Bericht zu Diskriminierung: Rassismus ist in Deutschland Alltag
Forschende haben den „Rassismusmonitor“ vorgestellt. Das Bewusstsein für das Problem ist groß – doch die Abwehrreflexe vieler sind es auch.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus sagte zu den Ergebnissen: „Extremismus und Rassismus gehen uns alle an.“ Sie betonte insbesondere, dass viele Deutsche bereit seien, sich gegen Rassismus zu engagieren. Daran wolle die Bundesregierung beim Kampf gegen Rassismus „anknüpfen“.
Im Jahr 2020 hatte der Bundestag das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) beauftragt, einen umfassenden „Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor“ zu erstellen. Dieses Vorhaben zu verstetigen ist zudem Teil des Koalitionsvertrags. Für die nun vorgelegte, repräsentative Auftaktstudie „Rassistische Realitäten“ wurden 2021 telefonisch 5.000 Menschen befragt, um herauszufinden, wie verbreitet rassistische Einstellungen, aber auch Rassismuserfahrungen in der Gesellschaft sind.
Es gebe zwar Studien, die rassistische Einstellungen in der Gesamtbevölkerung untersucht hätten, sagte Cihan Sinanoglu, Leiter der Geschäftsstelle für den Rassismusmonitor, der taz. „Aber uns liegen bisher wenig repräsentative Daten für die Lebenssituation und die strukturellen Ausschlüsse von rassifizierten Gruppen vor, und auch wenig repräsentative Daten zu ihren Diskriminierungserfahrungen.“ Dies wolle man ändern.
Die Abwehrreflexe sind stark
90 Prozent der Befragten erkennen an, dass Rassismus in Deutschland Realität ist. Mehr als ein Fünftel gab an, selbst schon Rassismus erfahren zu haben. Dabei nannten viele Befragte nicht nur individuelles Verhalten wie Beschimpfungen oder gar tätliche Angriffe, sondern auch strukturellen und institutionellen Rassismus; etwa in den Bereichen Schule, Arbeitsmarkt, Wohnen oder in Behörden.
Das Bewusstsein für Rassismus ist groß, das Problem selbst aber auch: Fast die Hälfte der in der Studie Befragten glaubt an die Existenz menschlicher „Rassen“. Auch rassistische Stereotype sind keine Seltenheit – etwa die Vorstellung, dass bestimmte ethnische Gruppen von Natur aus „fleißiger“ seien als andere (33 Prozent), oder gar „besser“ (27 Prozent).
Obwohl eine große Mehrheit anerkennt, dass Rassismus in Deutschland Alltag ist, sind auch die Abwehrreflexe groß. Viele verorten ihn in erster Linie bei Rechtsextremen. Auch findet es etwas mehr als die Hälfte der Befragten „Unsinn, dass bisher normale Wörter jetzt rassistisch sein sollen“. Fast 45 Prozent sehen die Meinungsfreiheit durch „Rassismusvorwürfe und politische Korrektheit“ eingeschränkt.
Auffällig ist, welch große Rolle es spielt, wer von Rassismus betroffen ist. So fragten die Forscher*innen ab, ob bestimmte Positionen rassistisch seien, etwa wenn ein Comedian im Fernsehen einen klischeehaften Witz macht, wenn eine Apotheke bestimmte Personen nicht einstellt, weil die Kunden sich dann „unwohl fühlen“ könnten, wenn Menschen öfter als andere an der Grenze kontrolliert werden oder eine Wohnung nicht bekommen, weil sie „nicht in die Nachbarschaft passen“. Deutlich mehr Menschen schätzten diese Situation als rassistisch ein, wenn sie in Bezug auf Schwarze oder jüdische Menschen danach gefragt wurden, als wenn es um Sinti*zze und Rom*nja, um Osteurpäer*innen oder Muslim*innen ging.
„Die Frage, ob Rassismus in Deutschland existiert, stellt sich gesamtgesellschaftlich betrachtet nicht mehr“, sagte Cihan Sinanoglu mit Blick auf die Ergebnisse. Nun müsse die Politik betroffene Communities besser unterstützen und das „antirassistische Potential in der Gesellschaft“ fördern.
Ansatzpunkte dafür zeigt die Studie auf: Die Bereitschaft, sich zu engagieren, ist groß. Fast jede*r zweite gab an, schon einmal rassistischen Äußerungen widersprochen zu haben, und ein weiteres Drittel würde das potenziell tun. Auch zu Unterschriftensammlungen, Demonstrationen oder Geldspenden an antirassistische Organisationen sind potenziell viele Menschen bereit. Lediglich rund 12 Prozent wollen sich in dieser Hinsicht gar nicht engagieren.
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