Bayerische Provinzposse: Zur Lage der fränkischen Nation
Die Gründung der fränkischen Fußball-Nationalelf sollte eine Gaudi sein, wird dann aber zum Politikum. Jetzt gibt es gar zwei Auswahlteams.
Helmuth Weisensel erinnert sich eher belustigt an jene Tage Ende 2013, als plötzlich alles ganz groß wurde. Er selbst war es, der damals den Stein ins Rollen brachte. Weisensel, ein Fußballtrainer aus dem fränkischen Dorf Werneck, hatte im Internet von der Conifa gelesen, einer Organisation für Nationalteams, die nicht von der Fifa anerkannt sind. Da spielen Kurden, Tamilen oder Okzitanier bei inoffiziellen WMs, teilweise vor Tausenden von Zuschauern. Weisensel fand die Idee sofort faszinierend. „Ich dachte mir: Da müssen die Franken auch dabei sein.“ Die Leute, sagt er, hätten das oft nicht verstanden: „Aber die Franken seien doch gar keine Nation?“
Dabei, sagt Weisensel heute, habe er das mit der Nationalelf gar nicht so ernst gemeint, und politisch schon gar nicht. „Das war einfach eine spinnerte Idee. Fränkische Nationalelf, der Name war ein Marketing-Gag.“ Er findet das einen netten Gaudi für Jungs aus der Regionalliga oder Landesliga, die könnten tolle internationale Spiele machen und nebenbei für einen guten Zweck antreten. Ist er naiv oder ist der Name kluge PR? Vielleicht beides. Der Name „Fränkische Nationalelf“ jedenfalls schlägt ein wie eine Bombe.
Wer heute vom kuriosen Weg hört, den die fränkische Nationalelf in zwei Jahren genommen hat, bleibt immer wieder an jenem Medienhype in der Anfangszeit hängen. Die Nationalelf-Diskussion ist Fluch und Segen zugleich: Die beste Werbung, die sie sich wünschen können, und gleichzeitig eine Erschwernis bei der Umsetzung.
Bizarrer Machtkampf
Auf Weisensels Bitte um Erlaubnis antwortet der Bayerische Fußball-Verband (BFV) ziemlich nachdrücklich: Nein. „Der BFV hat das Projekt von Anfang an massiv bekämpft“, sagt Weisensel. Und das liege, wird ihm bald klar, unter anderem am Namen. „Wenn ich die Elf anders genannt hätte, hätte der Verband wahrscheinlich weniger aggressiv reagiert.“ Offenbar sieht sich der mächtige BFV bedroht; von separatistischen Franken, mindestens. Und es entspinnt sich ein bizarrer Machtkampf.
Beim Bayerischen Fußball-Verband ist man heute nicht mehr besonders erpicht darauf, über das zu reden, was in jenem Winter 2013/14 geschah. „Das Thema ist für den BFV nicht mehr relevant“, teilt Pressesprecher Patrik Domanski mit. Sie bemühen sich um diplomatischen Ton. „Der BFV hat nichts dagegen, dass gespielt wird“, so Domanski. „Es muss nur innerhalb der gültigen Statuten geschehen.“
Laut Statuten dürfen Auswahlspiele mit Fußballern verschiedener Mannschaften nur unter dem Dach des BFV oder DFB durchgeführt werden. Und eben nicht in Eigenregie bei der Conifa, zumindest nicht, wenn Mitglieder des BFV teilnehmen, der ja über den DFB Mitglied in der Konkurrenz-Organisation Fifa sei. Mit Helgoland ist indes ein anderes deutsches Team ohne Probleme im Conifa-Kreis aktiv. Offenbar gelten je nach Bedarf andere Statuten. Auf Nachfrage äußern sich BFV und DFB dazu nicht.
In jenem Jahr 2014 werden die Franken nur ein einziges Spiel absolvieren: Am 29. Mai mit einer gerupften Altherren-Elf vor rund 80 Zuschauern gegen Raetien. Martin Driller, der Ex-Profi vom 1. FC Nürnberg ist unter anderem dabei. Mit der ursprünglichen Idee hat das Spiel nicht mehr viel zu tun, um Fußball geht es nur noch am Rande. Seltsamerweise nämlich will dem Team, das jetzt nur noch Frankenelf heißt, kein Verein mehr seinen Rasen zur Verfügung stellen; Spieler, die zugesagt hatten, springen ab.
Zwist unter Franken
BFV-Präsident Rainer Koch, der derzeitige Interimspäsident des DFB, habe den Vereinen gedroht, heißt es aus dem Umfeld der Frankenelf. Der BFV teilt mit, von Drohung könne keine Rede sein. Man habe lediglich darauf hingewiesen, „dass die Teilnahme an einem Spiel für Mitglieder des BFV strikt untersagt ist, sportgerichtlich verfolgt und bestraft werden kann.“
Zu diesem Zeitpunkt verlaufen die Fronten allerdings längst nicht mehr nur zwischen den Franken und dem BFV. Auch innerhalb der Frankenelf hat sich der Ton verschärft. Im Zentrum des Konflikts: Weisensel und Rudolf Schiebel. Schiebel, ebenfalls Franke, ebenfalls fußballbegeistert, springt in jenem Winter des Medienhypes auf den Zug der Frankenelf auf.
Sie wollen gemeinsam für die Frankenelf kämpfen, zumindest am Anfang, so sagt es Weisensel. Doch schnell habe es Streit gegeben. „Das fing mit einfachen Dingen an, etwa der Unterbringung der Gastmannschaften, und ging dann weiter zum Namen des Teams oder Sponsoring.“ Vor allem über die Sponsoren reiben sich die Franken auf. Schiebel habe die Elf so schnell wie möglich bei der Conifa melden wollen, sagt Weisensel. „Aber ich habe ihm immer gesagt, wir brauchen erst Sponsoren, um im Ausland antreten zu können.“
Gern hätte man hierzu die Position von Rudolf Schiebel erfahren. Der jedoch möchte seine Aussagen nur autorisieren, wenn der Artikel inhaltlich seinen Wünschen entspricht. Schließlich zieht er alle Aussagen zurück. Wer die Finanzierung verbockt hat, ist im Nachhinein ohnehin kaum nachvollziehbar. Die Konsequenz aber ist eindeutig: Den Franken fehlt es an Geld.
Erstaunliche Wende
Der leutselige Weisensel ist vom Verhalten des BFV bitter enttäuscht: „Ich wollte immer mit dem BFV zusammenarbeiten.“ Er habe ein ambitioniertes Fußballprojekt gewollt, keinen Konfrontation. Schiebel dagegen blüht im Kampf gegen den BFV erst richtig auf. Mit einer Altherren-Elf will er dem Verband ein Schnippchen schlagen. Weisensel dagegen sagt. „Das war sportlich für mich nicht interessant.“ Schiebel hat jedoch das Sagen, so dass er sich zurückzieht. Beim Spiel im Mai ist Schiebel alleiniger Organisator der Frankenelf.
Der Konflikt unter den Franken wiederum kommt dem BFV gerade gelegen. Das Theater um das Raetien-Spiel im Mai 2014 ist für den Verband peinlich; auch der monatelange Rechtsstreit, den der BFV anschließend mit Rudolf Schiebel führt, ist nicht gerade förderlich fürs Image. Und so schwenkt der Bayerische Fußball-Verband um, findet die Frankenelf-Idee plötzlich ganz gut.
Im August 2014 ruft der BFV bei Helmuth Weisensel an: Man wolle jetzt doch eine Frankenauswahl ermöglichen, Weisensel soll sie trainieren. Einzige Bedingung laut Weisensel: Sie dürfe nicht Fränkische Nationalelf heißen. BFV-Pressesprecher Domanski sagt, man habe eine „für alle Beteiligten attraktive und statutenkonforme Lösung“ finden wollen. Es sei der Druck der Medien gewesen, der den Verband umstimmte, mutmaßt Weisensel. Bei ihm muss der BFV keine Mauern einreißen: Helmuth Weisensel ist froh, dass überhaupt noch etwas aus der Sache wird.
Und damit scheint Weisensel auch für andere wieder interessant zu werden. Wenige Tage nach dem Telefonat mit dem BFV bekommt er noch einen Anruf: Es ist Ex-Kompagnon und Ex-Kontrahent Rudolf Schiebel, der plötzlich auch mit Weisensel wieder zusammenarbeiten möchte. Welche Zukunftsaussichten die Elf von Schiebel hat, kann Weisensel sich ausmalen. Denn Schiebel steht mittlerweile allein auf weiter Flur: Das Interesse der Medien ist eingeschlafen, für Spiele im Ausland fehlt das Geld. Weisensel sagt dankend ab. Er wird Trainer der neuen Frankenauswahl von Gnaden des BFV.
Und so kommt es, dass die Franken, die erst kein Auswahlteam haben sollten, derzeit zwei haben. Weisensels Team, das jetzt Frankenauswahl heißt, wird wohl alle zwei Jahre antreten, beim BFV-Regionen-Cup, der zu diesem Zweck geschaffen wurde. Im Juni 2015 haben sie debütiert und den dritten Platz geholt, eine ambitionierte Amateurelf, Weisensel findet die Sache klasse. Natürlich, mit Reisen nach Kurdistan oder Abchasien hat das nicht mehr viel zu tun, aber er ist „mit dem Ausgang zufrieden“. Rudolf Schiebel indes hat im September 2015 noch ein Spiel mit seiner Frankenelf bestritten. Der BFV prüft mal wieder den Vorgang.
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