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Bericht von „Save the Children“Nie wuchsen mehr Kinder im Krieg auf

420 Millionen Kinder wachsen in einem Konfliktgebiet auf. Allein in den zehn gefährlichsten Ländern würden mehr als 100.000 Babys pro Jahr an Kriegsfolgen sterben.

Ost-Ghouta in Syrien: Das Land ist eines der gefährlichsten für Kinder Foto: Syria Relief/Save the Children/dpa

Berlin epd | Schätzungen zufolge wächst weltweit jedes fünfte Kind in einem Konflikt- oder Kriegsgebiet auf. 2017 waren es demnach rund 420 Millionen Kinder. Das geht aus dem Bericht „Krieg gegen Kinder“ von Save the Children hervor, den die Kinderrechtsorganisation anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz veröffentlicht hat. Die Zahl habe sich seit Beginn der 1990er Jahre verdoppelt. Damals hätten 200 Millionen Kinder im Krieg gelebt.

Die zehn gefährlichsten Länder für Kinder sind dem Bericht zufolge Afghanistan, der Jemen, der Südsudan, die Zentralafrikanische Republik, die Demokratische Republik Kongo, Syrien, der Irak, Nigeria, Somalia und Mali. In diesen zehn gefährlichsten Staaten seien zwischen 2013 und 2017 mindestens 550.000 Babys durch die Folgen von Konflikten ums Leben gekommen – durchschnittlich also mehr als 100.000 pro Jahr. Die meisten von ihnen seien an indirekten Kriegsfolgen wie Hunger oder mangelndem Zugang zu Gesundheitsversorgung gestorben.

Würden nicht nur Babys, sondern alle Kinder unter fünf Jahren in die Rechnung einbezogen, starben der Organisation zufolge in diesen Ländern im gleichen Zeitraum knapp 870.000 Kinder und Säuglinge. Dem gegenüber stünden Hochrechnungen nach 175.000 kämpfende Erwachsene, die in dieser Zeit ums Leben kamen.

„Das Leid der Kinder in Kriegen wird immer grauenvoller“, sagte Susanna Krüger, Geschäftsführerin von Save the Children Deutschland. „Wir sind schockiert, dass die Menschheit im 21. Jahrhundert den einfachsten moralischen Standards den Rücken kehrt“, kritisierte sie. Kinder und Zivilisten dürften niemals Angriffsziele seien. Dennoch gerieten jeden Tag Kinder unter Beschuss. „Kriegsverbrechen wie der Gebrauch chemischer Waffen, Zwangsrekrutierung oder Vergewaltigung sind an der Tagesordnung und die Welt schaut zu“, beklagte sie.

1.432 Angriffe auf Schulen

Save the Children wertete nach eigenen Angaben für den Bericht auch Daten der Vereinten Nationen zu schweren Kinderrechtsverletzungen aus. Zwischen 2010 und 2017 habe sich demnach die Zahl der Kinderrechtsverletzungen fast verdreifacht, von knapp unter 10.000 auf mehr als 25.000 pro Jahr. Täglich würden Kinder gezielt getötet, verstümmelt, von bewaffneten Gruppen rekrutiert oder entführt. Zudem würde Kindern humanitäre Hilfe vorenthalten.

Im Jahr 2017 habe es zudem 1.432 bestätigte Angriffe auf Schulen gegeben. Auch Krankenhäuser, Kliniken und andere Gesundheitseinrichtungen würden häufig angegriffen oder zu militärischen Zwecken genutzt. Meike Riebau, Projekt-Koordinatorin des Berichts, verurteilte diese Angriffe: „Wenn Schulen und Krankenhäuser nicht sicher sind, bedeutet das, dass der ganze Wiederaufbau schwerer wird.“ So gehe eine ganze Generation verloren. Gezielte Angriffe auf Kinder oder Einrichtungen, in denen sich Kinder befinden, seien klare Verstöße gegen das Völkerrecht.

„Die internationale Gemeinschaft muss klar machen, dass sie nicht toleriert, wenn internationale Verhaltensregeln im Krieg missachtet werden“, forderte Geschäftsführerin Krüger. Täter müssten zur Verantwortung gezogen und Kinder besser geschützt werden. „Unser Appell richtet sich auch an die Bundesregierung, die mit dem Sitz im UN-Sicherheitsrat und als einer der größten Geber eine besondere Verantwortung für das Wohl und den Schutz der Kinder hat“, unterstrich sie.

Save the Children wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Die Organisationen wurde 1919 von Eglantyne Jebb in Großbritannien gegründet. Die Arbeit der Organisation sei aktueller denn je, sagte Martina Dase, Direktorin der deutschen Jubiläumskampagne: „Noch nie hat es so viele Kinder gegeben, die im Krieg aufwachsen.“

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7 Kommentare

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  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...ja, und Deutschland liefert die Waffen.

  • Ich finde die Zahlen auch extrem seltsam.

    Mal grob nachgerechnet:



    Bei 8 Mrd. Menschen mit 20% "Kindern" (bis 16 Jahre) gib es ca. 1,6 Mrd. Kinder.



    Dann leben also plusminus 25% aller Kinder in Konfliktgebieten?



    Wer glaubt denn sowas?

    Da Kinder meist nicht ohne Eltern leben, befinden sich dann auch 10-20% der Weltbevölkerung in "Konfliktgebieten".

    Das erscheint mir dann doch ein wenig aufgebauscht. Aber die Verlautbarung klingt ja auch sehr nach einer PR-Maßnahme.

    Übrigens: Konflikt ist nicht Krieg.



    Da kann man viel dazu zählen.

  • Furchtbar finde ich, dass Kriege inzwischen "für immer" sind. Bürgerkrieg in Syrien seit 8 Jahren! Der ganze Weltkrieg hat "nur" 6 Jahre gedauert. Oder die bewaffneten Konflikte in Nigeria, seit 10-15 Jahren. Da muss man seine Kinder doch ganz ohne Hoffnung aufziehen. Wann soll da mal etwas besser werden?

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Energiefuchs:

      Es gab mal den 100-Jährigen Krieg der ging 120 Jahre, oder den 30-Jährigen Krieg... es nicht so das alle Kriege schnell rum sind. Lange Kriege über viele Jahre und Jahrzehnte, mit relativ niederschwelliger Gewalt, sind historisch gesehen die Norm.

  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Noch nie ... ?

    Ernsthaft - Während der Weltkriege sollen weniger Kinder in Kriegsgebieten aufgewachsenen sein?

    Während des verlustreichesten Bürgerkrieges der Menschheit in China um 1850 lebten alleine 400 Millionen Menschen dort.

    Zudem:

    Was sollen denn die UN und/oder EU und/oder Deutschland machen?

    Soldaten schicken? Damit nicht nur Kinder in den Kriegsgebieten Waisen werden?

    • @91655 (Profil gelöscht):

      mit privaten oder staatlichen söldnern kann man das problem nicht lösen.sie verschlimmern es eher .

      gebt der uno eine hinreichend starke armee aus wehrpflichtigen und reservisten und das monopol für humanitäre interventionen.



      verbietet allen nationalstaaten ihre armeen im ausland einzusetzen und schafft die nationalstaatlichen armeen nach und nach ab

  • Liegt das an der Zunahme der Kriege, oder an der Zunahme der Geburten?