Beleidigung im Vorbeigehen: Persönlich genommen
Ein Bewohner der Hafenstraßen in Hamburg wird zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er „Dreckspack“ zu PolizistInnen sagte
![](https://taz.de/picture/1588976/14/ACAB.jpeg)
Jonny S. gab vor Gericht an, er habe mit der Äußerung nicht genau die beiden PolizistInnen gemeint, die ihm an einem Sonntagmittag beim Verlassen seiner Wohnung entgegengekommen waren. Vielmehr habe er seinem Unmut über das Vorgehen der Hamburger Polizei Luft machen wollen: Seitdem diese die Hafenstraße als Schwerpunkteinsatzgebiet behandele, sei er dort mit permanenter Polizeipräsenz, rassistischen Kontrollen und Repression konfrontiert.
Das südliche St. Pauli rund um die Hafenstraße gilt als Gefahrengebiet – obgleich das Gesetz seit Mai 2015 als verfassungswidrig gilt, werden auf dessen Grundlage regelmäßig Personen ohne konkreten Anlass kontrolliert. Besonders im Fokus stehen dabei afrikanische Geflüchtete, die verdächtigt werden, mit geringen Mengen Marihuana zu handeln – aber auch alteingesessene AnwohnerInnen, die sich an der massiven Polizeipräsenz stören und ein Ende der rassistischen Kontrollen fordern.
„Das Handeln der Polizei täglich mit anzusehen, belastet mich stark“, sagte S. vor Gericht. Die Aussage „Dreckspack“ sei daher als allgemeine Unmutsbekundung im Rahmen der Meinungsfreiheit gegen die Hamburger Polizei zu verstehen, führte er aus.
Eine der beiden betroffenen PolizistInnen sagte vor Gericht als Zeugin aus und argumentierte, sie habe sich persönlich beleidigt gefühlt. Der Unmut aus der linken Szene gegen den Schwerpunkteinsatz der Polizei am Hafen sei ja bekannt, sagte sie. Da nur sie und ihr ebenso betroffener Kollege in dem Moment zugegen waren, als S. im Vorbeigehen „Dreckspack“ sagte, müsse sie die Beleidigung auf sich beziehen.
Das Urteil kam weder für S., noch für die zahlreichen BesucherInnen im Gerichtssaal, die sich mit dem Verurteilten solidarisch zeigten, überraschend. S. bezeichnete die Entscheidung der Justiz als „typischen Hamburger Weg“: Er verstehe es als „Rückendeckung der rassistischen Polizeistrategie durch die Justiz“.
Dass die Staatsanwaltschaft hier Politik mache, sieht auch Hödl so: „Dass solche Kleinstdelikte überhaupt verfolgt werden, wenn es um den Bereich Hafenstraße geht, zeigt, dass ein politisches Interesse dahintersteht.“ Dabei sei die Eskalation von der Politik selbst programmiert.
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