Bericht der Weltwetterorganisation: Viel zu viel Treibhausgas
Die Konzentration erderhitzender Gasen steigt an, die Politik reagiert zögerlich. Der Chef der Wetterorganisation zeigt sich resigniert.
Berlin taz | Die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre, das die Erde gefährlich aufheizt, liegt seit dem vergangenen Jahr um ganze 50 Prozent höher als vor der Industrialisierung. Das hat die Weltwetterorganisation in ihrem jährlichen Treibhausgasbericht festgestellt, den sie am Mittwoch in Genf vorgestellt hat.
Dass die Menschheit die Erde erhitzt, hat dramatische Auswirkungen: Nachweislich haben die bereits deutlich angestiegenen Temperaturen schon zahlreiche Hitzewellen, aber auch Starkregen und Überschwemmungen sowie Dürren begünstigt – und damit zu Toten, Verletzten sowie enormen Schäden geführt.
Dass die Konzentration von CO2 weiter steigt, ist erst einmal nicht überraschend. Selbst wenn die Menschheit ihre Emissionen rapide senken würde: Bis sie komplett bei null liegen, wächst der CO2-Berg in der Atmosphäre erst mal noch weiter an. Das Problem ist das rasante Tempo und Ausmaß, in dem er das tut. Denn die Emissionen sinken eben global gesehen weder rapide noch sanft – sie sinken überhaupt nicht.
Im Jahr 2022, auf das sich die Daten der Weltwetterorganisation beziehen, verursachte die Energiewirtschaft weltweit fast 37 Milliarden Tonnen Kohlendioxid, so viel wie nie zuvor. Das CO2-Budget der Menschheit schrumpfe in kürzester Zeit zusammen, warnt die Weltwetterorganisation. Gemeint ist die Menge an Kohlendioxid, die noch entweichen darf, bevor die Erderhitzung katastrophale Ausmaße erreicht.
UN-Bericht kommt zu ernüchterndem Ergebnis
Der Tonfall der Wissenschaftler*innen wird zunehmend verzweifelt. „Trotz Jahrzehnten der Warnungen aus der Wissenschaftsgemeinschaft, Tausenden Seiten von Berichten und Dutzenden Klimakonferenzen steuern wir immer noch in die falsche Richtung“, sagte Petteri Taalas, Chef der Weltwetterorganisation.
Diese Ernüchterung dürfte ein aktueller Bericht des Klimasekretariats der Vereinten Nationen weiter füttern. Das hat zwei Wochen vor der jährlichen Weltklimakonferenz die bisherigen Klimaziele der fast 200 Staaten ausgewertet. Das Ergebnis: Bis 2030 ist damit zwar ein Rückgang der Emissionen zu erwarten, allerdings nur um 2 Prozent. Laut dem Weltklimarat müssten sie sich aber fast halbieren, um die Erderhitzung bei 1,5 Grad zu stoppen – es besteht also eine eklatante Lücke.
EU will Methanausstoß verringern
Auch bei den anderen Treibhausgasen zeigt der Trend laut dem Bericht der Weltwetterorganisation weiter nach oben. Vor allem Methan gilt als entscheidender Faktor beim Klimaschutz, als wichtigstes Treibhausgas nach Kohlendioxid. Das Gas verschwindet zwar schneller wieder aus der Atmosphäre, ist aber an sich viel klimawirksamer.
Den Methanausstoß zu reduzieren hätte also schnell einen großen Effekt. Das Gas entsteht etwa während der Verdauung von Wiederkäuern wie Kühen, auch auf Mülldeponien und in der Energiewirtschaft. Schließlich besteht Erdgas überwiegend aus Methan. Verbrennt man es, entsteht unter anderem Kohlendioxid. Entströmt es aber vorher unbeabsichtigt, belastet es die Atmosphäre als Methan. Und das passiert oft: während Bohrungen, aber auch beim Transport von Erdgas durch Lecks in Pipelines.
Die Europäische Union will dieses Problem stärker angehen. Unternehmen der Öl- und Gaswirtschaft sollen künftig dazu verpflichtet werden, regelmäßig nach größeren Lecks zu suchen und diese zu reparieren. Darauf haben sich Verhandler*innen der EU-Regierungen und des EU-Parlaments in der Nacht zum Mittwoch geeinigt. Außerdem soll das Lüften oder Abfackeln von Erdgas, bei dem Methan in die Atmosphäre freigesetzt wird, unter bestimmten Umständen verboten werden.
Leser*innenkommentare
maestroblanco
Ich vermute die bittere wahrheit wird nicht gesagt oder will nicht gesagt werden. Ich befürchte aber, welbs twenn das erfolgt wird die Mehrheit der Menschen, und nicht nur in Deutschland, weiterhin - oder noch mehr - den Kopf in den Sand stecken. Steigende Flugreisen, steigender LKW-Verkehr, steigender Individualverkehr und Zunahme von PKW-Verbrenner auch bei jungen Menschen bringt einen an den Rand der Resignation. Das wäre falsch, aber gegen Windmühlen kämpfen ist auch auf lange Sicht ermüdend. In Italien und Spanien ist die Sensibilität gegenüber Umwelt- und Klimaschutz aufgrund der katastophalen Wasser- und Dürre Ereignisse seht stark gestiegen. Daraus kann man eigentlich schliessen: wir brauchen verheerende Naturkatastrophen die den Einzelnen bedrohen, dann wird der Zustand des Planeten und die Gefahren spürbar.
Wunderwelt
Es gab hier im Forum mal eine angeregte Diskusion über die Frage, ob man den Menschen die ganze (ungeschönte) Wahrheit über die heran nahende Klimakatastrophe zumuten könne oder ob dies nicht das Gegenteil, sprich Fatalismus bewirken würde.
taz.de/Klimaforsch...omism/!5902230/#bb
Wenn ich nun so beobachte, wie sich Diskussion um das Thema immer weiter in Wohlgefallen auflöst..sprich immer mehr verdrängt wird, dann frage ich mich schon ob es nicht doch besser oder gar unvermeidlich ist, den Menschen die ganze katastrophale Wahrheit zuzumuten..
Ein Beispiel (von vielen) - (Spektrum der Wissenschaft 3/23 S.40): "selbst nach den optimistischten Klimaszenarien wird die Menscheit bis 2050 so viele Treibhausgase ausstoßen, dass der Wasserspiegel der Ozeane in den kommenden Jahrhunderten um 2 Meter oder mehr steigt. ..// wenn jedoch der Thwaites Gletscher kollabiert, werden aus zwei Metern fünf".
Wenn nun aber nicht damit zu rechnen ist, dass der optimistische Fall eintritt - und im Moment spricht einfach immer weniger dafür..wie hoch wird dann der Meeresspiegel ansteigen.?
Die Prognosen der Wissenschaft sagen uns somit voraus, dass sehr wahrscheinlich Teile von Hamburg, Kiel, Lübeck, Dithmarschen, Holland, etc. im Meer versinken werden..
Und was machen die deutschen Verbraucher: sie kaufen sich nicht etwa kleinere Autos..sondern noch größere, sie fliegen weiterhin mal eben nach sonstwo. Die Superreichen sind schon gar nicht bereit ihren Klima-Wahnsinn anzutasten..
Ich glaube immer mehr: es geht nicht anders, wir müssen uns mit der ungeschönten Wahrheit befassen, denn Fatalismus hin oder her..noch schlimmer als der momentane Zustand von Leugnung und Verdrängung kann es ja kaum werden.
Und bekanntlich kann man Probleme ja nur dann lösen, wenn man sie versteht..und da weigert sich nach wie vor die große Mehrheit der Menschen in diesem Land..Das müssen wir ändern.!
..denn ansonsten heißt es ab jetzt: "Apocalypse from now on"..
Ajuga
@Wunderwelt "dann frage ich mich schon ob es nicht doch besser oder gar unvermeidlich ist, den Menschen die ganze katastrophale Wahrheit zuzumuten.."
Ach, das merken die noch früh genug.
Rücksicht oder Verständnis braucht aber niemand mehr zu erwarten. *Der* Zug ist abgefahren, und die Frage, wer bezahlen muss, werden nicht die Täter entscheiden.