Behördlicher Umgang mit Reichsbewegten: Die ständige Gefahr
Das Kreishaus Göttingen hat Ärger mit Reichsbewegten. Zuletzt führte eine dubiose Paketsendung dazu, dass rund 400 Angestellte evakuiert werden mussten.
Blümchen und Schmetterlinge: Die farbigen Motive auf dem Paket kamen der Poststelle des Kreishauses Göttingen verdächtig vor. Das ein Kilogramm schwere Paket war an den Landrat Marcel Riething (SPD) adressiert. Die Polizei wurde gerufen, an die 400 Kreishausangestellte evakuiert. Ein Spürhund hatte bei der zweiten Kontrolle angeschlagen. Der Verdacht auf Sprengstoff erhärtete sich schließlich aber nicht.
Die Absenderin sei ein Grund für die Vorsichtsmaßnahmen gewesen, auch weil sie das Paket direkt an den Landrat adressiert hatte, sagt Nina Winter, Pressesprecherin des Landkreises, der taz. Die Sendung kam von der neuen Besitzerin des ehemaligen „Kneipp-Kur-Hotels Wiesenbecker Teich“. Vor Kurzem hat Ute Kowalewski das Hotel in Bad Lauterberg erworben, eine Anhängerin des selbst proklamierten „Königreichs Deutschland“ (KRD). Der Landkreis Göttingen ist auch für das Harz-Städtchen zuständig.
Schon länger hat das Kreishaus Auseinandersetzungen und Ärger mit Reichsbewegten. Aus ehemaligen „Papier-Terroristen“, die Behörden mit langen E-Mails und überbordenden Schreiben einzuschüchtern versuchten, sind längst bewaffnete Terroristen geworden. Einzelne haben schon Menschen ermordet, weitere planten einen „Tag X“ mit einem Sturm des Reichstags oder der Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). In vielen Verwaltungen und Behörden wurden seitdem die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Sobald Post von konfliktbehafteten Absendenden eingehe, würde sie mit Vorsicht behandelt, erklärt Winter: „Wir sind sensibilisiert.“
In dem Paket befanden sich aber lediglich Aktenordner – ein kurzer Antrag auf Akteneinsicht und sehr lange Ausführungen zum „Königreich Deutschland“, sagt Winter. Mit der Post habe Kowalewski nur auf Anfragen des Landkreises antworten wollen, heißt es.
In dem blümchenverzierten Paket waren ein Antrag – und sehr lange Ausführungen zum „Königreich Deutschland“
Die Reichsbewegte könnte jedoch auch verstimmt sein: Am 30. August waren Polizei, Zoll und Landkreis gegen ihr Bauprojekt vorgegangen. Sie suchten das ehemalige Hotel auf. Bei dem Einsatz wurde überprüft, ob Schwarzarbeit vorliege und ob Bau- und Abfallauflagen eingehalten würden, sagte Winter.
Kein unbegründeter Verdacht: Denn das KRD um dem selbsternannten König Peter Fitzek akzeptiert weder die Staatsorgane noch die Rechtsordnung der Bundesrepublik. Die von engen Vertrauten Fitzeks erworbenen Schlösser und Höfe verstehen die Anhänger:innen als eigene Hoheitsgebiete. In Wittenberg hatte sich Fitzek 2012 vor 600 Anhänger*innen zum „Oberstern Souverän“ gekrönt. Bis heute unterhält Fitzek in der Lutherstadt den Hauptsitz des KRD.
In einen internen Konzept zum Aufbau von Regionalstellen heißt es, „innerhalb der Regionalstelle“ sei eine „Schulung aller Beteiligten“ geboten. „Die Schöpfungsgesetze, Peters Bücher und Seminare sind als Grundlage eines konsistenten Weltbildes und als Werkzeuge zur Bewusstseinsentwicklung und Charakterveredlung vorrangig zu nutzen“, steht dort, und weiter: Der „Regionalleiter“ soll um sich herum eine „starke und loyale Kerngruppe bilden“. Die Leitung müsse auch führen und durchsetzen. O-Ton: „Die postmoderne Vorstellung, dass ‚alle Menschen mitentscheiden müssen und nur auf die Schwarmintelligenz gehört werden muss‘, ist eine romantische und weltfremde Idee.“
Bei Fitzek erscheinen „die Juden“ als Agenten des Bösen. Keine Überraschung: Das KRD hat Kontakte zu Rechtsextremen – auch in Bad Lauterberg: Ein früherer NPD-Kader hilft auf der Baustelle. Die Radikalität der Reichsbewegten vor Ort hat der Landkreis bereits erlebt: Von den Ordnungskräften, die das frühere Hotel in Augenschein nahmen, hat das KRD Bilder, Namen und Autokennzeichen im Internet veröffentlicht.
Leser*innenkommentare
Klaus Waldhans
Warum jetzt Reichsbewegte und nicht mehr Reichsbürger? Gegendert? Hab nichts dagegen, wills nur wissen.