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Bericht des NSU-AusschussesDesaster auf 1.357 Seiten

Die Bilanz des Untersuchungsauschusses im Bundestag ist verheerend. Immerhin einigen sich die Fraktionen auf 47 gemeinsame Empfehlungen.

Produktive Zusammenarbeit: die Mitglieder des Untersuchungsauschusses stellen ihren Bericht vor Bild: dpa

BERLIN taz | Die letzten Änderungen wurden noch bis spät in die Nacht eingearbeitet. Am Ende wurde der Abschlussbericht des NSU-Ausschusses 1.357 Seiten dick. Am Donnerstagmittag haben ihn die Abgeordneten in Berlin an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) übergeben.

Als ein „historisch beispielloses Desaster“ bezeichnete der NSU-Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) das Versagen der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit den mehr als ein Jahrzehnt unaufgeklärten Morden und Anschlägen der Neonazi-Terrorgruppe hinterher in der Bundespressekonferenz.

Der Staat habe gegenüber den Opfern zwei seiner zentralen Versprechen gebrochen, so Edathy: Dass er seine Bürger schütze; und dass er, sollten sich doch schwere Straftaten ereignen, professionell und vorurteilsfrei in alle Richtungen ermittle. Stattdessen wurde, wie im Abschlussbericht dargelegt ist, fast ausschließlich in Richtung „Ausländerkriminalität“ ermittelt und Opferangehörige zu Verdächtigen gemacht. „Türken ermorden Türken: So scheint die Denkweise gewesen zu sein“, sagte Edathy. „Die NSU-Taten waren rassistisch, und die Ermittlungen trugen rassistische Züge“, sagte Linken-Obfrau Petra Pau.

Für einen Untersuchungsausschuss ungewöhnlich, haben sich alle fünf Fraktionen auf 47 gemeinsame Empfehlungen geeinigt. Diese reichen von der Aufforderung, dass die Polizei bei Gewalttaten gegen Migranten immer auch einen möglichen rechtsextremen Hintergrund „eingehend“ prüfen soll, bis zum Vorschlag, dass der NSU-Ausschussbericht zum Unterrichtsstoff in der Polizistenausbildung werden soll. Nicht einig waren sich die 22 Ausschussmitglieder über die Zukunft des Verfassungsschutzes und die Frage des Einsatzes von V-Leuten. Ihre vom Konsens abweichenden Forderungen haben die Fraktionen in „ergänzenden Stellungnahmen“ festgehalten:

Union: wichtige Schritte

Die CDU/CSU hat als einzige Fraktion auf eine ergänzende Stellungnahme verzichtet, da der Abschlussbericht „umfassend“ sei: „Seine Stärke ist die gemeinsame Bewertung durch alle Fraktionen.“ Die 47 Empfehlungen des Ausschusses hält sie für eine „wirksame Grundlage“ für Reformen bei Polizei, Justiz und Verfassungsschutz. „Wichtige Schritte“ seien von der Regierung zudem bereits eingeleitet worden, etwa die Einrichtung eines Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus.

SPD: Polizei-Beschwerdestelle

Die SPD beklagt in ihrer Bewertung, dass aufgrund von „Verdachts- und Vorurteilsstrukturen“ ein rechtsextremer Hintergrund der Taten nicht gesehen worden sei. Als eine Konsequenz fordert sie die Einrichtung „unabhängiger Beschwerdestellen für polizeiliches Fehlverhalten“. Weil der Verfassungsschutz „als Frühwarnsystem versagt“ habe, will die SPD ihn grundlegend reformieren. Auf vom Staat bezahlte Spitzel (V-Leute) in der rechtsextremen Szene will sie nicht verzichten, deren Einsatz aber vom G-10-Gremium des Bundestags kontrollieren lassen.

FDP: NSU-Ausschuss II

Die Liberalen betonen in ihrer Ergänzung zum Ausschussbericht, dass noch vieles ungeklärt sei, etwa zu möglichen internationalen Verbindungen des NSU. „Es blieben mehr Fragen offen als beantwortet wurden“, sagte FDP-Obmann Hartfrid Wolff am Donnerstag. Der nächste Bundestag solle nach der Wahl deshalb einen NSU-Ausschuss II einsetzen. Unabhängig davon verlangt die FDP, eine bessere Kontrolle der Geheimdienste samt Schaffung eines „ständigen Sachverständigen“ sowie eine Zusammenlegung kleinerer Landesämter für Verfassungsschutz.

Linke: struktureller Rassismus

Die Linke sieht in den Ermittlungen der Polizei bei den Morden des NSU „strukturellen und institutionellen Rassismus“ – und verlangt ebenfalls eine unabhängige Beschwerdestelle. Als „Hauptverantwortliche“ für das Versagen beim NSU werden jedoch das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Thüringer Landesamt genannt. Die Forderung: Als „Sofortmaßnahme“ müssten alle V-Leute abgeschaltet werden, da der durch sie verursachte Schaden höher sei als der Nutzen. Ziel der Linken ist es letztlich, den Inlandsgeheimdienst ganz abzuschaffen und durch eine Dokumentationsstelle über Rassismus zu ersetzen.

Grüne: Demokratie-Institut

„Dem Totalversagen muss der Totalumbau folgen“, finden die Grünen – und fordern deshalb ebenfalls, dass der Verfassungsschutz aufgelöst wird. An seine Stelle soll eine deutlich kleinere Behörde „Inlandsaufklärung“ treten, die nur für „Bestrebungen mit Gewaltbezug“ zuständig sein soll und dabei auch geheimdienstliche Methoden anwenden darf. V-Leute sollen in der Neonaziszene jedoch möglichst nicht mehr eingesetzt werden. Zusätzlich soll es ein „unabhängiges Institut zur Analyse demokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen“ geben, das Parlamente und Behörden berät.

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7 Kommentare

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  • "Es waren unheimlich geschickte Einzeltäter" ...

    würde jemand (http://www.youtube.com/watch?v=Gx2ZdlBDwEkagen) sagen!

    Rassismus pur würde ich sagen!

  • Damit ist das jetzt vom Tisch.

    (würde Pofalla sagen).

  • RW
    Rainer Winters

    NSU NSA

    USA KPD

    FDP NRW

    CDU KPD

    DKP SPD

    ARD CSU

    ZDF FRA

    BER NPD

    SWR WDR

     

    Und jetzt: Die Grünen, Die Linke, Die Piraten, Die Mainzelmännchen ... Das sind ja fast echte Aussagen gegenüber den unseriösen Abkürzungen.

  • Uberall wird von "Pannen" und ähnlichem gesprochen und schade, sehr Schade dass der Untersuchungsausschuß nicht die Wahrheit ausgesprochen hat, das AKTIV mitgeholfen wurde.

    Zur Zeit der sog. "Döner Morde" gab es die Aktion "hinguckn!" angeblich gg. rechts. Gleichzeitig verboten die Behörden den Staatsschützern gg. rechts vorzugegehn, wer es als Beamter trotzdem tat, landete vom Staatsschutz in der Überwachung des fließenden Verkehrs.

    Das hat Panorama damals dokumentiert und leider drucken sogar viele Zeitungen eben diesen (meinen)Kommentar nicht, in dem ich auf die damalige Pamoramasendung(en) hinweise, die belegen, dass es von oben gesteuert nicht erwünscht, sogar verboten war, gg. Rechte vorzugehen, bei gleichzteigtig laufender Scheinaktion "hingucken".

    Einfach nur faschistoid-pervers, was da gelaufen ist. Die Aktenschredderei und anderen Merkwürdigkeiten, die keineswegs aufgeklärt wurden, sprechen ein Übriges.

    Panorama:

    http://www.youtube.com/watch?v=WqtgjLMSqHM

    http://www.youtube.com/watch?v=Vy0VLy9jRoU&feature=related

  • Z
    ZH1006

    Einige Medien sprechen von "historisch beispiellos",

    das kann ich nicht durchgehen lassen, dazu: Morde in der Weimarer Republik: begangen durch Rechtsradikale: 354, Verurteilungen: 24, Hinrichtungen: 0, durchschnittliche Inhaftierung pro Mord: 4 Monate; begangen durch Linksradikale: 22. Verurteilungen: 38, Hinrichtungen: 10, durchschn. Inhaftierung pro Mord: 15 Jahre.

    • @ZH1006:

      Sehr interessante Gegenüberstellung. Parallelen offensichtlich. Begründung der Ursachen: schwer vollständig soziologisch zu erklären (oder gibts da Literatur a la Max Weber zur protestantischen Ethik).

      Aber wo bitteschön haben Sie diese Daten her? Will mich auch weitergehend informieren.

  • A
    Amen

    Was mich etwas stört ist die gewählte Vergangenheitsform. So als würde das neue Zeitalter schon begonnen haben. Aber es ist ja immer noch so, da wo es zu konkret wird dreht man ab. Nach Dortmund darf es keine Verbindungen gegeben haben, die VP Heidi wurde abgeschaltet, entgegen der Ankündigung sich an die Presse zu wenden ist da nichts mehr zu hören. Und die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen unterbunden. Derweil schreibt Zschäpe munter an ihren Dortmunder Freund, und André E. trifft sich in der Pause mit einem Neonazi der aus der Region stammt.

    Die Europavertretung des KKK, die wie damals in Schwäbisch Hall sitzt, besteht natürlich aus einer Einzelperson, nach Bayern gab es auch keine Verbindungen( Maik E. hat Statzberger wohl gerade erst kennengelernt ), und wieso der NSU ausgerechnet in Sachsen entstehen konnte, wo noch heute so tolle Urteile herkommen, bleibt ein Rätsel.

    Nur mit Inkompetenz kann man dies und das Geschredder nicht erklären.

    Aber Kompetenzerweiterungen würden da schon kein geeignetes Mittel mehr sein. Daher : VS runterfahren, aber ganz sachte.