Beinahe-Katastrophe: Supermarkt bricht zusammen
Bei einem Supermarkt stürzt kurz nach Ladenschluss das Dach ein. Der Marktleiter bleibt unverletzt. Die Ursache für das Unglück in Falkensee ist unklar.
Als Rewe-Markleiter Jürgen Riechling am Dienstagabend ein lautes Donnern im vorderen Bereich des Supermarktes hörte, dachte er sich zunächst nichts dabei. Es war bereits Ladenschluss, kurz nach 22.00 Uhr, Riechling saß in seinem Büro. "Als das Donnern nicht auffhörte, dachte ich, dass seien Jugendliche, die an der Tür randalieren." Riechling will nachschauen gehen, die vermeintlichen Randalier zur Ordnung rufen. Doch als der Filialleiter die Tür seines Büros zum Supermarkt öffnet, sieht er, wie die Decke des Gebäudes zusammenstürzt.
22.20 Uhr, das rekonstruiert die Feuerwehr später, war es, als sich der Falkenseer Supermarkt in einen Trümmerhaufen verwandelt. 1.000 Quadratmeter Dachfläche sind komplett eingestürzt. In einer erster Stellungnahme vermutet die Stadt, dass die Dachbinder, die das Dach stützen sollen, gebrochen sind. Witterungsbedingte Einflüsse, wie Sturm oder Starkregen gab es nicht. Bürgermeister Heiko Müller spricht von Glück im Unglück: Der Einsturz geschah nur 20 Minuten nach Ladenschluss.
Am Tag darauf geht es an die Ursachenforschung. Seit dem Vormittag sind zwei Gutachter vor Ort, die klären sollen, wie und warum es zu dem Einsturz kam. "Möglich sind zum Beispiel ein Fehler in der Statik, Baumängel oder auch Nutzungsmängel", erklärt Müller. Er bezweifelt allerdings, das es in den nächsten Tagen oder Wochen Ergebnisse gibt. Solange werden die sieben Märkte, die zu dem gleichen Komplex gehören, wohl geschlossen bleiben. Besonders gefährdet ist laut Müller der angrenzende Aldi-Markt: Er ist exakt baugleich.
"Im Moment sehen wir das als Einzelfall an", erklärt Rewe-Sprecher Stefan Mechnig. Allerdings seien in der Tat eine Reihe an Märkten "baulich ähnlich". Bevor man über Maßnahmen bei anderen Märkten nachdenke, soll zunächst die Bilanz der Gutachter abgewartet werden. Ähnlich äußert sich Erik Nagel, Sprecher des Landkreises Havelland. Erst wenn es konkrete Ergebnisse vor Ort gebe, würde darüber entschieden, ob das Bauordnungsamt andere Hallen schließen lasse.
Mittlerweile ermittelt auch die Staatsanwaltschaft. Zu Hilfe kommen ihr dabei die Aufzeichnungen der Überwachungskameras in dem Supermarkt, die den Einsturz dokumentiert haben sollen. Außerdem soll ein junger Mitarbeiter gegen 16 Uhr ein "lautes Knacken" gehört haben.
Petra Regenberg, Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, war gegen 19 Uhr zum Einkaufen in dem Gebäude. "Die Tür hat kurz gestockt, aber ich habe mir nichts dabei gedacht", sagt sie.
Das Gebäude, in dem Regenberg am Dienstag noch einkaufen war, gleicht am Tag nach dem Unglück einem zusammengestürzten Kartenhaus. Während die vordere Fassade nur leicht nach innen gelehnt ist, offenbart sich das ganze Ausmaß bei einem Blick von oben: In der Mitte des Gebäudes ist das Dach komplett zusammen gesackt, es befindet sich jetzt einen halben Meter über dem Boden. Das Büro des Marktleiters liegt im hinteren Teil, direkt an einer Brandschutzmauer, die stehen geblieben ist und ihm so wohl das Leben gerettet hat.
"Das Dach hat sich während des Einsturzes um 180 Grad gedreht", erklärt der Einsatzleiter der Feuerwehr, Frank Christ. Die Oberseite sei jetzt zum Boden gerichtet. Auch im Laufe des gestrigen Tages habe sich das Dach weiter bewegt.
Dabei müsste das Gebäude baulich auf dem neuesten Stand sein: Der Supermarkt wurde erst vor fünf Jahren eröffnet. Das Dach besteht aus einer Holzkonstruktion, die nach Ansicht von Experten bei der Größe des Gebäudes durchaus üblich sei. Laut Architekt Bernhard Tibes gibt es bei der Konstruktion von Dächern sogar eine Art Sechs-Augen-Prinzip, das Pfusch am Bau ausschließen soll. Zur Eigenüberwachung der herstellenden Firma komme ein von der Bauaufsicht beauftragter Prüf-Statiker und meistens noch ein privater Architekt. Zuvor berechnen Statiker die Konstruktion des Gebäudes. Als Ursache will Tibes trotzdem zumindest in Betracht ziehen, dass "etwas falsch konstruiert worden ist", - möglicherweise in einer Kombination mit einer äußeren Einwirkung wie Wärme.
Der Supermarkt-Betreiber ist, wie auch die Betreiber der weiteren Geschäfte in dem Komplex, nur Mieter des Gebäudes. Verwalter ist die Herkules Grundbesitz AG mit Sitz in Hamburg. Die gibt an, dass das Gebäude jährlich einer Sichtprüfung unterzogen wird, um beispielsweise Risse frühzeitig zu erkennen. Auffälligkeiten habe es Ende vergangenen Jahres nicht gegeben, erklärt die Leiterin Kirsten Wulff. Der Besitzer, ein dänischer Immobilienfonds sei per e-Mail über den Einsturz informiert worden - der zuständige Geschäftsführer befinde sich derzeit im Urlaub.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“