Berlin-Marathon 2025: Amüsierfolter für die schnelle Nummer
Vor dem Marathon kommt die Startnummernvergabe, in diesem Jahr auf dem Messegelände. Unser Autor fragt sich, was das soll – er will doch nur laufen.
Schon kurz nach der S-Bahn-Haltestelle bildet sich ein kleiner Menschenstrom. Alle schieben sich Richtung Messe. Immer wieder stoppen die Leute, machen Selfies vor dem riesigen Eingang und setzen nebenbei noch einen großen deutschen Autohersteller ins Bild, der das Event sponsert.
Auch ich bin geflasht und kämpfe kurz mit den Tränen. Das Training lief holprig, ich war in den letzten Monaten immer wieder krank. Jedes Mal hatte ich das Gefühl, dass ich wieder bei Null anfangen muss. Aber nun stehe ich wirklich hier, und die Stimmung ist wirklich super. Es geht ein bisschen zu wie bei der UNO: Jede Person um mich herum spricht eine andere Sprache. Beautiful!
Dann wird es langatmig. Wir müssen gleich durch mehrere Einlasskontrollen. Und immer wieder heißt es: Schlange stehen wie am Flughafen. Aber wie geht’s dann weiter? Mich verwirrt die Beschilderung in der Messehalle, und so landen wir tatsächlich in der falschen Schlange. Einer Helferin fällt es zum Glück auf, sie findet die Beschilderung ebenfalls doof und leitet uns zurück zum richtigen Stand. Dann, endlich, halte ich meine Startnummer in der Hand. Ein dünnes Blättchen Papier, auf der Rückseite ein Tracker für die Zeiterfassung.
Was soll dieser Zirkus?
200 Euro habe ich dafür bezahlt, dass ich mitlaufen darf beim Berlin-Marathon. Doch wie das Mitglied eines exklusiven Clubs fühle ich mich weniger. Tatsächlich kommt es mir mehr und mehr so vor, als sei ich hier am falschen Ort. Was soll dieser Zirkus? Wozu die ganze Amüsierfolter? Ich will einfach nur raus. Das Rennen am Sonntag wird hart genug, Durchkommen ist alles! Aber nicht hier.
Wir folgen den Schildern zum Ausgang. Jedes Mal, wenn ich denke, wir haben es geschafft, kommt eine neue Halle. Alles ist vollgestellt mit Ständen. „Marathon Expo“ nennen sie das. Glitzernder Lauf-Kommerz, 120 Euro für ein Marathon-Jäckchen, 40 Euro für das T-Shirt. Ich glaub’, es hackt. Aber vielen anderen scheint es zu gefallen, sie tummeln sich vor den Ständen. Manche lassen sich vollquatschen, andere lassen sich volllaufen oder suchen was zum Einschmieren. Viele nesteln an ihren werbeverzierten Beuteln.
Kurz vor dem Ausgang muss meine Tochter aufs Klo. Nach zwei Minuten kommt sie wieder raus und sagt, dass die Toiletten hier sehr chic seien. Dann hat sich der Ausflug ja doch noch gelohnt. Auf der Rückfahrt mit der S-Bahn sehen wir immer wieder die Marathon-Strecke aus dem Fenster. Dann sind wir zu Hause. Ich verzichte auf das Abendessen. Ich muss raus zur letzten Laufeinheit. Passt schon.
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