Begehrte Bodenschätze am Nordpol: Shell darf Arktis ausbeuten
Die Obama-Regierung erlaubt dem Energiekonzern, in der Tschuktschensee nach Öl zu suchen. Klimaschützer halten das für heuchlerisch.
Das Gebiet liegt 113 Kilometer von dem Dorf Wainwright an der Nordwestküste Alaskas entfernt. Shell hatte zuvor bereits die Erlaubnis bekommen, in höher liegenden Schichten des „Burger J“ genannten Feldes zu bohren. Für eine abschließende Zustimmung auch für tiefere Ebenen musste der Konzern aber noch für zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen sorgen.
Energiekonzerne blicken begehrlich Richtung Nordpol, denn das Schmelzen des Polareises spielt ihnen in die Karten: Es dürfte mit steigenden Temperaturen einfacher werden, die enormen Rohstoffvorkommen zu erschließen, die Experten im Meeresboden vermuten.
Wie viel Erdöl und Gas in der Arktis schlummern, ist nicht sicher, aber eine Schätzung des Geologischen Dienstes der USA geht von rund 13 Prozent der bislang nicht erschlossenen Erdölvorkommen und rund 30 Prozent der unbekannten Gasvorkommen aus. Allein beim Öl könnten dort demnach um 90 Milliarden Barrel Öl gefördert werden.
Keine Bergung von auslaufendem Öl
Gleichzeitig haben Umweltschützer enorme Bedenken: Sie fürchten um die Auswirkungen einer Ölförderung auf das sensible Ökosystem der Arktis und wenden sich gegen die fossilen Energien, deren Verbrauch den Klimawandel antreibt und somit wiederum das Eis in der Arktis weiter schmelzen lässt.
Überdies halten sie die Gefahren eines Ölunfalls für zu hoch – in den entlegenen Gebieten der Tschuktschensee gebe es kaum Infrastruktur für die Rettungsmaßnahmen, eine Bergung ausgelaufenen Öls aus dem vereisten Wasser ist laut der Umweltorganisation Greenpeace bisher nicht möglich.
Deswegen reagierten Umweltschützer empört auf die finale Entscheidung. May Boeve, die Mitgründerin des Klimabündnisses 350.org, wirft der Regierung von Präsident Barack Obama vor, „heuchlerisch“ zu sein.
Obama hatte erst vor kurzem verschärfte Klimaschutzmaßnahmen angekündigt. Eine Reise Ende dieses Monats soll ihn nach Alaska führen, wo er sich die Folgen des Klimawandels ansehen will.
Zu einem Stopp der geplanten Bohrungen führen die Beteuerungen des Präsidenten, sich mit seiner Politik gegen den Klimawandel zu stemmen, trotzdem nicht. Shell musste jetzt nur sicherstellen, dass ein Schiff mit einem sogenannten „capping stack“ vor Ort ist. Dieses soll im Notfall ein Bohrloch schließen können. Zudem werde die Arbeit des Konzerns weiterhin rund um die Uhr überwacht, teilte Brian Salerno, Chef der US-Umweltbehörde, mit.
Unberechenbare Bedingungen
Für den Konzern geht es um viel Geld. Allein für dieses Jahr rechnete der Shell-Finanzvorstand Simon Henry im Januar mit Kosten von knapp einer Milliarde US-Dollar für die Logistik des Projekts, selbst wenn der Konzern nicht bohren könne.
Shell versuchte jetzt, die Bedenken der Umweltschützer in einem Statement zu entkräften: In dem betreffenden Gebiet sei das Risiko eines Öl-Unfalls unter anderem wegen des flachem Gewässers extrem niedrig. Sollte dennoch etwas passieren, gebe es einen ausgefeilten Rettungsplan sowie für die Arktis vorgesehenes Equipment.
Das bezweifelt die Greenpeace-Arktis-Expertin Lisa Maria Otte: Die nun vollständige Ausrüstung des Energiekonzerns „ändert nichts daran, dass man unter arktischen Bedingungen Unfälle nie unter Kontrolle bekommen kann.“
Wie unberechenbar die Bedingungen seien, zeige ein aktuelles Beispiel: So treibe derzeit nach Angaben der dänischen Marine offenbar ein Ölteppich in der Arktis vor der Ostküste Grönlands. Da aber die Wellen zu hoch seien, könne kein Schiff Proben nehmen – geschweige denn, das Öl einsammeln, sagt Otte. Wenn schon ein kleiner Ölteppich problematisch sei, frage sie sich: „Wie soll das Shell dann im großen Stil machen?“
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