piwik no script img

Behinderung der Presse in den USAWer so eine Presse hat, kann sich Militärzensur sparen

Leon Holly

Kommentar von

Leon Holly

Ja, die geplante De-Facto-Militärzensur ist eine Grenzüberschreitung. Doch zu oft gefallen sich US-Medien in einer „eingebetteten“ Rolle.

Reporter heben ihre Hände, um Vizepräsident JD Vance im Weißen Haus Fragen zu stellen, Washington, am 1. 10. 2025 Foto: Alex Brandon/ap

D as richtige Maß an Kontrolle ist absolute Kontrolle. So etwa lautet das Motto, das US-Präsident Donald Trump künftig gegenüber der Presse im Verteidigungsministerium durchsetzen will. Reporter, die Zugang zum Pentagon haben, sollen kein Wort mehr veröffentlichen, das nicht zuvor eine De-facto-Militärzensur durchlaufen hat. Gegen diese und weitere Einschränkungen der Pressefreiheit wehren sich nicht nur zentristische Sender wie NBC und CBS, sondern auch das rechte Fox News.

„Warum hat das Pentagon Angst vor der Presse?“, fragt dazu das liberale Magazin Atlantic – und das ist eine gute Frage. In Wahrheit berichten die Vertreter der etablierten Medien mit Zugang zum Verteidigungsministerium doch bereits so brav über das US-Militär, wie man sich das als Regierung nur wünschen kann.

Ein Beispiel liefert die von den neuen Regeln betroffene Atlantic-Reporterin in ihrem Text gleich selbst. Sie beklagt, dass künftig der Zugang zu Informationen wegfallen würde, an die sich die Öffentlichkeit „gewöhnt“ habe: „In welchem Ozean operiert eine US-Flugzeugträgerkampfgruppe? Hat der Minister mit seinem chinesischen Amtskollegen gesprochen? Warum verweigern die USA eine Lieferung genehmigter Waffen an die Ukraine?“ So weit, so harmlos. Solche Infos werden auch in offiziellen Mitteilungen herausgegeben, dazu braucht es eigentlich keine Journalisten. Hier zeigt sich vielmehr eine gefährliche Tendenz der eingebetteten Reporter: Sie werden schnell zu Stenografen der Mächtigen.

Eine gefährliche Tendenz: Reporter als Stenografen der Mächtigen

Dabei ist es zweifelhaft, ob sich die US-Bürger wirklich an diese Art der Berichterstattung „gewöhnt“ haben. Die sinkende Relevanz und Glaubwürdigkeit etablierter Medien deutet eher auf eine Entwöhnung hin. Viele stellen andere Fragen: Bereitet die Regierung gerade einen Krieg gegen Venezuela vor? Oder: Mit welchen Rüstungsgütern haben die USA Israels Krieg in Gaza befeuert? Schon 2005 zeigte sich die New York Times von ihrer obrigkeitshörigen Seite, als sie eine Geschichte über die massenhafte Spionage des Geheimdienstes NSA zurückhielt, nachdem die Bush-Regierung vage Sicherheitsbedenken geltend gemacht hatte. In den folgenden Jahren wurden unabhängige Portale wie Wikileaks immer wichtiger für die Veröffentlichung geheimer Informationen.

Dabei hatte die NYT schon große Momente. 1971 etwa publizierte die Zeitung die Pentagon-Papiere, die zeigten, wie mehrere US-Regierungen die eigene Bevölkerung belogen, um den Vietnamkrieg zu rechtfertigen. Der Prozess darum vor dem Obersten Gerichtshof schuf einen Präzedenzfall. Die Richter urteilten, dass die Regierung kein „prior restraint“ (Vorabzensur) etablieren darf, um die Veröffentlichung von Geheiminformationen zu verhindern.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Über genau diesen Grundsatz könnten die Richter auch die neuen Zensurbegehren abräumen, wenn die Medienhäuser jetzt klagen. Und das sollten sie tun, denn es geht um nichts Geringeres als die Pressefreiheit. Schön wäre es, wenn Journalisten häufiger von ihr Gebrauch machten.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Leon Holly
Jahrgang 1996, studierte Politik und Nordamerikastudien in Berlin und Paris. Von 2023 bis 2024 Volontär der taz Panter Stiftung. Schreibt über internationale Politik, Kultur, und was ihn sonst so interessiert.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Möglicherweise haben sich die MAGA-Strategen genau dieses Pressecorps des Pentagon ausgesucht - WEIL seine Mitglieder so gefügig und bereits daran gewohnt sind, Einschränkungen ihrer Arbeit mit dem "national security"-Argument hinzunehmen. Den MAGAs wird schon klar sein, dass sie eine "heilige" Grenze überschreiten, und da sucht man sich das gefühlt weichste Ziel aus.

    Aber der Schuss geht bisher nach hinten los. Bis auf einen obskuren Nischensender, dem immer schon egal war, was er sendete, solange es nur pro-Trump war, haben Alle ihre Sachen gepackt und ihre Akkreditierungen zurückgegeben. Also bei aller Kritik an der Gefügigkeit dieser "eingebetteten" Journalisten - dass am Ende SIE entscheiden, ob sie das Lied des Pentagon singen oder nicht, war und ist offenbar ein gemeinsamer Ankerpunkt ihrer Tätigkeit dort. Und ihr kollektiver Auszug ist ein riskantes Manöver, wenn man die Dickfelligkeit Trumps im Umgang mit unliebsamen Journalisten bedenkt: Sie haben diesmal nicht brav über einen Krieg berichtet sondern ihn erklärt.

    Das passt nicht so ganz zu dem Bild der rückgratlosen Hofberichterstatter, das dieser Kommentar zeichnet.

  • Wer sich ein Bild von der amerikanischen Medienwelt machen will, dem oder der sei das aktuellste Buch von Bernie Sanders von 2024 empfohlen. In einem umfangreichen Kapitel wird hier ein realistischer und ernüchternder Zustandsbericht über Besitzverhältnisse, Abhängigkeiten und wirtschaftlichen Interessen beschrieben, die auch die sog. "liberalen" Medien mit einschließt.