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Beistand für ukrainisches FußballteamGönnerhafte Fans

Die politische Vereinnahmung des Fußballs treibt seltsame Blüten. Warum sollte das ukrainische Team gerade jetzt die WM-Qualifikation verdient haben?

Unverdient? Oleksandr Karawaew deprimiert die verpasste WM-Qualifikation Foto: David Davies/ap

G egönnt, gerecht oder verdient. Das sind Worte, die oft fallen, wenn es um Fußball geht. Zuletzt am Sonntag, denn da spielte in der WM-Qualifikation Wales gegen die Ukraine. Den Ukrainern hätte man den Sieg „gegönnt“, lautete eine Redewendung, die sogar in die Nachrichtensprache der ZDF-„heute“-Nachrichten Einzug hielt. Andere sagten, die Ukraine haben einen Sieg „verdient“ oder „gerecht“, denn dann hätte das Land der Welt und vor allem dem Aggressor Russland zeigen können, dass es sich auch fußballerisch wehrt.

Nun mag man das Ergebnis ärgerlich finden, aber dass der ukrainische Spieler Andrij Jarmolenko einen Freistoß des Walisers Gareth Bale unglücklich ins eigene Tor köpfte, ist eine sporthistorische Tatsache. Das Eigentor, das die Nichtqualifikation der Ukraine zur WM bedeutete, war nicht unfair erzielt worden, es wurden keine anderen als fußballerische Mittel angewandt. Andersherum wird ein Fußballschuh draus: Gerade Statements wie „Wales hätte sich nicht so anstrengen müssen“ oder „Die Ukraine hätte den Sieg mehr verdient“ sind unfußballerisch, also unsportlich. Der Fußball ist kein Staat im Staate, aber eine recht autonome gesellschaftliche Macht innerhalb der Gesellschaft.

An Versuchen, den Fußball zu instrumentalisieren, hat es in der Sportgeschichte nie gemangelt. Die Nazis wollten etwa nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 die Überlegenheit ihres Regimes beweisen, in dem fünf Österreicher und sechs Deutsche aufliefen; Reichstrainer Sepp Herberger soll sich gewehrt haben und musste sich von DFB-Präsident Felix Linnemann anhören: „Der Reichsführer wünscht ein 6:5 oder 5:6! Die Geschichte erwartet das von uns!“ Die großdeutschkotzige Elf schied bei der WM 1938 früh aus.

Berühmt sind auch die Versuche in sogenannten realsozialistischen Staaten, sich den Fußball politisch zu Nutze zu machen. Der BFC Dynamo etwa wurde in der DDR-Oberliga von Stasi-Minister Erich Mielke protegiert. Dynamo dominierte lange die nationale Liga. Aber der Zweck dieser Vereinnahmung wurde verfehlt. Die Erfolge bewirkten keine Sympathieschübe, eine Loyalität fürs jeweilige System wurde nicht hergestellt. Erst und gerade, wenn sich zeigt, dass Erfolge beinahe aus sich selbst heraus gelingen, erwächst Respekt oder gar Liebe zu einem Team. Schon die leiseste Vermutung, hier habe jemand nachgeholfen, macht die Wirkung kaputt.

Die Ukraine (Staat) ist in einen Krieg gestürzt worden, den sie gewinnen oder verlieren kann. Die Ukraine (Fußballteam) hatte sich in einer Qualifikation zu bewähren, hat trotz widriger Bedingungen gut gespielt und ist dennoch letztlich gescheitert.

Die Politik des Fußballs besteht nicht im sportlichen Erfolg, der zustande gekommen wäre, weil man es den Spielern gegönnt hätte. Nein, die politische Lehre ist die, dass jederzeit ein Scheitern droht, überall, auch im Fußball.

Erfolg muss gleichwohl nicht ohne Respekt vorgetragen werden. Die walisischen Spieler gingen nach dem Spiel in Cardiff zu den etwa 2.000 Ukraine-Fans. „Wir wollten ihnen einfach unsere Wertschätzung für das zeigen, was sie als Nation durchmachen“, sagte Wales-Trainer Robert Page. Das dürfte mehr wert sein als ein geschenkter Sieg.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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