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Berlin-Wahl am 20. September 2026Offenbar reif für die Rückkehr

Bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl könnte möglicherweise Stefan Gelbhaar antreten. Der Grüne verlor durch eine Intrige sein Mandat im Bundestag.

Stefan Gelbhaar, hier vor dem Grünen-Treffen, das ihn sein Bundestagsmandat kostete, will angeblich 2026 zur Berlin-Wahl antreten Foto: Jörg Carstensen

Berlin taz | Stefan Gelbhaar, der durch eine parteiinterne Intrige um eine erneute Bewerbung gebrachte frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete, denkt offenbar über ein Comeback auf Landesebene nach. Nach taz-Informationen lotet er derzeit die Chancen für eine Kandidatur bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl am 20. September 2026 aus. Er selbst mochte sich am Sonntag gegenüber der taz nicht äußern.

Gelbhaar hatte Ende 2024 unmittelbar vor dem darüber entscheidenden Landesparteitag seine Bewerbung für die Grünen-Landesliste zurückgezogen. Anfang Januar 2025 ersetzten ihn die Grünen in seinem Wahlkreis Pankow auch als Direktkandidaten für die Bundestagswahl. Hintergrund waren Vorwürfe der sexuellen Belästigung, die Gelbhaar stets bestritt. Sein Sieg in Pankow bei der Bundestagswahl 2021 war der erste der Grünen überhaupt in einem rein ostdeutschen Wahlkreis.

Kaum zwei Wochen nach der Abwahl als Kandidat wurde klar: Gelbhaar war Opfer einer Intrige von Parteimitgliedern geworden. Das war aber zu spät, um ihn wieder zum Kandidaten für die Bundestagswahl am 23. Februar zu machen. Bei der gewann dann Julia Schneider für die Grünen den Wahlkreis.

Nun ist bei gut informierten Grünen zu hören, dass Gelbhaar über eine Rückkehr ins Parlament nachdenkt. Die nächste Gelegenheit dazu bietet die Berliner Landtagswahl in elfeinhalb Monaten. Mitglied des Abgeordnetenhauses war der 49-Jährige schon von 2011 bis 2017.

In Pankow gab es 2023 das beste Grünen-Ergebnis

Theoretisch sind die Chancen auf eine Kandidatur in Pankow so groß wie nirgendwo sonst in Berlin. Denn der Bezirk hat neun Wahlkreise, mehr als jeder andere. Gelbhaar dürfte aber einen ganz besonderen im Blick haben: den Wahlkreis 6, im Nordwesten von Prenzlauer Berg. Er ist die Grünen-Hochburg schlechthin: Andreas Otto gewann ihn für die Partei erstmals 2006 und seither durchweg, 2023 mit dem stadtweit besten grünen Erststimmenergebnis, 41,6 Prozent.

Dass gerade Otto diesen Wahlkreis hält, ist bedeutsam für eine mögliche Kandidatur von Gelbhaar. Denn Otto stand stets zu ihm. Schon bei jenem Parteitag Ende 2024, als Gelbhaar zurückzog, sagte Otto der taz: „Für mich gilt erst mal die Unschuldsvermutung.“ Am Sonntag mochte er sich nicht äußern.

Otto hatte, nachdem die strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen Gelbhaar zusammengebrochen waren, mit anderen Mitgliedern vom Pankower Kreisverband eine Entschuldigung gefordert. Die blieb zwar in klarer Form aus. In einem bei einem Mitgliedertreffen Ende Januar von einer großen Mehrheit getragenen Text hieß es, man hoffe auf schnelle Klärung, „sodass gegebenenfalls eine Rehabilitierung Stefan Gelbhaars möglich gemacht werden kann“.

Ob sich das in einer Kandidatur für die Abgeordnetenhauswahl ausdrücken kann, wird sich am 8. November bei einer Kreismitgliederversammlung zeigen. Der 63-jährige Otto selbst hat schon im September angedeutet, dass er 2026 nicht nochmal antritt. Über seine Nachfolge entscheiden aber nicht allein die Parteimitglieder im Wahlkreis, sondern – wie über alle neun Direktkandidaturen – die Versammlung aller Pankower Grünen.

Nominierungsversammlung am 8. November

Von der bisherigen Otto-Anhängerschaft dürfte Gelbhaar unterstützt werden. Offen ist, wie die Mehrheitslage im gesamten Kreisverband ist, der über 2.500 Mitglieder hat. Gelbhaar, heißt es, will nur antreten, wenn eine Nominierung sicher ist, um sich ein erneutes Negativerlebnis in seiner Partei zu ersparen.

Grünen-Landeschefin Nina Stahr mochte sich zu möglichen Ambitionen Gelbhaars nur vage äußern. „Jeder kann antreten, und die Wahlversammlung entscheidet“, sagte sie der taz.

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3 Kommentare

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  • Ein Gutes Beispiel, warum eben doch strafrechtliche Prinzipien (Unschuldsvermutung) gelten sollten, und kein blindes Vertrauen in jede Anschuldung einer Frau gegenüber einem Mann. Damit haben Sie die berliner Grünen ganz gut selber beschädigt.

  • 6G
    628989 (Profil gelöscht)

    Der Grüne verlor durch sein Verhalten sein Mandat im Bundestag.

    • @628989 (Profil gelöscht):

      Das stimmt nicht.



      Es gab durch den rbb verbreitete Anschuldigungen, die sich später als nicht belastbar bzw. gefälscht herausstellten. Die verursachende Person ist dem Parteiausschluss durch Parteiaustritt zuvorgekommen.



      Leider fand das Ganze während der Listenaufstellung statt, so dass die Zeit nicht reichte, die Klärung abzuwarten. Vorsorglich hat dann Herr Gelbhaar seine Kandidatur zurückgezogen, was sinnvoll wsr, da mit laufenden Anschuldigungen kein Wahlkampf gemacht werden kann.



      Die Grünen hatten das Problem, dass hier die Belange von Frauen gegen das Prinzip „im Zweifel für den Angeklagten“ standen. Das ist grundsätzlich eine schwierige Frage, die Klärung braucht Zeit und Taktgefühl. Grundsätzlich wissen wir, und nicht erst seit #metoo, dass Belästigung von Frauen bei den vorherrschenden Machtverhältnissen kaum verfolgt und geahndet werden. Deshalb sollte eine solche Anschuldigung ernst genommen werden. Wie wir sehen, ist eine öffentliche Hetzjagd aber gleichermaßen falsch. Leider bleibt immer etwas hängen, sowohl bei den Einen, wie auch den Anderen. Lasst uns da nicht mitmachen.