Berichterstattung in Palästina: Keine Spur von Pressefreiheit
Mahmud Abbas hat jüngst ein Gesetz erlassen, das die Medien weiter einschränkt. In Gaza geht die Hamas aber noch rigoroser gegen Journalisten vor.
Mindestens zwei Online-Reporter mussten bereits unfreiwillige Bekanntschaft mit der neuen Regelung machen. Eine Woche lang saßen die palästinensischen Journalisten ohne Angabe von Gründen hinter Gittern und kamen dann ebenso unvermutet wieder auf freien Fuß.
Palästinensischen Informationen zufolge war den beiden zur Last gelegt worden, Informationen an „feindliche Dienste“ weitergeleitet zu haben. Schon vor Einführung des umstrittenen Cyber-Gesetzes notierten Reporter ohne Grenzen auf ihrer Rangliste für die Pressefreiheit die Palästinensergebiete auf Platz 135, dicht gefolgt von Venezuela, Jordanien und Pakistan. Israel hält sich derzeit auf Rang 91.
Seit der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen vor genau zehn Jahren tagt das palästinensische Parlament nicht mehr. Gesetzesänderungen unterliegen in letzter Instanz dem Präsidenten. Abbas gerät vor allem wegen seiner drakonischen Maßnahmen gegen die Hamas und die Bevölkerung im Gazastreifen verstärkt in die Kritik seiner Landsleute.
„Feindliche Dienste“
Seit Monaten herrscht in dem belagerten palästinensischen Küstenstreifen Energie- und Wassermangel. Bei Temperaturen um die 40 Grad harren die Menschen mit nur wenigen Stunden Strom täglich aus. Ziel des Palästinenserpräsidenten ist es, die Hamas zu Kompromissen zu zwingen, um eine Nationale Einheitsregierung unter seinem Kommando zu ermöglichen.
Das neue Gesetz gegen die Internetkriminalität könnte ein Versuch sein, die Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen. Bei Verstoß drohen Geld- und Haftstrafen, dabei erscheint die konkrete Rechtslage so willkürlich wie die bisherige Handhabung. Laut Bericht der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan stehen die beiden temporär inhaftierten Online-Reporter der Hamas nahe und unterhalten Kontakte zur Führung im Gazastreifen, also „feindliche Dienste“.
Umgekehrt hielt die Hamas einen Fatah-nahen Reporter für über zwei Monate in Gaza im Gefängnis fest, da er angeblich Kontakte zur Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Ramallah unterhielt. Kaum war der Fatah-Reporter auf freiem Fuß, wurden auch die beiden Hamas-nahen Journalisten wieder entlassen.
Unabhängig von den Festnahmen ordnete der palästinensische Oberstaatsanwalts Ahmad Barak infolge des Cyber-Gesetzes an, 16 Online-Portale im Westjordanland zu blockieren. Die palästinensische Menschenrechtsorganisation al-Hak protestierte gegen das Verbot von Webseiten, die der PA kritisch gegenüberstehen. Dies sei ein „Verstoß gegen internationale und lokale Gesetze“.
„In Gaza ist es dreimal schlimmer“
Al-Hak bezieht sich in einer Stellungnahme auf den UN-Menschenrechtsrat, der jegliche Maßnahmen verurteilt, die „vorsätzlich den Zugang oder die Verbreitung von Online-Informationen verhindern“. Unter Berufung auf ein „palästinensisches Grundgesetz“ aus dem Jahr 1995, das die „Zensur der Medien verbietet“, erinnert al-Hak daran, dass jede Verletzung der öffentlichen Freiheiten wie die freie Meinungsäußerung „als Verbrechen betrachtet werden muss“.
Nach Ansicht von Raed Othman, Chefredakteur der Nachrichtenagentur Maan, „ist das Problem viel größer als das Cyber-Gesetz“. Die Situation im Westjordanland sei zwar für Journalisten nicht immer rosig, „aber in Gaza ist es dreimal schlimmer“, sagte er am Sonntag auf telefonische Anfrage. So konnten die beiden Hamas-nahen Online-Reporter unmittelbar nach ihrer Entlassung aus der Haft im Westjordanland eine Pressekonferenz einberufen.
Dagegen „wissen wir bis heute nicht, was dem Journalisten passiert ist, der 62 Tage in Gaza inhaftiert war“. Maan unterhalte zwar ein Büro im Gazastreifen, „unsere Kollegen dort können aber noch nicht einmal über gesellschaftliche Themen frei schreiben“, meinte Othman. „Sie müssen berichten, was die Hamas fordert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland