Bericht über Wen Jiabao: China hackt „New York Times“
Die „New York Times“ wurde vergangenen Herbst gehackt. Zur der Zeit arbeitete die Redaktion an einem Bericht über Chinas Präsidenten Wen Jiabao.
BERLIN taz | Computer und E-Mails von Mitarbeitern der einflussreichen New York Times sind vier Monate lang gehackt worden – wahrscheinlich von chinesischen Hackern. Wie das Blatt am Donnerstag berichtete, begannen die Angriffe am 13. September in der Endphase der Recherchen von David Barboza über das Milliardenvermögen der Familie von Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao. Mit Erscheinen des Artikels am 25. Oktober nahmen die Angriffe zu, wohl um Informanten zu identifizieren. Zuvor hatten chinesische Beamte bereits Barboza, der das Times-Büro in Schanghai leitet, mit Vergeltung gedroht, sollte er seine Recherchen veröffentlichen.
Laut Times hätten Mitarbeiter E-Mails mit angehängter versteckter Spionagesoftware bekommen, über die Passwörter ausgespäht worden seien. Im Zentrum der Angriffe habe der Mail-Account von Barboza sowie von Jim Yardley gestanden. Der Times-Reporter im indischen Delhi hatte zuvor das Peking-Büro des Blattes geleitet. Insgesamt seien Computer von 53 Mitarbeitern ausgespäht worden.
Eine Untersuchung habe ergeben, dass keine Informationen ausgespäht worden seien, die nicht mit Wen im Zusammenhang gestanden hätten. Auch seien keine weiteren Schäden verursacht worden. Laut Barboza nutzte er ohnehin nur öffentlich zugängliche Quellen. Die Times behauptet, der Angriff habe niemanden gefährdet. Doch die Redaktion hatte in der Endphase des US-Wahlkampfes Systemabstürze befürchtet.
Erstaunlich ist die Reaktion der Leitung des Blattes: Sie ließ die Angreifer zunächst gewähren und versuchte sich zunächst mit Hilfe von FBI und Computersicherheitsfirmen einen Überblick über die Angriffe zu verschaffen statt diese sofort zu blockieren. Offenbar wollte man nicht das Risiko eingehen, eine Sicherheitslücke zu übersehen. Die installierte Sicherheitssoftware hatte ohnehin nur einen einzigen der zahlreichen Angriffe gemeldet.
Die Times behauptet, nicht beweisen zu können, dass die Angriffe aus China stammten. Doch deuteten viele Indizien darauf hin, da sie nach Mustern erfolgten, die schon bei anderen China zugeschriebenen Cyberattacken verwendet worden sein sollen. Sie sollen von Rechnern an chinesischen Universitäten ausgegangen seien, die mit dem Militär kooperierten. Vor dort seien die Angriffe zur Verschleierung über Computer in den USA erfolgt. Oft hätten die Angriffe um 8 Uhr morgens chinesischer Zeit begonnen und zum dortigen Feierabend geendet. Chinas Regierung wies am Montag die Vorwürfe zurück. Sie seien „grundlos und unverantwortlich“.
Die Times stellt die Attacken in eine Reihe mit anderen Angriffen gegen westliche Medien in China. So sei auch die Agentur Bloomberg Ziel einer Cyberattacke geworden, nachdem sie im letzten Juni über das Vermögen der Familie von Chinas künftigem Partei- und Staatschef Xi Jingping berichtet hatte. Bloombergs Webseite ist seitdem in China nicht mehr zugänglich – wie auch die Webseiten der Times dort seit Barbozas Text gesperrt sind. Fairerweise berichtet das Blatt, dass mutmaßlich auch andere Regierungen einschließlich der US-amerikanischen auf Cyberangriffe zurückgreifen.
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