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Bayerisches IntegrationsgesetzLeitkultur ist nicht das Problem

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das bayerische Integrationsgesetz wurde entschärft. Der Streit darüber war aber vor allem von symbolischer Bedeutung.

Leberkässemmel: Damit kann man leben Foto: Gregor Fischer/dpa

D er Verfassungsgerichtshof in München hat dem bayerischen Integrationsgesetz die Zähne gezogen. Eine Niederlage der CSU? Man könnte auch sagen, das meist regierungskonforme Gericht hat sich der neuen bayerischen Atmosphäre angepasst. Auch die CSU ist 2019 nicht mehr im AfD-Modus.

Wichtigste Wirkung des Urteils: Das Gesetz wird durch Auslegung entschärft. Die in der Präambel definierte bayerische „Leitkultur“ sei nur ein unverbindlicher Vorspann zum Gesetz und führe nicht zu unmittelbaren Pflichten. Auch die im Gesetz erwähnte „Integrationspflicht“ dürfe nicht als Pflicht zur Assimilation missverstanden werden.

Wenn Kindern in Kitas „zentrale Elemente der christlich-abendländischen Kultur vermittelt“ werden soll, sei damit nicht die Religion gemeint, sondern die Werte des Humanismus, der Aufklärung und der religiösen Toleranz. Damit kann man leben.

Einige Bestimmungen werden auch als Verstoß gegen die bayerische Landesverfassung gewertet, etwa dass der Rundfunk zur Vermittlung der Leitkultur verpflichtet werden sollte. Das nutzt vor allem der Opposition, die nun sagen kann, das Gesetz sei „verfassungswidrig“. Doch wie die Einführung des Gesetzes war auch der juristische Streit darum vor allem von symbolischer Bedeutung – wobei die bei Integrationsfragen natürlich wichtig ist.

„Leitkultur der Vielfalt“

Dass es überhaupt eine Leitkulturdiskussion gibt, ist dabei nicht das Problem. Hans-Jürgen Papier, der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat zu Recht festgestellt, dass wir in Deutschland eine „Leitkultur der Vielfalt“ haben. Dazu gehören vor allem die Vielfalt sichernden Garantien des Grundgesetzes wie Meinungs- und Religionsfreiheit und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Einiges davon findet sich auch im Integrationsgesetz.

Das Problem am bayerischen Gesetz war aber der Ansatz, dass MigrantInnen durch allerlei Pflichten und Gebote erst „befähigt“ werden müssten, in dieser Gesellschaft zu leben. Derartiger Paternalismus steht einer Integration tatsächlich im Weg.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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4 Kommentare

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  • &!Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - zu Tisch

    “ Bildunterschrift: " Leberkässemmel: Damit kann man leben" Damit ja, - Davon nicht.“ •

  • Na da schau her. Bayernkurier di taz - weiß-blau.

    Herr Christian Rath gibt den Herrn @Boidsen. 🥳

    kurz - Na - Schaugnmer mal - ob dess das Papier wert ist.



    Auf dem er‘s uffgeschrieve hett.



    &



    Dann - Sehgnmers scho. Gellewelle&Wollnichwoll.

    unterm—-



    Kann die Gedönsräte di taz nur mit Victor von Scheffel nur warnen:



    “…sie kamen zu tief in die Kreide…“ Gellewelle.

    & wie passend -



    “… Es starb zu derselbigen Stunde



    die ganze Saurierei,



    sie kamen zu tief in die Kreide,



    da war es natürlich vorbei.

    Und der uns hat gesungen



    dies petrefaktische Lied,



    der fand's als fossiles Albumblatt



    auf einem Koprolith.“

    & Schlimme Zeiten - Leid & Kultur

    Josef Viktor von Scheffel

    Der Ichthyosaurus

    Es rauscht in den Schachtelhalmen,



    verdächtig leuchtet das Meer,



    da schwimmt mit Tränen im Auge



    ein Ichthyosaurus daher.

    Ihn jammert der Zeiten Verderbnis,



    denn ein sehr bedenklicher Ton



    war neuerlich eingerissen



    in der Liasformation.

    »Der Plesiosaurus, der alte,



    er jubelt in Saus und Braus,



    der Pterodaktylus selber



    flog neulich betrunken nach Haus.

    Der Iguanodon, der Lümmel,



    wird frecher zu jeglicher Frist,



    schon hat er am hellen Tage



    die Ichthyosaura geküßt.

    Mir ahnt eine Weltkatastrophe,



    so kann es länger nicht gehn;



    was soll aus dem Lias noch werden,



    wenn solche Dinge geschehn?«

    So klagte der Ichthyosaurus,



    da ward es ihm kreidig zu Mut,



    sein letzter Seufzer verhallte



    im Qualmen und Zischen der Flut.

    Es starb zu derselbigen Stunde



    die ganze Saurierei,



    sie kamen zu tief in die Kreide,



    da war es natürlich vorbei.

    Und der uns hat gesungen



    dies petrefaktische Lied,



    der fand's als fossiles Albumblatt



    auf einem Koprolith.

    —- & servíce



    de.Wikisource.org/.../Der_Ichthyosaurus



    & Däh - damit sich alle ein unesoterisches Bild machen können:



    images.app.goo.gl/zdA8AfX4MCP3J9mZA

    Na Mahlzeit

  • Wie bitte? Seit wann sind denn „Humanismus, [...] Aufklärung und [...] religiöse[] Toleranz“ „zentrale Elemente der christlich-abendländischen Kultur“?

    Diese Komponenten sind nicht fundamental. Auch nicht im christlichen Abendland. Das Fundament aller menschlichen (Hoch-)Kultur sind Aggression, Autorität und Paternalismus. Humanismus, Toleranz und Aufklärung sind den „Strukturen“ (genauer: den Herrschenden) allenfalls abgerungen worden in den letzten 500 Jahren. Sie sind eher geheuchelt als verinnerlicht. Und wie das nun einmal so ist mit gewaltsam errungenen Fortschritten: Lässt der Druck nach, verflüchtigen sie sich wieder. Nicht nur in Bayern, da aber auch. Damit aber sollte eigentlich niemand „leben“ wollen. Auch nicht, wenn das zunächst erst mal bequemer ist. Ganz ohne Ehrlichkeit wird es nämlich nicht gehen. Denn ganz ohne sie gibt es nun mal kein Vertrauen. Und ohne Vertrauen bleiben Humanismus, Toleranz und Aufklärung allenfalls Deko, ein dünner Lack, der bei der kleinsten Belastung reißt und abblättert.

    • @mowgli:

      anschließe mich. Aber den tazis is mal wieder - Alles im Lack. 👹