Bericht über Roma in Norwegen: Systematische Diskriminierung
Antiziganismus ist weit verbreitet in Norwegen. Die Feindseligkeit gegen Roma wird dabei durch Behörden noch gefördert.
STOCKHOLM taz | Man solle die Roma doch „in kleine Stücke zerschnippeln und zu Hundefutter verarbeiten“, wünschte sich ein Ex-Politiker der in Norwegen mitregierenden „Fortschrittspartei“ in einem Facebook-Kommentar. Und die Kommunalverwaltung von Oslo suchte in einer Ausschreibung nach Entsorgungsunternehmen, die sich um „Autowracks, Zigeuner, hohes Gras und Büsche“ kümmern sollten. Das sind zwei Beispiele, mit denen der Menschenrechtskommissar des Europarats illustriert, warum er glaubt, dass das skandinavische Land ein Problem mit der Diskriminierung von Roma hat.
In dem am Montag veröffentlichten „Human Rights Report on Norway“ zählt Menschenrechtskommissar Nils Muiznieks zwar auch andere Bereiche auf, bei denen womöglich Nachholbedarf besteht im Land, das sich selbst so gerne als Vorbild beim Schutz von Menschenrechten sieht – so beispielsweise bei Menschen mit Behinderungen.
Doch im Zentrum des Berichts steht die Situation der Roma. Derer, die permanent im Land leben und derer, die sich nur zeitweise zum Betteln dort aufhalten. Letztere sind vor allem Roma aus Rumänien, deren Zahl je nach Jahreszeit auf 100 bis 1.000 Personen geschätzt wird.
In Medienberichten und von vielen PolitikerInnen sei diese doch recht überschaubare Personengruppe zu einem großen Problem hochstilisiert worden, konstatiert der Rapport. Über sie habe es beispielsweise einen „extremen Nachrichtenfokus“ mit allein rund 6.500 Presseberichten im Jahr 2013 gegeben. Die Polizei habe vor einer „bevorstehenden Invasion“ gewarnt, die dann aber nie gekommen sei. Und es sei mit angeblichen, aber nicht wirklich belegten Erkenntnissen zwischen dem Zusammenhang von Bettelei und wachsender Kriminalität argumentiert worden.
Diskriminierendes Bettelverbot
Das habe zum einen zu einem wachsenden Antiziganismus geführt, der offenbar weder von der Politik, noch von Polizei und Justiz wirklich ernst genommen werde. So würden die eigentlich vorhandenen juristischen Möglichkeiten gegen Rassismus, Hassrede und Volksverhetzung nur völlig unzureichend ausgeschöpft. Und auf das „Bettelei-Problem“ habe die Politik mit einer Verschärfung des Polizeigesetzes reagiert. Die Befugnisse der Ordnungsmacht gegen im Freien übernachtende Obdachlose ist erweitert und den Kommunen das Recht auf den Erlass lokaler Bettelverbote eingeräumt worden.
Auch ein nationales Bettelverbot mit Haftstrafen von bis zu einem Jahr wurde diskutiert, scheiterte aber Anfang des Jahres in letzter Minute, weil die regierende Koalition aus Konservativen und rechtspopulistischer Fortschrittspartei doch nicht die erforderliche Parlamentsmehrheit dafür zusammenbekam. Der Bericht des Menschenrechtskommissar begrüßt dies, kritisiert aber gleichzeitig, dass lokale Bettelverbote nach wie vor möglich sind.
Was die Behandlung von Obdachlosen angeht, wird Oslo an seine Verpflichtungen aus der vom Lande ratifizierten und deshalb völkerrechtlich verbindlichen Europäischen Sozialcharta erinnert. Kirchliche Hilfsorganisationen und das Rote Kreuz kritisieren norwegische Kommunen sei längerem wegen des offenen Verstoßes gegen diese Charta. So werde dringendste Hilfe wie beispielsweise Akutschlafplätze für ausländische Obdachlose in völlig unzureichendem Mass zur Verfügung gestellt.
Wegnahme der Kinder
Gleichzeitig reagierten die Sozialbehörden aber auffallend eifrig, wenn es darum gehe, Roma-Kinder in öffentliche Obhut zu nehmen und deren Eltern das Sorgerecht abzuerkennen, meint der Europarat. In rund 60 Fällen habe die Vormundschaftsbehörde Kinder in Pflegefamilien gegeben oder in Heimen untergebracht, bei 60 weiteren Kindern werde eine solche Maßnahme erwogen
Laut dem Menschenrechtsbericht habe man damit bei rund der Hälfte aller Romakinder, die als dauerhaft in Norwegen lebend registriert seien, die Notwendigkeit gesehen, den leiblichen Eltern das Sorgerecht zu entziehen und damit nahezu jede Kontaktmöglichkeit zu nehmen. „Roma-Mütter suchen zur Geburt keine Krankenhäuser mehr auf, weil sie Angst haben, ihnen würden sofort die Kinder weggenommen“, konstatiert der Bericht.
Zum Thema Betteleiverbot jedenfalls haben sich die Einwände des Europarats zwischenzeitlich erst einmal weitgehend erledigt. Auch in Norwegen selbst geübte Kritik, es gehe hier letztendlich um Rassismus, weil das Verbot auf eine ethnisch klar definierbare Menschengruppe ziele, hat Wirkung gezeigt. Nur zwei Städte führten ein Verbot überhaupt ein und eine beschloss vor zwei Wochen, es wieder abzuschaffen. Jetzt meint allein das südnorwegische Lillesand noch, ein solches Verbot haben zu müssen. Den Ort müsse man als Tourist ja nicht unbedingt besuchen, empfehlen deshalb Reiseratschläge, die im Internet kursieren.
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