Berlin schaltet Gebäudebeleuchtungen ab: Der kleine Beitrag
Berlin knipst die Lampen an vielen öffentlichen Gebäuden nachts aus. Schön. Aber es fehlt noch immer eine politische Antwort auf die Energiekrise.
E s ist leicht, sich ein bisschen darüber lustig zu machen: Berlin schaltet die Beleuchtung vieler öffentlicher Gebäude ab, ließ Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne), die auch für Verbraucherschutz zuständig ist, am Mittwoch verlauten. „Angesichts des Krieges gegen die Ukraine und der energiepolitischen Drohungen Russlands ist es wichtig, dass wir möglichst sorgsam mit unserer Energie umgehen. Das gilt auch und gerade für die öffentliche Hand“, sagte sie. Da ist er, der kleine Beitrag des Landes Berlin zur Energiekrise.
Klein ist dieser Beitrag in der Tat – so klein, dass er eher symbolisch zu nennen ist, weshalb man eben auch geneigt sein mag, über ihn zu schmunzeln: 13,9 Milliarden Kilowattstunden beträgt der Energiehunger dieser Stadt pro Jahr, weiß man beim Netzbetreiber Stromnetz Berlin. Durch das Ausknipsen von rund 1.400 Strahlern an Dom, Brandenburger Tor, dem Reiterstandbild Friedrich des Großen Unter den Linden sowie 197 weiterer Gebäude will das Land Berlin nun 200.000 Kilowattstunden davon im Jahr einsparen.
Peanuts, also – oder in einer Zahl ausgedrückt: 0,0014 Prozent des gesamten Energieverbrauch Berlins, Privathaushalte, Industrie und Gewerbekunden zusammengenommen. Etwas netter klingt es so: Der Einspareffekt entspricht in etwa dem jährlichen Stromverbrauch von 100 durchschnittlichen Berliner Privathaushalten, weiß der Sprecher von Stromnetz Berlin. Wie hoch der Stromverbrauch der gesamten öffentlichen Verwaltung ist, kann die Umweltverwaltung auf Nachfrage nicht sagen.
Rundet man 0,0014 Prozent, ist man bei 0,00 Prozent – also bei nichts. Und dennoch: Dass Jarasch symbolisch das Licht ausknipst beim Alten Fritz reiht sich ein in die kleinen und Kleinst-Appelle an jede und jeden, die gerade Konjunktur haben: Licht aus machen zu Hause, wenn man den Raum verlässt (Berlins Regierende Franziska Giffey), Thermostate für die heimischen Heizkörper, überhaupt weniger heizen, und natürlich: kälter duschen, kürzer duschen.
Geste des Sparens
Wenn sich das Land Berlin nun mit dieser kleinen Geste des Stromsparens einreiht, ist das nur konsequent und prima. Was dabei allerdings noch immer fehlt: Eine politische Antwort darauf, wie man die Energiekrise eben nicht (nur) als die Privat-Angelegenheit von jeder und jedem begreift.
Die rot-grün-rote Koalition hat einen Energie-Nothilfefonds von 380 Millionen Euro angelegt, immerhin. Doch wie weit der reicht und wer davon profitiert: unklar. Man wartet wohl eher ab, was dem Bund noch einfällt – ob man sich dort womöglich tatsächlich noch zu einem Energiepreisdeckel durchringt, der bisher vor allem für Gas diskutiert wurde. Oder ob man die Gewinnmargen von Energiekonzernen höher besteuern könnte und mit diesen Einnahmen die Belastungen für die Verbraucher*innen senkt. Dem Land fehlt dafür die gesetzgeberische Kompetenz.
Wirtschaftlich ist das Ausknipsen der Strahler an Brandenburger Tor und Co. übrigens nicht: Das manuelle Abschalten koste in etwa so viel wie der Strom für die Beleuchtung pro Jahr, teilt die Umweltverwaltung mit, nämlich 40.000 Euro. Aber darum geht es wohl auch nicht. Sondern um die Botschaft, den Spar-Appell, an sich.
Kleines Manko übrigens dabei: Viele dürften zumindest jetzt in den Sommermonaten gar nicht viel von dieser Botschaft bemerken: Bisher wurde per Zeitschaltuhr „bei Einbruch der Dunkelheit angeschaltet und gegen 23 Uhr abgeschaltet“, teilt die Umweltverwaltung mit. Das heißt: Besonders lange war die Lampe am Brandenburger Tor gerade eh nicht an. Vielleicht geht der Koalition ja dafür bis zum Herbst noch ein Licht auf, wie man Symbolpolitik tatsächlich in Verbraucherschutz übersetzt.
Hinweis: In einer frühreren Version dieses Artikels hieß es, die Abschaltung bei der Gebäudebeleuchtung entspreche dem Verbrauch von 10 Berliner Durchschnitts-Haushalten. Tatsächlich sind es 100 Durchschnitts-Haushalte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste