Belgische AKW sollen wieder ans Netz: Die Risikoforscherin rät ab

Belgiens Regierung will zwei wegen Rissen im Reaktorkern vom Netz genomme Meiler wieder in Betrieb nehmen. Eine Werkstoff-Expertin warnt nachdrücklich.

Laut der Werkstoff-Expertin Ilse Tweer bleiben zahlreiche Fragen zur Sicherheit der Reaktoren offen (hier in Doel nahe Antwerpen). Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Die belgische Regierung will die beiden vorübergehend abgeschalteten Reaktoren der Atomkraftwerke Doel und Tihange voraussichtlich wieder ans Netz nehmen. Eine Studie der Grünen im Europäischen Parlament verweist unterdessen auf eindeutige Sicherheitsmängel.

„Die Wiederinbetriebnahme der beiden Reaktoren muss als riskant eingestuft werden. Ein Abfall des Reaktordrucks kann nicht ausgeschlossen werden und hätte katastrophale Konsequenzen – gerade in den besonders dicht bevölkerten Regionen um Antwerpen und Lüttich“, schreibt die unabhängige Wertstoff-Expertin Ilse Tweer, die jahrelang als Gutachterin für das Institut für Risikoforschung der Universität Wien gearbeitet hat.

Ihre Studie wird am Donnerstagvormittag im Europäischen Parlament in Brüssel vorgestellt. Die beiden belgischen Reaktoren wurden im August des vergangenen Jahres vorübergehend abgeschaltet, nachdem mehrere Millimeter große Risse in den Reaktorbehältern entdeckt worden waren.

Belgische Expertengruppen haben die Atomkraftwerke in den vergangenen Wochen untersucht und sind laut der belgischen Tagesezeitung Le Soir zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schäden keine Gefahr für eine Wiederinbetriebnahme darstellen. Außerdem seien die Risse nicht durch den Betrieb entstanden, sondern hätten ihren Ursprung bereits in der Herstellungsphase der Reaktorbehälter in den siebziger Jahren. Die Behälter wurden von einer niederländischen Firma gebaut, die mittlerweile Pleite gegangen ist.

Unzulängliche Kontrolle

Ganz anders liest sich der Bericht von Ilse Tweer: „Dass die Risse ihren Ursprung in der Herstellung haben, kann ich nicht bestätigen. Schließlich wurden keinerlei Mängel bei den Tests nach der Herstellung festgestellt, wohl aber 30 Jahre später. Der Ursprung ist noch immer ungewiss.“

Außerdem bleiben – so die Wertstoffexpertin – auch nach den Berichten der Experten zahlreiche Fragen zur Sicherheit der Reaktoren offen und der Betreiber Electrabel habe auch in der Vergangenheit die Reaktoren nur unzulänglich kontrolliert.

Für die belgische Regierung hängt von der Entscheidung, die beiden Reaktoren wieder in Betrieb zu nehmen oder nicht, einiges ab. Jeder Monat, den die Reaktoren stillstehen, kostet den Betreiber Electrabel, eine Tochterfirma des französischen Energiekonzerns GDF Suez, rund 23 Millionen Euro. Der Druck des Konzerns auf die Belgier, die Reaktoren so schnell wie möglich wieder anzuschalten, dürfte entsprechend groß sein.

Außerdem hängt die belgische Stromversorgung entscheidend von den Atomkraftwerken ab. Insgesamt produzieren sie mehr als die Hälfte des belgischen Stroms. Die Abschaltung der beiden Reaktoren würde die Planungen zur Stromversorgung des Landes ordentlich durcheinander bringen.

Noch stehen zwei weitere von der belgischen Regierung angeforderte Expertenberichte aus. Im Laufe der nächsten Wochen hat die Regierung in Brüssel mehrere Sitzungen anberaumt, um dann endgültig über das Schicksal der beiden Reaktoren zu entscheiden. Frühestens im Februar könnten diese wieder ans Netz gehen.

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