piwik no script img

Beratungen über neue Verfassung in KubaPrivateigentum und Ehe für alle

Das kubanische Parlament billigt das Kabinett des neuen Präsidenten Miguel Díaz-Canel. Und es beginnt mit Beratungen über eine umfassende Verfassungsreform.

Das Parlament in Kuba tritt nur zweimal im Jahr zusammen Foto: Irene Perez/Cubadebate/dpa

Havanna afp/ap | Kubas Parlament hat das Kabinett des neuen Präsidenten Miguel Díaz-Canel gebilligt. Im Ministerrat dominieren zwar die alten Gesichter aus der Regierung von Vorgänger Raúl Castro, doch fehlt der bisher für Wirtschaftsreformen zuständige Marino Murillo. Im April hatte Díaz-Canel Castro als Staatschef abgelöst.

Zugleich nahm die Nationalversammlung am Samstag einen Entwurf für Änderungen an der Verfassung von 1976 entgegen. Demnach sollen darin Elemente des freien Markts anerkannt und Privateigentum ermöglicht werden. Das Wirtschaftssystem wird weiter von der Kommunistischen Partei dominiert.

Zudem soll in der Justiz das Prinzip der Unschuldsvermutung verankert und Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität geächtet werden.

Die kubanische Führung hat eingeräumt, dass die Verfassung aus dem Jahr 1976 den Wandel der vergangenen Jahre nicht widerspiegele. Daher seien Anpassungen nötig. Die Änderungen fallen in eine Zeit, in der Hunderttausende Kubaner selbstständig tätig sind, Überweisungen aus dem Ausland die Wirtschaft am Laufen halten und die Tochter von Parteichef Raúl Castro sich für die Rechte homosexueller Menschen einsetzt. Über die Verfassungsreform soll es in den kommenden Monaten ein Referendum geben, dann geht die Vorlage zurück an das Parlament.

„Offene Tür“ für Homo-Ehe

Der Journalist und Aktivist für die Rechte Homosexueller, Francisco Rodríguez, nannte den Entwurf „eine offene Tür“ für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Rodríguez, der Kubas Kommunistischer Partei angehört, hob in seinem Blogeintrag außerdem hervor, dass der Verfassungstext das „Prinzip der Nicht-Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung“ beinhalte. Auf dieser Grundlage könne die Gleichberechtigung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender (LGBT) in der kubanischen Rechtsordnung festgeschrieben werden.

Es handele sich allerdings nur um „einen ersten Schritt“, schrieb Rodríguez. Der Kampf für die Umsetzung dieser Rechte werde „nicht einfach“ werden.

Sexuelle Minderheiten wurden im kommunistischen Kuba lange Zeit stigmatisiert. Homosexuelle wurden oftmals angegangen oder in sogenannte Umerziehungslager gesteckt und systematisch vom Staatsdienst ferngehalten.

2010 gestand Revolutionsführer Fidel Castro „Ungerechtigkeiten“ gegenüber Homosexuellen ein, die zahlreiche Intellektuelle und Künstler in den 60er, 70er und 80er Jahren ins Exil getrieben hätten. Für die Rechte sexueller Minderheiten sowie für die Frauenrechte setzt sich seit Jahren die Abgeordnete und Tochter von Ex-Staatschef Raúl Castro, Mariela Castro, ein, die das Nationale Zentrum für Sexualerziehung leitet.

Das kubanische Parlament soll bis Montag über die 224 Artikel der neuen Verfassung abstimmen. Danach soll der Text den Bürgern in einem Referendum zur Abstimmung vorgelegt werden. Die herrschende Kommunistische Partei hat die Verfassungsreform bereits abgesegnet.

Die neue Verfassung soll marktsozialistische Elemente festschreiben und die sozialistische Wirtschaftsordnung des Karibikstaates vorsichtig lockern. Zudem ist eine Aufteilung der politischen Macht zwischen dem Staatsoberhaupt und einem Regierungschef vorgesehen. Dazu soll das Amt eines Ministerpräsidenten geschaffen werden, wie es bereits vor 1976 bestand.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • „Wandel durch Annäherung“







    Kuba setzt auf „Marktwirtschaft“

    Das Ziel der Schaffung einer "kommunistischen Gesellschaft" soll in der neuen Verfassung gestrichen werden – Kuba will sich der ''Marktwirtschaft'' öffnen. Die Gesellschaft und die Wirtschaft hätten sich gewandelt und dies müsse sich auch in der Verfassung widerspiegeln, sagte Homero Acosta im Parlament an der Seite von Präsident Miguel Díaz-Canel. Derzeit arbeiten in dem karibischen Inselstaat rund 591.000 Menschen im Privatsektor. Acosta sagte, die Rolle des Marktes könne "nicht ignoriert werden", und der Privatbesitz sei heute eine Realität des "wirtschaftlichen und sozialen Modells" Kubas.

    In den neuen privaten Restaurants arbeiten in der Regel meist junge Menschen weißer Hautfarbe. Auch die familiären Rücküberweisungen begünstigen bestimmte Bevölkerungsgruppen und reproduzieren die soziale Zusammensetzung der im Exil lebenden Kubaner_innen, unter denen der Anteil der Afrokubaner_innen um ein Vielfaches geringer ist als auf der Insel. Frauen sind unter den neuen Selbstständigen immer noch deutlich unterrepräsentiert.

    PS.: Transformation in die kapitalistische Klassengesellschaft und den Bourgeois'Sozialismus kubanischer Prägung', siehe auch China heute.

  • „Demnach sollen darin Elemente des freien Markts anerkannt und Privateigentum ermöglicht werden“



    Auch in der DDR gab es seinerzeit Forderungen, wenigstens ein bisschen „Privatwirtschaft“ zuzulassen, angesichts des permanenten Mangels, gegen den die „Sozialistische Planwirtschaft“ kein Mittel fand. Die führenden Kommunisten an der Staats- und Parteispitze wollten nichts davon wissen, „den Kapitalismus durch den Hintereingang wieder hereinzulassen“!



    Mithilfe der Schriften des russischen Kommunisten W. I. Lenin „bewiesen“ sie messerscharf , dass damit alle „Errungenschaften“ zunichte gemacht würden! Als abschreckendes Beispiel wurde auf Tito’s Jugoslawien verwiesen, wo Sozialismus UND Privatwirtschaft praktiziert wurden. Mithin galt Jugoslawien nicht als „sozialistischer Bruderstaat“, wie die UdSSR und deren Satellitenstaaten Polen, Ungarn, Rumänien, … , sondern als dem „NSW“ (=nichtsozialistisches Wirtschaftssystem) zugehörig, wie z. B. die BRD.



    Die ehemals führenden Kommunisten würden sich im Grabe umdrehen, könnten sie von den „Abweichungen von der marxistisch-leninistischen Lehre“ der kubanischen Genossen erfahren!