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Berliner AbgeordnetenhausShowdown beim Baum-Entscheid

Die Koalition will beim Baum-Entscheid nun angeblich nur „minimalinvasive“ Änderungen. Die Initiative befürchtet hingegen ein Zerfleddern ihre Ziele.

Für mehr Bäume braucht es auch Platz. Das soll aber nicht auf Kosten von Parkplätzen, ist bisher die Haltung der CDU Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin taz | 11 Uhr, Abgeordnetenhaus, Raum 109. Nicht oft hat eine Terminankündigung so viel Spannung ausgelöst wie jene der schwarz-roten Koalition für diesen Mittwoch. Da will sie in einer Pressekonferenz vorstellen, wie sie mit der Initiative Baum-Entscheid umgeht, konkret und über bloße Äußerungen in der Plenardebatte der vorigen Woche hinaus. Nach dem dort Gehörten schien eine Einigung weit weg. Nun aber, so heißt es aus der SPD-Fraktion gegenüber der taz, soll es nur „minimalinvasive“ Änderungen am Gesetzentwurf der Initiative geben.

Anders als vergangene Woche im Landesparlament angekündigt, legt Schwarz-Rot dabei keinen eigenen Gesetzentwurf vor. SPD-Umweltpolitikerin Linda Vierecke bestätigte der taz, dass es sich vielmehr um eine veränderte Fassung des Entwurfs der Initiative handelt. Vierecke sah darin aber keine Kehrtwende, sondern die Möglichkeit, Zeit für weitere Gespräche mit der Initiative zu gewinnen. Laut Verfassung sind beide Wege möglich.

Die Pressekonferenz der Koalition in Raum 109 will auch Heinrich Strößenreuther verfolgen. Am Dienstagvormittag aber sitzt der Mitinitiator des Baum-Entscheids erst mal neben seiner Mitstreiterin Christiane Heiß, die auch mal Stadträtin für die Grünen in Tempelhof-Schöneberg war, in einer früheren Fabriketage an der Panke. Die beiden haben Journalisten eingeladen, um ihre Sicht auf den Baum-Schwenk der CDU und mögliche Szenarien darzulegen.

Denn bis vor anderthalb Wochen konnte die Initiative noch davon ausgehen, dass sie ihr Anliegen per aufwendiger Unterschriftensammlung bis zu einem Volksentscheid tragen muss. Ihr Anliegen, das sind Hunderttausende zusätzlicher Straßenbäume, so dass es schließlich alle 15 Meter einen gibt – in Dahlem und Frohnau genauso wie in weniger hochpreisigen und weniger grünen Ortsteilen Berlins. Zudem geht es in dem Gesetzentwurf der Initiative um deren Pflege, um Mini-Parks und Grünflächen, einen Kontrollrat und um ein Klagerecht für Umweltverbände.

Das aber schien nur per Volksentscheid zu erreichen, noch Anfang Juli lehnte der Senat die Sache ab. Doch am 20. September stellte sich Regierungschef Kai Wegner beim CDU-Landesparteitag überraschend hinter den Baum-Entscheid und kündigte an, man werde auf die Initiative zugehen.

Vor dem Hintergrund dieser neuen Lage malen Heiß und Strößenreuther am Dienstag vier Szenarien aus, wie es nun weitergehen könnte. Im ersten übernimmt das Parlament den Entwurf der Initiative nicht, die deshalb den Weg zu einem Volksentscheid weitergeht und dafür ab Dezember erneut Unterschriften sammelt.

In Szenario B macht sich das Parlament – genauer: die schwarz-rote Koalition mit ihrer Mehrheit – zwar formal das Anliegen zu eigen, verändert es aber inhaltlich stark. Dagegen würde die Initiative sich am Verfassungsgericht wehren – da habe man sich schon anwaltlich beraten lassen. Denn laut Landesverfassung muss das Anliegen bei einer Übernahme „inhaltlich in seinem wesentlichen Bestand unverändert“ bleiben.

Ein Volksentscheid wäre 2026 am Wahltag

Das würde mit Blick auf den geplanten Abstimmungstermin parallel zur Abgeordnetenhauswahl am 20. September 2026 aber nur helfen, wenn das Gericht eine Eilentscheidung trifft. Auf normalem Weg verginge zu viel Zeit: Zwischen der beklagten Chaoswahl im September 2021 und dem Urteil zur Wahlwiederholung Ende 2022 etwa lagen fast 14 Monate.

In Szenario C einigen sich Parlament und Initiative auf einen Kompromiss, bei dem, so sagt es Strößenreuther, „alle am Ende ein wenig unzufrieden sind“, aber 90 Prozent des Vorhabens erhalten bleiben. Die vierte Variante ist die unwahrscheinlichste: eine Übernahme ohne Änderungen; Grüne und Linksfraktion fordern das.

Überraschender Schwenk

Glaubt man dem, was später am Dienstag von der SPD zu hören ist, dann ist eine Einigung in Reichweite. Es gebe den gemeinsamen Wunsch der Koalition, das Gesetz nur „minimalinvasiv“ zu verändern, sagt die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Linda Vierecke, der taz. Und bekräftigt auf Nachfrage, dass das die gemeinsame Haltung von SPD und CDU sei.

Danach hat es nämlich vorige Woche im Parlament nicht ausgesehen. In der Plenardebatte am Donnerstag begrüßten die Christdemokraten zwar auch mehr Bäume in der Stadt, sahen Gefahren durch Klimaveränderung und unterstützten Gegenmaßnahmen. Doch wenn diese Bäume an Straßen stehen sollen, muss dort auch Platz für sie sein. Dafür aber, da war die Union im Parlament ganz klar, sollen keine Parkplätze wegfallen: „Das wird es mit der CDU nicht geben.“

Nach dieser Aussage schien alle Skepsis gegenüber dem Schwenk vom CDU-Landesparteitag bestätigt. Aus Sicht der Initiative geht es der Union vorrangig darum, das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Denn in einer Umfrage im Auftrag der Berliner Morgenpost im Juli stellten sich fast drei Viertel der Befragten hinter den Baum-Entscheid.

Initiativenvertreterin Christiane Heiß geht in dem Pressegespräch nicht von einem Umdenken bei der CDU aus und erwartet, dass es zu Szenario B kommt, einem zerfledderten Gesetz und der Eilklage am Verfassungsgerichts. Darüber würde das mit allen Ehrenamtlichen 100 bis 150 Köpfe zählende Plenum der Initiative entscheiden. Das alles ist zu jenem Zeitpunkt in der Fabriketage an der Panke noch offen, 25 Stunden vor dem Mittwochtermin in Raum 109 des Parlaments. „Es gibt eine Wundertüte“, sagt Strößenreuther, „die am Mittwoch kommt. Oder auch nicht.“

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