piwik no script img

Beratung über Post-Brexit-AbkommenDear Ursula, Sie können mich mal

Boris Johnson und die drei EU-PräsidentInnen wollen am Montag feststellen, dass sie sich nicht einig sind. Eine Verlängerung der Übergangszeit ist vom Tisch.

Boris Johnson und Ursula von der Leyen: Im Januar lächelten sie noch Foto: Henry Nicholls/reuters

Brüssel taz | Allein gegen drei EU-PräsidentInnen: Per Videoschalte nach Brüssel will der britische Premier Boris Johnson am Montag versuchen, wieder Bewegung in die hoffnungslos festgefahrenen Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den 27 EU-Staaten zu bringen.

Das Gespräch mit Ursula von der Leyen (EU-Kommission), Charles Michel (Rat) und David Sassoli (Parlament) dürfte turbulent werden. Denn die Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Beide Seiten werfen sich gegenseitig vor, die Absprachen zu brechen und nicht ernsthaft zu verhandeln.

Johnson werde „auf den Tisch hauen“, um die EU-Politiker zu Konzessionen zu bewegen, schreibt die konservative Mail on Sunday. Wenn man sich nicht bis zum Ende des Sommers einig werde, drohe der „No Deal“, zitiert das Blatt einen britischen Regierungsberater.

Doch auch die Europäer machen Druck. Das Parlament droht sogar mit einem Veto, falls Johnson nicht alle Zusagen einhalten sollte. „Jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen. Boris Johnson muss die Karten auf den Tisch legen“, fordert Bernd Lange, Chef des Handelsausschusses. Quer durch alle Fraktionen fordern die Europaabgeordneten, dass sich Johnson an die Politische Erklärung hält, die im Herbst 2019 ergänzend zum Brexit-Vertrag vereinbart worden war. Darin habe sich London zur Einhaltung der EU-Standards verpflichtet, heißt es.

Brüssel fordert gleiche Bedingungen wie in der EU

Unternehmensteuern, Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz, Staatsbeihilfen – in all diesen Bereichen fordert die EU ein „Level Playing Field“, also gleiche oder ähnliche Bedingungen, die von der EU festgelegt werden. Um das durchzusetzen, hat Brüssel sogar eine Verlängerung der Übergangsphase über den 31. Dezember 2020 hinaus angeboten. Doch am Freitag hat London diese Tür endgültig zugeschlagen. Mitten in die Vorbereitungen für das Spitzengespräch am Montag platzte der britische Kabinettsminister Michael Gove mit der Nachricht, dass es kein Nachspiel ­geben werde.

Bei Beratungen mit der EU habe er „formal bestätigt, dass das Vereinigte Königreich die Übergangsphase nicht verlängern wird“, so Gove. „Die Zeit für eine Verlängerung ist nun vorbei.“ Damit bleibt aber nur noch bis zum Herbst Zeit, um einen Freihandelsvertrag auszuhandeln.

Johnson wolle in Wahrheit gar keine Einigung, vermuten viele in Brüssel. Vielmehr strebe er den „No Deal“ an, um den damit verbundenen wirtschaftlichen Schaden der EU in die Schuhe zu schieben. Angesichts der schweren Coronarezession werde der Einbruch beim Handel ohnehin kaum auffallen.

Die Alternative – eine Einigung zu britischen Bedingungen – spielt in der EU-Debatte bisher kaum eine Rolle. Dabei könnte London bereit sein, einige Zölle zu akzeptieren, wenn es EU-Standards nicht vollständig akzeptieren müsste. Hier müsse „die rechte Balance“ gefunden werden, sagte ein britischer Verhandlungsteilnehmer der Nachrichtenagentur AFP.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "Johnson wolle in Wahrheit gar keine Einigung, vermuten viele in Brüssel. Vielmehr strebe er den „No Deal“ an, um den damit verbundenen wirtschaftlichen Schaden der EU in die Schuhe zu schieben."

    Auch hier gilt aber zu versuchen selber nicht in jede Verschwörungstheorie zu tappen. Johnson ist ein Politclown, aber ob er und seine Mitstreiter nur grenzenlos dumm oder hinterhältig sind und die EU mit viel Geduld einfach DAS Richtige versucht zu fördern .... ist das die ganze Wahrheit? Es gibt auch Leute, die sehr überlegt einen No-Deal wollen, weil sie sich sehr berechtigt Vorteile und mehr Freiheit bei außereuropäischen Geschäften versprechen. Die Restwelt ist immerhin viel größer als die EU. Viele Briten aus dem indischen Raum würden sich glaube ich auch lieber engere Beziehungen dorthin wünschen als immer an der EU zu kleben. Lange Listen von Nachteilen eines No-Deal aufzuzählen bringt da wenig, das sind keine starken Argumente.

    Viel interessanter wären Artikel, die auch all die guten (und schlechten) Gründe analysieren, warum viele Menschen einen No-Deal wollen.

  • Dann gibt's halt keinen Deal. Was soll's? Die Welt wird sich auch ohne Engländer weiter drehen.



    Aber ich fürchte die EU wird noch rechtzeitig einknicken.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Eine Einigung unter Britischen Bedingungen darf es auch nicht geben.

    Die Briten senken Ihren Steuerschnitt um ein paar Prozent und geben noch ein paar weitere Anreize, und zack ist es die perfekte Steueroase in der EU. Provozierte Abwanderung plus Freihandelsabkommen.