Berliner Abgeordnetenhaus: Evers’ glücklicher Sisyphos
Der Finanzsenator von der CDU wird im Parlament mit Blick auf Berlins Haushaltsmisere philosophisch. Bei der bleibt vieles unklar.
Gut möglich, dass sich der kunstsinnige Evers auch in der existenzialistischen Mythos-Interpretation von Albert Camus wiederfindet: Sisyphos als glücklicher Mensch, der seine Daueraufgabe gefunden hat. Rund 5 Milliarden Euro sollen bis 2026 aus dem 40-Milliarden-Haushalt raus. Auf Bundesebene zerlegt sich die Ampelkoalition wegen 20 von rund 480 Milliarden – anteilsmäßig nur ein Drittel dessen, um das es im Land Berlin geht. In der Zahlenwelt des Ausschusses ist meist wenig Platz für philosophische Überlegungen, und so bleibt es bei diesem einen Evers-Satz dazu. Er hat ja auch so genug zu beantworten: der neuerliche Nachtragshaushalt, die Steuerschätzung, der Versuch, vom Klimasondervermögen noch etwas zu retten. Und die Schuldenbremse.
Grüne und Linkspartei sind offenbar mit der Erwartung in die Sitzung gegangen, dass auch die schwarz-rote Koalition einem Antrag zur Reform der Schuldenbremse zustimmt. Immerhin hatten sich in einer Ausschussanhörung im April mehrere hochkarätige Experten dafür ausgesprochen. Eine Reform hatte auch Regierungschef Kai Wegner angemahnt und sich damit gegen seinen CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz gestellt. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht das geplante Klimasondervermögen des Bundes gestoppt Doch die Forderung, das Land Berlin möge sich für einen Reformprozess einsetzen, scheitert am Mittwochmittag: CDU und SPD lehnen den Antrag ab, auch die AfD stimmt dagegen.
Keine Wundertüte mit Geld
Dafür, dass Grüne und Linke seit Monaten vergeblich auf eine Regierungserklärung Wegners zur Haushaltslage drängen und bislang auch keine große Debatte dazu durchsetzen konnten, verläuft die Ausschusssitzung ruhig und kollegial. Die Fragen von Steffen Zillich (Linkspartei) und André Schulze (Grüne) sind auf den Punkt, Häme oder Ironie bleibt aus, auch wenn die Antworten von Finanzsenator Evers zeigen, wie offen die Lage ist. Unklar bleibt auch, ob tatsächlich alle Senatsressorts der Aufforderung nachkommen, 2 Prozent ihres Budgets einzusparen. Ursprünglich waren 5,9 Prozent vorgesehen, die Differenz sollen Stopps bei Stellenbesetzungen bringen.
Panta rhei, alles fließt, könnte Evers im Grunde nachlegen, wenn er mit Sisyphos schon bei altgriechischen Texten ist. Stattdessen kündigt er an, bis zum Sommer mehr Klarheit präsentieren zu können. Auf eine Weise, das sagt er jetzt schon, wird das allerdings nicht gehen: „Nicht mit einer Wundertüte, die Geld vom Himmel regnen lässt.“ So richtig glücklich wirkt er dabei nicht. Aber anders als Sisyphos hat er sich sein Schicksal ja ausgesucht und ist nicht dazu verdammt, Finanzsenator zu sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin