses ein letztes Mal über die Neufassung des „Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes“, kurz Asog, beraten. Schon Anfang Dezember könnte es im Plenum des Parlaments verabschiedet werden und kurz darauf in Kraft treten.

Doch die Reform hat es in sich. Sie wurde unter anderem nötig, weil das bisherige Gesetz wegen neuer Bundes- und EU-Regelungen sowie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in vielen Punkten rechtswidrig war. Aber der Entwurf von CDU und SPD ist weit mehr als eine Überarbeitung der betreffenden Punkte. Er stattet die Polizei mit neuen und weitreichenden Befugnissen aus, schafft ­umfassende Möglichkeiten zum Einsatz von künstlicher Intelligenz und zur automatisierten Datenanalyse. Die taz gibt einen Überblick über fünf problematische Neuerungen.

Umarmung oder Schlägerei? Der Verhaltensscanner

Die gute Nachricht zuerst: Eine Live-Gesichtserkennung wie in Hessen bleibt Berlin wohl zunächst erspart. Was CDU und SPD vorhaben, klingt trotzdem dystopisch. An den sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten – etwa dem Görlitzer Park, dem Kottbusser Tor oder dem Alexanderplatz – soll künftig dauerhafte Videoüberwachung möglich sein. Eine KI kann das Material dann live nach auf­fälligem Verhalten scannen, also ob sich zum Beispiel eine ­Prügelei anbahnt. In dem Fall soll sie dann Po­li­zis­t*in­nen alarmieren.

Laut Koalition schont die Technologie Ressourcen der Polizei. Erfahrungen aus Mannheim und aus Hamburg, wo die Software bereits eingesetzt wird, zeigen aber, dass die Technologie aufgrund von Fehlalarmen eher mehr Arbeit macht als weniger. Fachleuten zufolge unterscheidet sie zum Beispiel Schlägereien nicht zuverlässig von Umarmungen.

Präventive Überwachung und Kontaktschuld

Vieles, das früher nur zur Strafverfolgung zulässig war, soll künftig präventiv zur Gefahrenabwehr erlaubt sein – etwa staatliche Hackerangriffe auf private Telefone und ­Computer sowie die Handyortung und -überwachung. Was aber ist überhaupt eine Gefahr? Das ist im Entwurf reichlich vage ­definiert: Nämlich wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass eine Person „innerhalb eines übersehbaren Zeitraums“ auf eine „zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat begehen wird“ – bereits dann darf die Polizei in vielen Fällen tätig werden. Auch Begleit- und ­Kontaktpersonen von Verdächtigen kann es künftig leichter treffen.

Biometrische Suche oder: Lex Daniela Klette

Die Schmach, die untergetauchte RAF-Verdächtige Daniela Klette mitten in Berlin nicht selbst entdeckt zu haben, sitzt offenbar tief bei den Behörden. Jetzt wollen CDU und SPD nachhelfen und der Polizei erlauben, eine Gesichtserkennungssoftware zu nutzen, die jener ähnelt, mit der ein Journalist Klette aufgespürt hat. Dabei wird das Internet anhand biometrischer Merkmale wie Fotos oder Stimmen durchsucht. Das Problem: Die Software, die der Journalist verwendete, ist in der EU nicht zugelassen, weil sie gegen die KI-Verordnung verstößt. Wie die Koalition hier also offenen Rechtsbruch vermeiden kann, ist unklar.

Auf dem Weg zur Superdatenbank?

Tritt das Gesetz wie geplant in Kraft, darf die Polizei ab Januar in einer Datenbank Infor­mationen aus verschiedenen Quellen automatisiert ver­knüpfen und analysieren. Dazu gehören etwa persönliche Informationen, Verkehrsdaten, Falldaten der Polizei, Telefondaten und vieles andere mehr. Der Jurist Jonas Botta kritisierte im Innenausschuss des Parlaments, die Regelung ermögliche der Polizei, eine „Superdatenbank“ zu erschaffen – und das sei verfassungswidrig.

Der KI zum Fraß: ­Datensammlung als ­Selbstzweck

Was bedenkliche Regelungen zum Umgang mit sensiblen ­Daten angeht, legt der Entwurf aber noch mit zwei weiteren problematischen Passagen nach: Zum einen sollen Polizei und Feuerwehr personen­bezogene Daten „auch über die vorgesehene Speicherdauer hinaus“ weiter verarbeiten dürfen, wenn das „erforderlich ist, um KI-Systeme zu testen und zu trainieren“. Wie bitte? Das dachte sich auch Berlins Datenschutzbeauftragte Meike Kamp, die eine umfassende ­Überarbeitung dieser Regelung forderte.

Zum anderen ermöglicht ein anderer Absatz des gleichen Paragrafen Schluderei mit persönlichen Daten. Denn eigentlich müssen gespeicherte Informationen sorgfältig gekennzeichnet werden: etwa wie die Daten erhoben wurden – offen oder verdeckt – und zu welcher polizeilichen Kategorie die betroffenen Personen gezählt werden. Nur: Das alles muss die Polizei vorerst nicht machen, wenn es „technisch nicht möglich ist oder einen unverhältnismäßigen technischen Aufwand erfordern würde“. Das heißt, dass die Behörde einen Freifahrtschein zum Umgang mit Daten hätte, wenn es ihr technisch zu kompliziert wird.

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