Bauteile für Russland: Verdacht auf Sanktionsverstoß

Der Westen will Russlands Kriegswirtschaft isolieren. Offenbar lieferte eine deutsche Firma trotz Verbots Elektronikbauteile nach Russland.

Eine Lagerhalle hinter einem Zaun

Die Zentrale der Smart Impex GmbH in Kerpen Foto: Christoph Hardt/imago

BERLIN taz | Trotz Sanktionen kommen Bauteile aus dem Westen nach Russland, die von Moskaus Waffenindustrie genutzt werden können. Zolldaten sollen nach Recherchen des ARD-Magazins „Monitor“ zeigen, wie eine Firma mit Sitz in Kerpen bei Köln Computerteile über die Türkei nach Russland verschifft hat. Die Kölner Staatsanwaltschaft durchsuchte am Mittwochmorgen an mehreren Orten Geschäfts- und Privaträume. Sie ermittelt, ob es sich um einen Sanktionsverstoß handelt.

Schon seit Kriegsbeginn im vergangenen Jahr sind Sanktionen gegen Russland in Kraft. Die EU und die USA hatten bereits wenige Tage nach Kriegsbeginn die Lieferung von Mikrochips und Halbleitern verboten. Insgesamt neun Sanktionspakete beschloss die EU seitdem. Erst kürzlich hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weitere EU-Sanktionen angekündigt. Dabei sollen bestehende Lieferbeschränkungen nach Russland verschärft und Schlupflöcher geschlossen werden.

Eines der Schlupflöcher entdeckte offenbar die Firma Smart Impex GmbH, die elek­tro­nische Bauteile nach Russland verkauft. Vor Kriegsbeginn hatte die Firma aus Deutschland Elektronikkomponenten direkt nach Russland verkauft. Der Export wurde kurz vor der russischen Invasion in die Ukraine gestoppt.

Nach den Recherchen von „Monitor“ sollen die Waren der Firma aber trotzdem Russland erreicht haben – über die Türkei. Das sollen Zolldaten belegen. In ihnen ist ab März 2022 eine Firma mit Sitz in der Türkei aufgetaucht, die eine Woche später Computerteile nach Russland geliefert haben soll. Es handelt sich dabei um die Firma AZU International, deren Mitgründer der Geschäftsführer der Smart Impex bei Köln ist.

Über die Türkei soll das Unternehmen so Russland weiter mit Bauteilen versorgt haben, die zum Beispiel für Computer, aber auch von der Kriegswirtschaft gebraucht werden können. Die Firma soll seit Kriegsbeginn Waren im Wert von 20 Mil­lio­nen US-Dollar in der Türkei an Russland verkauft haben.

Kein Einzelfall

Die Exportdaten der Türkei nach Russland sollen außerdem zeigen: Smart Impex ist kein Einzelfall. Laut „Monitor“ sollen im Jahr 2021 Halbleiter und elektronische Schaltkreise im Wert von 300.000 US-Dollar aus der Türkei nach Russland geliefert worden sein. 2022 seien die Exporte dann auf einen Warenwert von 86 Millionen US-Dollar gestiegen.

Auch in anderen Ländern sollen Umschlagplätze für sanktionierte Waren entstanden sein. Die Zeit berichtete, dass die Einfuhren für Prozessoren und Halbleitern von 1,8 Mil­liar­den Euro vor dem Krieg auf 2,45 Milliarden im Jahr 2022 gestiegen sind.

Laut Experten sind die Komponenten wichtig für das russische Militär. Sie sollen sich beispielsweise in Raketen befinden, die in der Ukrai­ne eingeschlagen sind. Mitarbeiter des auf Sicherheit und Verteidigung spezialisierten britischen Thinktanks Rusi fanden in der Ukrai­ne Bauteile aus westlicher Produktion.

Um von einer systematischen Umgehung der Sanktionen zu sprechen, müsse man de­taillierter herausfinden, wer von was wusste, sagte die Sanktionsrechtsexpertin Bärbel Sachs der taz. Zuständig seien die Ermittlungsbehörden des Zolls und der Staatsanwaltschaft. Es gebe wohl kein Versagen staatlicher Stellen, „diese Umgehungskonstellationen über Drittländer sind wesentlich schwieriger nachzuverfolgen als direkte Exporte nach Russland“, so Sachs.

Gegenüber „Monitor“ schrieb das Unternehmen Smart Impex, dass die Vorwürfe geprüft würden. In der Antwort heißt es, dass die exportierten Güter nicht von den Sanktionen betroffen gewesen sein sollen. Nach Recherchen von Reuters im Dezember hat der Mitgründer von AZU International in der Türkei bereits im November seine Anteile verkauft.

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