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Behörden sollen Gemeinnützigkeit prüfenSteuerzahlerbund angezählt

Der Verein Campact glaubt, dass sechs Landesverbände des Steuerzahlerbundes gegen die Regeln für Gemeinnützigkeit verstoßen. Das könnte teuer werden.

Gemeinnützig oder nicht? Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler in Berlin Foto: Jürgen Held/imago

BERLIN taz | Die Kampagnenorganisation Campact hat Finanzämter in sechs Bundesländern aufgefordert, die Gemeinnützigkeit der jeweiligen Landesverbände des Bundes der Steuerzahler zu prüfen. Nach Auffassung von Campact verstoßen die Landesverbände gegen die Regeln für die Gemeinnützigkeit. Allerdings geht es Campact nicht darum, dem Bund der Steuerzahler zu schaden. Vielmehr möchte die Kampagnenorganisation eine schnelle Reform des Gemeinnützigkeitsrechts erreichen und so selbst wieder gemeinnützig werden.

„Bei konservativen Vereinen halten die Finanzämter die Füße still“

Felix Kolb, Campact-Chef

Die Anerkennung als gemeinnützig ist für Organisationen wichtig, weil so Geldzuwendungen an sie steuerlich absetzbar sind, was für viele ein Motiv für eine Spende ist. Campact und das globalisierungskritische Netzwerk Attac haben die Gemeinnützigkeit nach einem Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) von 2019 verloren. Die Satzungsziele „Beeinflussung der öffentlichen Meinung und politische Willensbildung“ dürfen von Finanzämtern nicht als gemeinnützige Ziele gewertet werden, urteilte der BGH.

Die Entscheidung hat bei vielen Organisationen Unruhe ausgelöst. Viele fürchten den Verlust der Gemeinnützigkeit, wenn sie sich an Aktionen mit allgemeinpolitischem Charakter beteiligen. Noch als Finanzminister hatte Olaf Scholz (SPD) die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts zwar angekündigt, damit Organisationen politisch aktiv sein können, bislang ist aber nichts geschehen. Dabei ist das Vorhaben auch im Koalitionsvertrag der Ampel angekündigt.

Aus Sicht von Campact ist durch das BGH-Urteil eine Art Zweiklassen-Zivilgesellschaft entstanden. „Progressive Vereine verlieren infolge politischen Engagements ihre Gemeinnützigkeit“, sagte Campact-Chef Felix Kolb. „Bei politisch aktiven konservativen Vereinen wie dem Bund der Steuerzahler halten die Finanzämter die Füße still.“ Diese Ungleichbehandlung müsse die Bundesregierung abschaffen. Die Meldung an die Finanzämter sei „keine Retourkutsche“, weil Campact die Gemeinnützigkeit verloren habe, betonte er. „Wir wollen keinem Verein die Gemeinnützigkeit wegnehmen, nur weil uns diese aberkannt wurde.“

Satzungszweck „Förderung des Staatswesens“

Am Dienstag hat Campact E-Mails an Finanzämter in Rheinland-Pfalz, Hessen, Thüringen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt mit der Bitte um Prüfung der Gemeinnützigkeit gesendet. Mitgeschickt wurden ein Rechtsgutachten und eigene Rechercheergebnisse der Organisation aus öffentlichen Quellen. Die sechs betroffenen Landesverbände führen laut Campact als einzigen Satzungszweck die „allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens“ – genau wie Attac.

Der Bundesfinanzhof hatte für diesen Zweck enge Einschränkungen festgelegt. Danach muss der Versuch, die öffentliche Meinungsbildung oder politische Willensbildung zu beeinflussen, objektiv und parteipolitisch neutral sein. Außerdem dürfte nicht das Ziel verfolgt werden, eigene Standpunkte und Forderungen durchzusetzen. Dazu gehört nach Auffassung der Rich­te­r:in­nen auch eine konkrete politische Forderung wie „keine Steuererhöhungen“.

Dagegen verstoßen die Landesverbände, findet Campact. Die Organisation belegt das mit vielen Beispielen, bei denen sich der Steuerzahlerbund gegen Steuererhöhungen ausspricht. In Niedersachsen hat er sich außerdem gegen den Bau einer Fahrradbrücke zur Überquerung einer Umgehungsstraße starkgemacht. In Hessen hat er sich gegen die Kreisfreiheit der Stadt Hanau ausgesprochen. Und in Sachsen-Anhalt hat sich die Organisation dagegen gewandt, dass der geplante Neubau der Magdeburger Synagoge mit öffentlichen Mittel unterstützt wird.

Der Bund der Steuerzahler finanziert sich nach eigenen Angaben nur durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Er ist aufgrund seines „Schwarzbuches“ bekannt, in dem er die aus seiner Sicht erfolgte Verschwendung öffentlicher Mittel auflistet. Außerdem läuft an der Fassade seiner Zentrale in Berlin eine sogenannte Schuldenuhr, die die öffentliche Verschuldung misst. Wegen der Fixierung auf das Schuldenthema und der Ablehnung von Steuererhöhungen sehen Kri­ti­ke­r:in­nen eine große Nähe zur FDP.

Keine Zweifel an der Gemeinnützigkeit

Die Organisation weist die Vorwürfe von Campact zurück, gegen das BGH-Urteil zu verstoßen. „Die Kampagne eines Verbandes, dem die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, hat keine sachliche Grundlage“, heißt es in einer Stellungnahme. Es bestünden keine Zweifel an der Feststellung der Gemeinnützigkeit. „Sollte es dennoch Fragen zur Gemeinnützigkeit geben, werden diese rechtsstaatlich zwischen dem Bund der Steuerzahler und den Finanzämtern erörtert.“

Bereits im September hatte Campact den Bundesverband beim Finanzamt Berlin gemeldet. Offenbar hat es auf den Hinweis reagiert. „Im Rahmen der regelmäßig abzugebenden Steuererklärungen gab es Anforderungen von Unterlagen, die jeweils beantwortet und entsprechend eingereicht wurden“, teilte der Bundesverband der Steuerzahler auf taz-Anfrage mit.

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