Berlin-Wahlen 2021: Rennen und rumstehen

Am Wahlsonntag kommt es vor einigen Wahllokalen zu langen Schlangen und Pannen. Durch den Berlin-Marathon kommt es zu Verzögerungen.

Wäh­le­r*in­nen warten vor Wahllokalen Foto: Steffi Los/Getty Images

BERLIN taz | Eine hellblaue Kreidelinie verläuft über den Schulhof der Neumark-Grundschule in Schöneberg und sortiert die Menschen, die an diesem Sonntagmorgen um 11 Uhr wählen wollen, zu einer Schlange. 30 bis 45 Minuten müsse man derzeit anstehen, schätzt eine Wahlhelferin: „Die klassische Uhrzeit nach dem Frühstück.“ Die erste Person war, schon eine Viertelstunde bevor das Wahllokal öffnete, da.

In Berlin ist an diesem Sonntag Superwahltag: Bundestag, Abgeordnetenhaus, Bezirksverordnetenversammlung und Volksentscheid – sechs Kreuzchen sind zu machen. Da kann es schon mal ein paar Minuten dauern, bis man sich entschieden hat. „Die Leute stehen deutlich länger in der Wahlkabine als sonst“, sagt Wahlvorsteher Ulf Schröder. Dazu müssen wegen Corona Abstände gewahrt werden: 50 Minuten wird eine Frau in diesem Wahllokal letztendlich gewartet haben.

Die langen Schlangen gibt es nicht nur in Schöneberg – auch auf Twitter berichten Ber­li­ne­r*in­nen über Wartezeiten bis zu zwei Stunden vor den Wahllokalen. Wahlvorsteher Schröder mit seiner langjährigen Erfahrung als Wahlhelfer schätzt, dass am Nachmittag weniger los ist – bis es dann vor 18 Uhr noch einmal voll wird. Wer Punkt 18 Uhr Letz­te*r in der Schlange ist, ist die letzte Person, die wählen darf.

Obwohl Berlin an besonderen Orten Schlangen gewöhnt ist, scheint es mehrheitlich Verwunderung bis Ärger über die Wartezeit zu geben. Mehrere aufgebrachte Le­se­r*in­nen rufen am frühen Nachmittag in der Redaktion an und schildern Verzögerungen im Ablauf. Eine Leserin aus Wilmersdorf berichtet von fehlenden Wahlunterlagen in ihrem Wahllokal und dass sich die Menschen bereits wieder auf den Heimweg machten, da sie nicht warten wollten.

Keine Stimmzettel mehr

Dem Wahllokal an der Prinzregentenstraße im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf gehen am Wahlsonntag die Stimmzettel aus. Gegen 12 Uhr warten zahlreiche Menschen vor dem Wahllokal, um ihre Stimme abzugeben. Als sie dann an der Reihe sind, heißt es, dass es keine Stimmzettel mehr gebe. „Ich kann mir nicht erklären, wie so etwas passieren kann“, sagt Wahlhelferin Susanne Schmidt.

Als die Wahl­hel­fe­r*in­nen bemerken, dass die Stimmzettel knapp werden, hätten sie mehrmals versucht, das Wahlamt zu kontaktieren. „Erst nach mehreren Anrufen haben wir sie dann erreicht“, schildert Schmidt. Bis dem Wahllokal neue Stimmzettel geliefert werden, ist ihr Vorrat aber bereits aufgebraucht, woraufhin das Wahllokal für etwa eine Stunde schließen muss.

Die Stimmung bei den wartenden Wählern an der Prinzregentenstraße sei gemischt, so Schmidt. Währen die einen ihre Thermosflaschen auspackten und die Wartezeit für ein Teekränzchen nutzten, sollen andere verärgert nach Hause gegangen sein. Schmidt und ihre Kol­le­g*in­nen rufen die Polizei, um die verärgerten Menschen zu beruhigen. Diese fährt laut Schmidt anschließend ebenfalls ins Wahlamt, um neue Stimmzettel zu holen.

Die Landeswahlleitung ist begrenzt im Bilde

Das Wahllokal an der Prinzregentenstraße ist eins von drei im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, dem die Stimmzettel ausgehen. Aber auch in Friedrichshain-Kreuzberg berichten Wäh­le­r*in­nen von fehlenden Stimmzetteln.

Ein weiterer taz-Leser berichtet am frühen Nachmittag von seinem Wahllokal in Charlottenburg. Dort fehlten die Wahlzettel für die Senatswahlen, und das schon seit 10 Uhr, so hätte es ihm der Wahlleiter vor Ort berichtet. Der Leser hätte ihn gefragt, warum er denn nicht schnell für Ersatz gesorgt habe. Der Wahlleiter habe als Grund den Berlin-Marathon und die Straßensperren in der gesamten Stadt genannt.

Ein Sprecher der Landeswahlleiterin ist darüber am Nachmittag nur begrenzt im Bilde: „Ich habe gehört, dass es Probleme gab mit Stimmzetteln“, sagt Gert Baasen. Über die Ursachen könne er nur spekulieren. Es sei vorstellbar, dass ein Karton voll mit Stimmzetteln falsch beschriftet war.

Konfetti für die Marathonteilnehmer*innen! Foto: Lena Giovanazzi

Lange Schlangen und grobe Pannen – „es ist eine Herausforderung, das war allen Beteiligten vorher klar“, so Baasen. Über die Ursachen für die Pannen zu spekulieren, sei es noch zu früh. Dennoch: Die Annahmen darüber, wie viele Menschen vor Ort wählen und wie viele per Brief, seien laut Baasen eingetroffen. Am Sonntagnachmittag zeichnete sich nur eine leicht höhere Wahlbeteiligung ab.

Viele waren bei dem schönen Wetter unterwegs: Während Favorit Kenenisa Bekele trotz großer Moral seinen dritten Sieg nach 2016 und 2019 verpasste und enttäuscht ins Ziel nahe dem Brandenburger Tor lief, bejubelten Guye Adola und Marathon-Debütantin Gotytom Gebreslase nach 42,195 Kilometern einen äthiopischen Doppelsieg.

Bei den Frauen hängte Gebreslase in 2:20:09 Stunden die Favoritin und Weltjahresbeste Hiwot Gibrekidan (2:21:23) ab, die in Mailand im Mai fast zwei Minuten schneller war. „Auch wenn es mein erster Marathon war, wollte ich gewinnen“, sagte die 26 Jahre alte Siegerin, die wie Adola 20.000 Euro Prämie erhielt.

Nach einem Jahr Pause aufgrund der Coronapandemie waren ganz genau 24.796 Läuferinnen und Läufer laut Angaben vom Sonntagmorgen dabei. Den Veranstaltern zufolge war es damit der weltweit größte Marathon seit dem Beginn der Pandemie vor anderthalb Jahren. (dpa, taz)

Nach Angaben der Landeswahlleiterin gingen bis 12 Uhr 27,4 Prozent der Wahlberechtigten zur Abstimmung. Bei der Bundestagswahl 2017 waren es 27,2 Prozent.

Bereits am 23. September, drei Tage vor der Bundestagswahl, waren knapp 980.000 Wahlscheine beantragt und ausgestellt. Das entspricht 35,6 Prozent der Wahlberechtigten. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 hatten im Vergleich insgesamt lediglich 27,4 Prozent der Wähler ihre Stimme per Briefwahl abgegeben.

Auf den höheren Platzbedarf wegen Corona hatte man versucht sich vorzubereiten: 478 Wahllokale mehr als bei der letzten Bundestagswahl waren eingerichtet worden, 34.000 Wahlhelfende gemeldet, 14.000 mehr als bei der letzten Wahl. Am Wahltag selbst sollen vielerorts Wahlhelfende ausgefallen sein. „Ob es überall gereicht hat, weiß ich nicht“, so Baasen. Nur so viel kann er sagen: Kein Wahllokal wurde wegen Personalmangels nicht betrieben.

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