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Belarus und OlympiaGeld vor Solidarität

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Die Flucht von Kristina Timanowskaja bedeutet einen Imageschaden für Belarus' Diktator. Trotzdem fällt Lukaschenko weich – dank westlicher Firmen.

Die belarussische Sprinterin Kristina Timanowskaja am Flughafen in Tokio Foto: Kyodo News/dpa

A ngenommen, ein Trainer verlangt von einer Sprinterin, sie solle nicht die übliche Distanz von 100 oder 200 Metern laufen, sondern ausnahmsweise mal 400 Meter, und das auch noch bei den Olympischen Spielen, dann ist das eine Fehlentscheidung. Und er sollte sich nicht wundern, wenn sich die Sportlerin auf Instagram darüber beschwert. Normalerweise ein Fall für die Sportpresse.

Nicht so in Belarus. Dort ist Sport hohe Politik. Der Chef des Olympischen Komitees ist der Sohn des Diktators Alexander Lukaschenko, und der Staatschef persönlich hatte zu Beginn der Olympischen Spiele alle Sportler vor einem Misserfolg bei den Spielen gewarnt. Wer keine Medaille erringe, solle besser nicht wieder nach Hause kommen, hatte er in einem Wutanfall über fehlende Medaillen getönt. Pech nur für den Diktator, dass die Sprinterin Kristina Timanowskaja seinen Rat beherzigt hat und tatsächlich nicht mehr zurückgekommen ist.

Die Ereignisse um Timanowskaja sind ein Imageschaden für den Diktator. Die Sache ist noch nicht ausgestanden, und das IOC hat da noch ein paar Fragen an den Trainer von Timanowskaja. Auch der mysteriöse Tod des belarussischen Oppositionellen Witali Schischow am Dienstag in Kiew und eine lachende Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa beim Auftakt ihres Prozesses sind dem Image von Lukaschenko abträglich. Dabei könnte er gerade jetzt, kurz vor dem Jahrestag des Beginns der Demonstrationen, dem 9. August, positive Pub­licity gut gebrauchen.

Lukaschenkos zunehmende Isolation ist zwar für ihn selbst bedauerlich, aber solange Wirtschaftspartner wie Siemens Energy, Mercedes, Nestlé und andere an ihm festhalten, ist ein Weiter-so für ihn möglich.

Fast zwei Drittel aller Werbespots im belarussischen Staatsfernsehen werden von westlichen Firmen wie Nestlé, Procter & Gamble, Mars und Coca-Cola geschaltet; Siemens Energy kommt, so ein Firmensprecher gegenüber der taz, weiter seinen vertraglichen Verpflichtungen mit Belarus nach, Mercedes bedient mit Wagen der Luxusklasse Lukaschenkos Fuhrpark. Geld ist eben wichtiger als Solidarität.

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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2 Kommentare

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  • Wichtiger als Geld ist wohl eher die Unterstützung aus Moskau.

    Die paar Werbeeinnahmen machen keinen Unterschied.

  • Man sollte schauen, was die Firmen so machen und danach das Produkt kaufen bzw. meiden und möglicherweise diesen Unternehmen auch mitteilen. Wenn das viele potenzielle Käufer machen... Ich kaufe nie bei Amazon, H&M und co. Ok, einen Mercedes kann ich mir eh nicht leisten, aber auch wenn, kaufen würde ich keinen der tollen deutschen Autoindustrie! Dazu sind die mir alle zu kriminell.