Bericht des Biodiversitätsrats: Einseitiger Blick auf die Vielfalt
Die Leistungen der Natur können verschieden bewertet werden. Doch der Welt-Biodiversitätsrat moniert, dass die Sicht der Industrieländer dominiere.
Für ihren Bericht über die „Bewertung von Natur“ haben die Experten des IPBES rund 13.000 wissenschaftliche Arbeiten und andere Quellen darauf untersucht, wie sie Leistungen der Natur betrachten und einschätzen. „Werte, die nicht marktgängig sind, werden nicht beachtet“, sagt Unai Pascual, vom Baskischen Zentrum für Klima, einer der Co-Vorsitzenden des Berichts, „das ist ein starker Treiber für die Biodiversitätskrise.“
So lasse sich ein Fluss unter der Fragestellung betrachten, wie viel Fische in ihm zu fangen seien, erklärte Mitautorin Patricia Balvanera von der Autonomen Universität von Mexiko – oder aus der Perspektive des Fischs, der ein natürliches Recht habe, in diesem Fluss zu leben, oder aus der Perspektive von Menschen, für die der Fluss Teil ihrer Heimat und ihrer Identität sei.
Immer gehe es um die Frage, „wer vor Entscheidungen gehört wird und wer nicht – und welche Konsequenzen das hat“, sagt Pascual. Dass der „instrumentalisierende“ Blick der Industrienationen nicht der einzige auf Natur sei, müsse nicht nur in politische Entscheidungen einfließen. Es gehöre auch in die Verhandlungen zu dem neuen Biodiversitätsabkommen, das Ende des Jahres verhandelt werden soll, fordern die Autoren.
Schon am Freitag hatte der IPBES einen Bericht vorgestellt, der die Nutzung wilder Tiere und Pflanzen untersucht. „Jeder fünfte Mensch auf der Erde ist unmittelbar von wild lebenden Arten abhängig, sei es direkt als Nahrungsgrundlage oder für den Lebensunterhalt“, kommentierte Matthias Glaubrecht, Projektleiter am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels, die Forschungsarbeit. „Mehr als 10.000 Arten werden direkt für die menschliche Ernährung genutzt“, sagt Glaubrecht. „Rund 2,4 Milliarden Menschen – immerhin also beinahe ein Drittel der Menschheit – nutzen Wälder und Bäume direkt für das zum Kochen notwendige Feuerholz.“
Der Wert lokaler Gemeinschaften
Der Bericht nennt vier Möglichkeiten, wie wilde Arten beansprucht werden: Jagd, Fischerei, Holzeinschlag in Wäldern und Pflanzen-, Pilze- und Algensammeln. Immer häufiger verlaufe das nicht nachhaltig, stellt der Bericht fest. Als Stressfaktoren nennt er Überfischung, Abholzung von Wäldern für Feuerholz oder den illegalen Handel von Wildtieren. Als zentrale Erkenntnis stellt er heraus, wie wichtig lokale und indigene Gemeinschaften in diesem Zusammenhang sind. „Um eine nachhaltige Nutzung von wild lebenden Tier- und Pflanzenarten zu erreichen, müssen diese in Entscheidungen miteinbezogen und ihr Wissen über natürliche Ressourcen genutzt werden“, heißt es.
Und auch dabei, wie Natur zu bewerten sei, müsse der Sicht lokaler Gemeinschaften mehr Bedeutung beigemessen werden, fordern die Autor:innen und stellen nebenbei fest, dass nur 0,6 Prozent der 13.000 untersuchten Quellen sich mit dem Thema „Macht“ befassen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!