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Beiträge zur Krankenversicherung steigenDie Kassen bitten zur Kasse

Ab Januar steigen die gesetzlichen Krankenkassenbeiträge auf breiter Front – mal moderat, mal erheblich. Der Arbeitgeberanteil bleibt unverändert.

Zuzahlungen, Zusatzbeiträge und Selbstmedikation: Das kann ja noch heiter werden. Foto: dpa

Berlin taz | Von Januar an müssen Millionen Versicherte weitaus mehr für ihre Krankenversicherung bezahlen als bisher. Die meisten der insgesamt 123 gesetzlichen Kassen erhöhen ihre Beitragssätze um durchschnittlich 0,2 Prozentpunkte auf dann im Mittel 15,7 Prozent vom Bruttoeinkommen. Was undramatisch klingt, trifft viele Menschen empfindlich.

Denn jede Kasse kann allein und nach ihrer Finanzlage entscheiden, um wie viel Prozentpunkte sie tatsächlich die Beiträge erhöht. Die Techniker Krankenkasse etwa teilte mit, dass ihre Beitragssätze von 15,4 auf 15,6 Prozentpunkte steigen werden; die DAK dagegen verlangt statt bisher 15,5 künftig 16,1 Prozentpunkte.

Je nach Versicherung schlägt der Beitragsanstieg bei einem Verdienst von 2.500 Euro dann mit 5 Euro (Techniker Krankenkasse, Barmer GEK) bis 25 Euro (DAK) pro Monat zu Buche. Wenn eine Kasse ihren Zusatzbeitrag erhöht, haben Versicherte jedoch ein Sonderkündigungsrecht und können unkompliziert zu einer günstigeren Versicherung wechseln.

Die Opposition und die Gewerkschaften protestieren lauthals. Der Grund: Die Erhöhungen gehen allein zu Lasten der Versicherten – in Form von Zusatzbeiträgen, die direkt vom Gehalt einbehalten werden. Der Anteil des Beitragssatzes, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils zur Hälfte bezahlen, ist dagegen gesetzlich festgeschrieben und liegt unverändert bei 14,6 Prozent. So hat es die Große Koalition zu Beginn ihrer Regierungszeit beschlossen. Alles, was darüber hinausgeht, müssen die Arbeitnehmer seither alleine schultern.

Die einen zahlen 5 Euro im Monat mehr, andere schon mal satte 25 Euro

Weil erwartet wird, dass die Beiträge 2017 erneut steigen werden, fordern Grüne, Linkspartei und DGB, aber inzwischen auch die regierenden Sozialdemokraten, die Arbeitgeber aus Gerechtigkeitsgründen, Koalitionsvertrag hin oder her, wieder stärker an den Gesundheitskosten zu beteiligen.

„Es ist ungerecht, dass die Kassensteigerungen allein von den Arbeitnehmern getragen werden“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley am ersten Weihnachtsfeiertag. Eilig mit einer Änderung hat es Barley aber offenbar nicht. „Wir werden sehen, ob wir das noch in der Großen Koalition thematisieren – aber spätestens in unserem Wahlprogramm werden wir dieses Vorhaben für die nächste Legislaturperiode aufgreifen“, sagte sie.

Sparen zulasten der Versicherten

Die Union lehnte eine Rückkehr zur Parität ab. Eine Beteiligung der Arbeitgeber an den Zusatzbeiträgen würde „den Druck senken, die Kasse zu wechseln“, sagte der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Georg Nüßlein (CDU). Gleichwohl hat die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) unlängst angekündigt, Ende Januar eine Bundesratsinitiative zur Wiederherstellung der Parität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu starten.

Die ungleiche Lastenverteilung ist nicht der einzige Punkt, der als ungerecht kritisiert wird. Die aktuelle Finanzierungslücke im Gesundheitsfonds, die viele Kassen jetzt zur Beitragserhöhung zwingt – allein im ersten Halbjahr 2015 erwirtschafteten alle Kassenarten ein Defizit von einer halben Milliarde Euro –, wäre weitaus kleiner, hätte die Regierung zuvor nicht zulasten der Beitragszahler gespart.

Die Steuerzuschüsse an den Fonds für versicherungsfremde Leistungen, wie etwa die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder, wurden zuletzt mal eben um einen satten Milliardenbetrag gekürzt. Auch das müssen nun die Versicherten mit höheren Beitragssätzen ausgleichen.

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7 Kommentare

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  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Das Problem lässt sich recht einfach lösen: Private Krankenversicherungen sofort abschaffen, eine staatliche Krankenversicherung für alle, die Beitragssätze werden wie bei der Einkommensteuer progressiv gestaffelt, außerdem einen Krankensoli einführen. Den müssen Besserverdiener, Kinderlose und Hundebesitzer bezahlen.Die Kassen werden sich ganz schnell füllen.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      "Den müssen Besserverdiener, Kinderlose und Hundebesitzer bezahlen."

       

      Was hat das denn mit Solidarität zu tun, wenn z.B. Schwule Paare, die keine Kinder adoptieren dürfen, dafür auch noch blechen sollen?

      • 8G
        86548 (Profil gelöscht)
        @Age Krüger:

        Kommentar enfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

  • Das Wichtigste wäre, auf eine gesunde Ernährung der Bevölkerung hinzuwirken. Aber dafür ist die Macht der Tierindustrie- sowie der Pharmalobby einfach zu groß.

    Und sicherlich würde auch der Wähler den Regierenden entsprechendes Engagement bei den darauffolgenden Wahlen "danken" ...

  • Wir haben bei den Verischerungsbeiträgen (wie immer kein Einnahmeproblem) sondern ein Ausgabenproblem.

    Derzeit gibt es ein Wettrennen zwischen den Ärzten und zwischen den Krankenhäusern um die Fallpauschalen der Versicherten die einhergehen mit oft unnötigen oder vorfälligen Operationen und oft den teuren Behandlungen. Gleichzeitig auch zu Lasten der Privatversicherungen und deren Beitragszahler die den oft teuer Behandlungen gar nicht widersprechen können und von den im Artikel genannten Steigerungsraten der Gesetzlichen nur träumen können! (wird an dieser Stelle leider oft vergessen).

     

    Es ist das System ansich welches auf den Prüfstand gehört. Skandinavische oder auch englische Krankenversorgung können hier je nach "politischer Neigung" gute Beispiele liefern.

    Die hier beschriebene Diskutiererei einer "Gerechtigkeit" zwischen Gewerkschaften/Versicherten/Versicherungen/Arbeitgeber um 5 Eus/mon o.ä. führt wieder mal am eigentlichen Thema vorbei.

  • Mitgehangen, mitgefangen. Wer SPD noch wählt, wählt den Totmacher Kapitalismus.

  • Nur keine Panik! Letztendlich wird der Großteil derer, die sich momentan darüber aufregen, 2017 exakt die Parteien wählen, die uns das eingebrockt haben – wir leben ja schließlich in Deutschland.