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Begräbnis von Armita GarawandEine Beerdigung mit Festnahmen

In Iran wird die 16-Jährige unter strengen Sicherheitsmaßnahmen beigesetzt. Trotzdem rufen Trauernde Parolen und landen in Haft.

Gedenken an die Schülerin Armita Garawand, Opfer der Sittenpolizei, am Lincoln Memorial in Washington Foto: Middle East Images/imago

Berlin taz | Am Sonntag wurde Armita Garawand beerdigt. Die 16-jährige Schülerin war am 1. Oktober von einer Sittenwächterin in der Teheraner U-Bahn angegriffen worden, weil sie kein Kopftuch trug. In einem Militärkrankenhaus lag sie im Koma und wurde am 22. Oktober schließlich für hirntot erklärt. Medienberichten zufolge wurde ihren Eltern verboten, sie in ihrer Geburtsstadt Kermanshah zu beerdigen. Die Beisetzung auf dem „Behesht Zahra“-Friedhof in Teheran wurde ihnen aufgezwungen.

Um ihr Grab wurde ein Gerüst aufgestellt, um Be­su­che­r*in­nen fernzuhalten

Armita Garawand wurde unter strengen Sicherheitsmaßnahmen beigesetzt. Um ihr Grab wurde ein Gerüst aufgestellt, um Be­su­che­r*in­nen fernzuhalten, wie Videos zeigen. Die Trauernden riefen Protestparolen wie „Armita, ruh in Frieden“. Mindestens 15 Personen wurden Berichten zufolge inhaftiert. Vier sind mittlerweile wieder frei.

Einer der Festgenommenen ist Mohammed Garawand, ein Familienangehöriger der Schülerin. Ebenso wurden prominente Stimmen der Oppositionsbewegung bei der Beerdigung verhaftet. Die renommierte Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh, die sich derzeit eigentlich per Kaution im Hafturlaub befindet, wurde Berichten zufolge geschlagen und festgenommen. Aktuell soll sie sich in Untersuchungshaft befinden. Ihr Ehemann Reza Khandan bestätigte das auf der Plattform X.

Auch Manzar Zarabi wurde verhaftet; sie hatte im Jahr 2020 vier Familienangehörige beim Abschuss des ukrainischen Passagierflugzeugs PS752 durch die Revolutionsgarde der Islamischen Republik verloren und kämpft seither für Gerechtigkeit. Sie wird derzeit in der Haftanstalt Shahre Rey festgehalten.

Solidarität in Iran und International

Narges Mohammadi, die dieses Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, meldete sich am Sonntag aus dem berüchtigten Evin-Gefängnis, in dem sie aktuell inhaftiert ist, mit einem Brief zu Wort und solidarisierte sich mit Armita Garawand. „Armita Garawand, voller Lebensfreude, wurde wegen ihrer schönen Haare, die sie nicht unter dem Zwangs­hidschab verbergen wollte, an den Rand des Todes geschickt“, heißt es in diesem Brief.

Sie kritisierte, dass die Meldungen über Garawands Ermordung manipuliert wurden, und kündigte an, den Zwangs­hidschab in Gedenken an die 16-Jährige nicht mehr zu tolerieren.

Der Fall von Armita Garawand sorgt in Iran für große Empörung. Seit Wochen werden in Teheran in der Stadt Banner mit ihrem Gesicht aufgehängt, die an das Schicksal der 16-Jährigen erinnern sollen. An den Wänden wird ihr Name als Hashtag gesprüht.

Am Wochenende riefen Be­woh­ne­r*in­nen des Teheraner Stadtteils Ekbatan Protestparolen wie „Nieder mit dem Diktator“ oder „Nieder mit dem Kinder tötenden Regime“, um sich mit Garawand zu solidarisieren. Am Sonntag wurden bei Protesten in der Provinz Ilam im Westen Irans zwei Personen inhaftiert.

Auch international gibt es Protest und Kritik an Irans Regierung, auch von der deutschen Bundesregierung. Außenministerin Annalena Baerbock kommentierte auf der Plattform X: „Die Brutalität des Regimes hat ihre Zukunft geraubt.“ Ähnlich bewerteten auch Bundestagsabgeordnete den Vorfall, wie Norbert Röttgen (CDU), der im Auswärtigen Ausschuss sitzt. „Ein Regime, das sich nur mit Gewalt halten kann, hat keine Zukunft. Die Zukunft sind die jungen Frauen & Männer im Iran, die keine Angst mehr haben“, schrieb Röttgen auf X.

Ak­ti­vis­t*in­nen und Menschenrechtsorganisationen ziehen Parallelen zum Fall von Jina Mahsa Amini, die im September 2022 ebenfalls von der Sittenpolizei festgenommen und ins Koma geschlagen wurde. Ihr Tod löste landesweite Proteste unter der Parole „Frau, Leben, Freiheit“ aus.

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