Behinderung der Presse in den USA: Wer so eine Presse hat, kann sich Militärzensur sparen
Ja, die geplante De-Facto-Militärzensur ist eine Grenzüberschreitung. Doch zu oft gefallen sich US-Medien in einer „eingebetteten“ Rolle.

D as richtige Maß an Kontrolle ist absolute Kontrolle. So etwa lautet das Motto, das US-Präsident Donald Trump künftig gegenüber der Presse im Verteidigungsministerium durchsetzen will. Reporter, die Zugang zum Pentagon haben, sollen kein Wort mehr veröffentlichen, das nicht zuvor eine De-facto-Militärzensur durchlaufen hat. Gegen diese und weitere Einschränkungen der Pressefreiheit wehren sich nicht nur zentristische Sender wie NBC und CBS, sondern auch das rechte Fox News.
„Warum hat das Pentagon Angst vor der Presse?“, fragt dazu das liberale Magazin Atlantic – und das ist eine gute Frage. In Wahrheit berichten die Vertreter der etablierten Medien mit Zugang zum Verteidigungsministerium doch bereits so brav über das US-Militär, wie man sich das als Regierung nur wünschen kann.
Ein Beispiel liefert die von den neuen Regeln betroffene Atlantic-Reporterin in ihrem Text gleich selbst. Sie beklagt, dass künftig der Zugang zu Informationen wegfallen würde, an die sich die Öffentlichkeit „gewöhnt“ habe: „In welchem Ozean operiert eine US-Flugzeugträgerkampfgruppe? Hat der Minister mit seinem chinesischen Amtskollegen gesprochen? Warum verweigern die USA eine Lieferung genehmigter Waffen an die Ukraine?“ So weit, so harmlos. Solche Infos werden auch in offiziellen Mitteilungen herausgegeben, dazu braucht es eigentlich keine Journalisten. Hier zeigt sich vielmehr eine gefährliche Tendenz der eingebetteten Reporter: Sie werden schnell zu Stenografen der Mächtigen.
Dabei ist es zweifelhaft, ob sich die US-Bürger wirklich an diese Art der Berichterstattung „gewöhnt“ haben. Die sinkende Relevanz und Glaubwürdigkeit etablierter Medien deutet eher auf eine Entwöhnung hin. Viele stellen andere Fragen: Bereitet die Regierung gerade einen Krieg gegen Venezuela vor? Oder: Mit welchen Rüstungsgütern haben die USA Israels Krieg in Gaza befeuert? Schon 2005 zeigte sich die New York Times von ihrer obrigkeitshörigen Seite, als sie eine Geschichte über die massenhafte Spionage des Geheimdienstes NSA zurückhielt, nachdem die Bush-Regierung vage Sicherheitsbedenken geltend gemacht hatte. In den folgenden Jahren wurden unabhängige Portale wie Wikileaks immer wichtiger für die Veröffentlichung geheimer Informationen.
Dabei hatte die NYT schon große Momente. 1971 etwa publizierte die Zeitung die Pentagon-Papiere, die zeigten, wie mehrere US-Regierungen die eigene Bevölkerung belogen, um den Vietnamkrieg zu rechtfertigen. Der Prozess darum vor dem Obersten Gerichtshof schuf einen Präzedenzfall. Die Richter urteilten, dass die Regierung kein „prior restraint“ (Vorabzensur) etablieren darf, um die Veröffentlichung von Geheiminformationen zu verhindern.

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Über genau diesen Grundsatz könnten die Richter auch die neuen Zensurbegehren abräumen, wenn die Medienhäuser jetzt klagen. Und das sollten sie tun, denn es geht um nichts Geringeres als die Pressefreiheit. Schön wäre es, wenn Journalisten häufiger von ihr Gebrauch machten.
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