Berlin bringt Lobbyregister auf den Weg: Endlich wird klar, wer lobbyiert
Rot-Rot-Grün will die Einflussnahme von Lobbyisten aller Art künftig transparenter machen. Das dürfte die Arbeit der Politiker*innen verändern.
L obbyisten sind für viele fast schon das personifizierte Böse. Es handelt sich um Menschen, die bei Politiker*innen vorstellig werden, bestimmte Interessen verfolgen und dafür (oft ziemlich gut) bezahlt werden. Ein typischer Satz über ihre (Un-)Taten in einer Zeitung lautet etwa: „Doch einflussreiche Lobbyisten haben X verhindert.“ Für das X ließe sich etwa „mehr Mieter*innenschutz“ oder „nachhaltigere Coronamaßnahmen“ einsetzen.
Gerade stand etwa Karl-Theodor zu Guttenberg im Wirecard-Untersuchungsausschuss in der Kritik. Der ehemalige Verteidigungsminister ist seit seiner Plagiatsaffäre auch als Lobbyist tätig.
In Berlin soll Einflussnahme künftig transparenter sein. Der am Donnerstag von der rot-rot-grünen Koalition eingebrachte Gesetzentwurf für ein Lobbyregister dürfte damit auch das bisher rein negative Bild von Lobbyismus verändern. In dem Register soll festgehalten werden, wer in welcher Form auf ein Gesetz Einfluss nehmen will. Dafür sollen alle schriftlichen Stellungnahmen, Gutachten, Vorschläge und auch E-Mails von juristischen Personen und Verbänden festgehalten und für alle einsehbar veröffentlicht werden.
Notwendige Transparenz
Diese Transparenz ist notwendig, denn wie so vieles wird auch die Entwicklung von Gesetzen immer komplexer. Die neuen Einblicke sind sinnvoll, weil sie einem häufigen Vorwurf entgegenwirken können: Politiker*innen seien käuflich oder setzten sich zumindest nicht für die Interessen der „einfachen Bürger*innen“ ein, sondern nur für jene, die besonders mächtig sind. Denn künftig soll sogar schon während eines Gesetzgebungsverfahrens offengelegt werden, wer hier lobbyiert.
Diese Transparenz dürfte die Arbeit der Politiker*innen verändern, aber vor allem die der Interessenvertreter*innen. Und vielleicht sogar deren Bild in der Öffentlichkeit: Denn nicht alle Lobbyisten sind klandestin auftretende Kofferträger in dunklen Anzügen. Die Positionen von Verbänden, Vereinen, betroffenen Unternehmen und auch Expert*innen wie Wissenschaftler*innen anzuhören, sind fester Teil des Gesetzgebungsprozesses.
Damit am Ende aber nicht nur große Datenberge entstehen, die nur für Investigativjournalisten*innen interessant sind, sollte der Parlamentspräsident mit dem Lobbyregister nicht nur ein gutes Onlineportal schaffen, sondern auch aktiv Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Mit transparenten Gesetzgebungsverfahren könnte man etwa an Schulen konkret vermitteln, wie parlamentarische Prozesse funktionieren. Starten könnte man gleich mit dem Gesetzgebungsprozess für das Lobbyregister selbst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW