Bayerische Momente der Fußball-EM: Vom alten Schlag
Ausgerechnet in der aalglatten Uefa-Welt trifft man auf indigene Münchner. Ihr Mundwerk ist einzigartig und ihr Dialekt wunderschön.
O b es überhaupt noch echte Münchner gibt, ist eine viel gestellte Frage in der bayerischen Landeshauptstadt. Rund um den Marienplatz oder in den Schwabinger und Haidhauser Cafés, die so eingerichtet sind, dass sich vor allem junge Männer mit langen Bärten wohlfühlen, sind sie kaum zu finden. Manchmal laufen einem Frauen im Dirndl über den Weg.
Meist sind das Bedienungen, die auf dem Weg zu ihrer Schicht im Wirtshaus sind, in dem sie arbeiten und dabei so tun müssen, als sei es normal, für eine Halbe Bier an die 6 Euro zu verlangen. Das sind die echten Münchnerinnen von heute, die fast alle irgendeine Migrationsgeschichte haben, die man ihnen mal mehr, mal weniger und meistens gar nicht anhört.
Die sind aber nicht gemeint, wenn nach den echten Münchnern gefragt wird. Gemeint sind die Indigenen, deren Stamm seit Generationen in der Stadt lebt, die ein breites Bairisch reden, das die Zugezogenen mit den Bärten manchmal drollig finden und manchmal einfach nicht verstehen. Sie wohnen heutzutage meistens am Rand der Stadt, wo die Häuser schmucklos, rechtwinkliger und meist höher sind als im Zentrum. Wenn man aus dem Zentrum rausfährt, dahin, wo das EM-Stadion steht, führt einen der Weg vorbei an solchen Siedlungen, wo sich die letzten Indigenen den raren erschwinglichen Wohnraum der Stadt mit den Migramünchnern teilen.
Und so kommt es, dass ausgerechnet in der aalglatten und seelenlosen Uefa-Welt jene Indigenen anzutreffen sind, deren Charme so eigen ist, dass viele ihn nicht erkennen. Ich wurde jedenfalls in tiefstem Bairisch begrüßt, als ich an den Containern angekommen bin, in denen die Uefa die Akkreditierungen für das Turnier ausgibt.
Hoit!
„Hoit! Wos mechat er etzad do?“, bin ich von einem Mann in seinen besten Jahren, mit einer stattlichen Wampe, angebrüllt worden. „Moment! Was haben Sie denn hier verloren?“, wäre wohl eine adäquate Übersetzung für das, was mir der Mann zugerufen hat. „Do nei mechat i“, habe ich gesagt und versucht, so Bairisch zu sprechen, wie es mir nach 25 Jahren Exil in Berlin noch möglich ist. „Nachad geh hoit!“, war die Antwort des Stewarts.
Andere kamen nicht ganz so gut zurecht mit dem Mann, dessen Job eigentlich nur darin bestand, mit dem Finger auf eine Tür zu zeigen. Eine Schar dünner Französlein traute sich gar nicht an ihm vorbei. Sollten sie auch nicht. Denn ihnen war beschieden worden zu warten. „Da Franzos kimmt eh glei“, hatte der Fingerzeiger gesagt. In der Tat schlich kurz darauf ein EM-Freiwilliger um die Ecke, der sich mit einem freundlichen „Bonjour“ um die EM-Gäste aus Frankreich kümmerte.
Weil ich noch zwei Stunden warten musste, bis die Uefa mir meine Zutrittsberechtigung zur EM-Welt ausgehändigt hat, lungerte ich noch eine Weile vor dem Akkreditierungszentrum herum. Ich konnte mich schier nicht satthören. Ob es noch echte Münchner gibt? Ja, kann ich jetzt sagen, draußen bei der EM, da kannst du welche finden. Ausgerechnet.
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