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Baumwollprodukte unter der LupeGlyphosat durch alle Körperöffnungen

Ist Glyphosat krebserrgend? Diese Mutmaßung beunruhigt Verbraucher. Das Pestizid lauert aber nicht nur in unseren Nahrungsmitteln.

Eine Baumwollpflanze in Indien Foto: ap

Berlin taz | Es begann mit einem Zufall. Eigentlich wollte die Forschergruppe EMISA (Multidisziplinärer Raum für ökologische Interaktion) von der argentinischen Univerität La Plata, mit Hilfe von sogenannten Gazen – das sind Baumwollgewebe – den Glyphosatgehalt in der Luft messen. Doch es kam anders. Die Baumwollgewebe, die als steril gelten, enthielten bereits Glyphosat. So, wie man sie aus dem Umschlag nahm. Die Forscher glaubten zuerst an einen Fehler, kamen aber bei wiederholten Versuchen immer wieder zum selben Ergebnis.

EMISA durchforstete daraufhin zahlreiche Supermärkte und Apotheken nach Baumwollprodukten aller Marken. Wattestäbchen, Tampons, Binden, Wattepads, Pflaster, Verbandsmaterial. Bei der Untersuchung bestätigte sich ihr Verdacht: „85% der untersuchten Produkte waren Glyphosat-positiv, und 62% enthielten den Abbaustoff AMPA (Aminomethylphosphorische Säure)“, berichtet Dr. Damián Marino, der Leiter des Forschungsprojektes.

Die meisten Baumwollpflanzen in Argentinien sind genmodifiziert und werden sogar während ihres Wachstums, bei geöffneten Knospen, mit großen Mengen Glyphosat besprüht. Professor Javier Souza Casadinho, Agrarwissenschaftler der Universität Buenos Aires findet das Ergebnis daher nicht überraschend. „Natürlich haben wir das schon lange vermutet. Aber nun konnte Glyphosat erstmals wissenschaftlich in der Baumwolle nachgewiesen werden“, hebt er hervor.

Alarmierend ist der Befund für einige Forscher trotzdem. Während in Deutschland über die mutmaßlich krebserregende Wirkung des Glyphosats debattiert wird, besteht für viele argentinische Forscher längst kein Zweifel mehr darüber. Der Arzt und Professor Medardo Ávila Vázquez von der Universität Córdoba hat seit Jahren mit Missbildungen bei Neugeborenen zu tun, die vermehrt in ländlichen Regionen Argentiniens auftreten: Dort, wo Glyphosat von Flugzeugen über ganze Landstriche gesprüht wird.

Die neue Studie der EMISA verfolgt der Arzt mit Besorgnis. „Wir haben die Gefahr des Glyphosats bisher vor allem in Nahrungsmitteln gesucht“, äußert er gegenüber der taz. „Dass Baumwollprodukte, die wir sogar im Krankenhaus benutzen, von einem krebserregenden Stoff kontaminiert sind, ist zum Verzweifeln“, findet er. Glyphosat sei „Gift“. Professor Souza Casadinha teilt die Bedenken über den Stoff. „Keine noch so kleine Dosis dürfte zulässig sein“, bekräftigt er.

Harmlose Mengen an Glyphosat?

Es ist anzunehmen, dass auch deutsche Kosmetikprodukte betroffen sind: die genmodifizierte Baumwolle wird hauptsächlich aus Indien importiert, wo sie ebenfalls literweise mit Glyphosat behandelt wird.

Das als industrienah geltende Bundesinstitut für Risikobewertung weiß um die neuen Erkenntnisse der EMISA und sieht dennoch keinen Grund zur Aufregung. Die Menge Glyphosat, die in der Baumwolle gefunden wurde, sei weit unter der gesundheitsgefährdenden Dosis, hieß es in einer Erklärung an die taz. Das stimmt, wenn man annimmt, dass Glyphosat nicht krebserregend ist. Falls es das doch sein sollte – wie etwa die IARC vermutet – stellt sich die Frage nach der Dosis allerdings gar nicht erst. Nach deutschem Recht muss ein krebserregender Stoff in jeglicher Menge schlichtweg verboten werden.

Frage der Dosis nicht angebracht

Die Veterinärmedizinerin Prof. Dr. Monika Krüger der Universität Leipzig vermutet außerdem, dass Glyphosat in Kosmetikprodukten unter anderen Bedingungen in den Körper aufgenommen werde als gewöhnlich. Die Haut sei in den meisten Fällen zwar eine Barriere für das Glyphosat. „Wundmaterial, Tupfer und Tampons haben aber sicher eine andere Wirkung, da Wunden und Schleimhaut damit konfrontiert werden“, vermutet sie gegenüber der taz. Es gäbe dazu allerdings noch keine Untersuchungen, auf die man sich stützen könne. Ob und in welchen Mengen der Stoff von der Baumwolle auf oder gar durch die Haut dringen kann, sind nur Vermutungen.

Dr. Avila Vazquez rät angesichts dieser Unklarheiten von jeglicher Benutzung der Baumwollprodukte ab. „Innerhalb des Körpers ist eine höhere Temperatur und mehr Feuchtigkeit. Der Gebärmutterhals, dem die Tampons sehr nahe kommen, ist für Krebs besonders anfällig ist“, erläutert er gegenüber der taz. Die Frage der Dosis sei daher nicht angebracht. Dass ein krebserregender Stoff überhaupt in den Körper eingeführt würde, sei „kriminell“.

Sollte Glyphosat tatsächlich krebserregend sein, wäre es mit einem bloßen Verbot des Pestizids also nicht getan. Dann müsste eine gesundheitspolitische Debatte geführt werden, um Alternativen für diverse Kosmetikprodukte aus Baumwolle zu finden – etwa Biobaumwollprodukte. Die sogenannte Menstruationstasse, ein wiederverwendbarer Silikonbehälter, der statt Tampons bei der Regelutung benutzt werden kann, dürfte dabei auch ins Gespräch kommen.

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7 Kommentare

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  • Welche Konzentrationen an Glyphosat wurden eigentlich gefunden? Der größte Teil der LeserInnen kann damit zwar nichts anfangen aber für einige Menschen mit naturwissenschaftlichen Hintergrund wäre das hilfreich.

  • Ach du Schande. Dass ist ja "toll", dass wir chemikalienverseuchte Tampons verkauft bekommen, die wir uns in den Körper stecken. Gibt es da bereits mehr Forschung zu?

     

    Es müsste doch dann, ähnlich wie bei dem Baustoff Asbest, Krankheitsfälle entschädigbar durch die Industrie machen. Am besten wäre natürlich, keiner wird krank, aber dann würden die Schuldigen mal zur Rechenschaft gezogen!!!

  • Ein Vergleich mit Argentinien, der keinen Sinn macht, da die Vorschriften für die Ausbringung in der EU ganz andere sind. Zum einen. "Literweise mit Glyphosat behandelt" - wie viel Liter auf wie viel Baumwolle? Eine Professorin, die nur Vermutungen anstellt. Und damit Sorgen von Menschen um ihre Gesundheit schürrt. Da lob ich mir die BfR. Das sitzen wenigstens richtige Wissenschaftler. Dieser Beitrag ist übler Alarmismus. Mehr nicht.

    • @HauDieLandwirtschaft:

      In der EU wird aber keine Baumwolle angebaut...



      So lange sich Glyphosat in Baumwollprodukten findet, wird eindeutig zu viel Ausgebracht.



      Der deutsche Sachkundenachweis ist m. M. Nach nix anderes als eine Produktschulung durch die Hersteller. Dass sich feinste Tröpfchen an Staubpartikel binden und diese Aerosole von uns eingeatmet werden, wird nicht gelehrt.

  • Zur Info: Die IARC legt nicht rechtsverbindlich fest, welche Substanzen krebserregend sind. Dies machen in der EU die Mitgliedstaaten.

     

    Wenn IARC-Einstufungen Rechtskraft hätten, dann gäbe es keine Zigaretten, keine alkoholischen Getränke, keine Wurst ... kein Glyphosat ... keine Schichtarbeit. Die Punkte stehen für viele andere Dinge, die laut IARC krebserzeugend sind.

    • @Gesunder Menschenverstand:

      "...keine Zigaretten, keine alkoholischen Getränke, keine Wurst ... kein Glyphosat ... keine Schichtarbeit."

       

      Klingt nicht so übel. Da wären viele Problemen nachhaltig gelöst.

    • @Gesunder Menschenverstand:

      Bei Zigaretten, Alkohol und Wurst haben die (iarc) ja durchaus Recht. Bei Zigaretten steht es auf der Verpackung, bei Alkohol ist es allgemein bekannt, dass dieser nicht gesundheitsfördernd ist, bei derWurst ist die Debatte grade im Laufen. Und bei Glyphosat wird es abgestritten.

      Ich finde es nicht problematisch, dass krebserzeugende Produkte käuflich erwerblich sind, das Problem ist nur wenn diese Stoffe wie Glyphosat in massen genutzt werden, und dann behauptet wird sie seien unbedenklich.

      Glyphosat ist eine der meistverwendeten Agrarchemikalien und wird teilweise mehrfach jahrlich auf Flächen ausgebracht, was zu einer Belastung des Grundwassers führt. Und Genauso bedenklich finde ich es dieses Gift auf fast reifen Getreide auszubringen, um ein gleichmäßiges "abreifen" zu erreichen.

      Die DB spritzt Glyphosat entlang der Gleise und klein Gärtner*innen benutzen das Mittelchen (häufig nach der Regel: Viel hilft viel).

      Die herbizide Wirkung mag für die Agrarindustrie sehr praktisch sein, so ersetzt sie ein gescheites Beikrautmanagement was die letzten 400 Generationen allerdings auch gut ohne Glyphosat geklappt hat...

      Doch wirklich nutzen tut es in erster linie der Chemie Industrie.