piwik no script img

Bauen auf der WieseInteressen drängen aufs Feld

Die Bürgerinitiative hat bereits 18.500 Unterschriften für ein unbebautes Tempelhofer Feld gesammelt. Wowereit hält dennoch an Wohnquartier dort fest.

Wird er sich bald durch Häuser schlängeln müssen? Radler auf dem Tempelhofer Feld. Bild: dpa

Die Bürgerinitiative für ein unbebautes Tempelhofer Feld drückt aufs Tempo: Am Donnerstag verkündete der Verein, für sein Volksbegehren innerhalb eines Monats bereits 18.500 Unterschriften gesammelt zu haben.

Sprecher Felix Herzog nannte die Zahl ein „starkes Zeichen“. „Das zeigt der Politik, dass sie mit dem Eigentum der Allgemeinheit nicht machen kann, was sie will.“ Spätestens bis Monatsende will die Initiative die gut 20.000 Unterschriften beisammen haben, die für die erste Stufe eines Volksbegehrens nötig sind.

Die Initiative will bis auf Bänke, Sportplätze oder Gemeinschaftsprojekte jede Bebauung des früheren Flughafengeländes gesetzlich ausschließen, um so ein Freizeit- und Naturareal zu bewahren. Eigentlich wollten die Aktivisten bis Mittwoch bereits die erste Unterschriften-Stufe geknackt haben, um einen möglichen Entscheid parallel zur Bundestagswahl abzuhalten.

Dies, sagt Herzog, sei zu ambitioniert gewesen. Allein durch die Prüfung des Begehrens durch Senat und Parlament sei eine Doppelwahl nicht mehr zu schaffen. Ein Entscheid ist nun für 2014 zu erwarten – sofern die Initiative zugelassen wird und in der zweiten Stufe 170.000 Unterschriften zusammenbekommt.

Gegenwind kommt indes von Senatsseite. Berlins Regierender Klaus Wowereit (SPD) attestierte dem Tempelhofer Feld am Donnerstag nochmals ein „stadtentwicklungspolitisch einmaliges Potential“. Der Senat wolle dort ein Quartier in „klassischer Berliner Mischung“ und mit „hoher Lebensqualität“ errichten: mit Wohnungen, Gewerbe und Freizeitstätten. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) sprach zuletzt von 4.700 „bezahlbaren“ Wohnungen am Rande des Felds. Die Bürgerinitiative kritisierte er als Entwicklungsverhinderer.

Wowereit hält auch an der Landesbibliothek als „Ankerinvestition“ auf dem Feld fest. Diese soll für 270 Millionen Euro am Südwestrand des Feldes entstehen. Ein Ideenwettbewerb läuft bereits, der Spatenstich soll bis 2016 erfolgen. Das neuerliche Flughafen-Debakel und die daraus drohenden Kosten gefährdeten die Bibliothek nicht, hieß es am Donnerstag aus dem Senat.

Auch private Interessenten drängen aufs Feld. Zuletzt meldete sich ein „Wavegarden“-Projekt. Das will auf dem Feld eine künstliche Wasserbahn zum Wellenreiten anlegen. In der Verwaltung kann man der Idee wenig abgewinnen. „Wir haben kein Interesse an einem Bauchladen“, betont Müllers Sprecherin Daniela Augenstein. „Das Feld wird im Ganzen und sensibel entwickelt.“

Wasser aber wird kommen: Ab Herbst soll nahe dem Flughafengebäude ein 800 Meter breites, sichelförmiges Regenwasserbecken entstehen. Darin könnte, so Augenstein, theoretisch auch mal gebadet werden. Auch Bäume, Bänke und ein Nord-Süd-Weg sollen 2013 kommen.

Die Bürgerinitiative will sich von den Plänen nicht beirren lassen. Am Wochenende will sie auf dem Feld und der Grünen Woche Unterschriften sammeln. „Der Zuspruch ist enorm“, so Sprecher Herzog. Und kommt nun auch aus Tempelhof-Schöneberg: Dort beschloss das Bezirksparlament am Mittwochabend das Volksbegehren zu „begrüßen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • U
    Uwe

    marie hat zu 100% recht.

    als nächstes kann man dann darauf warten, dass bestimmte freizeitaktivitäten auf dem tempelhofer feld untersagt werden, weil sich die bewohner der townhouses dadurch gestört fühlen. sie haben ja schliesslich einen haufen geld dafür bezahlt...

    ich finde es schade, eine weltweit einmalige große freifläche (innerhalb einer metropole) den gewinninteressen weniger zu opfern!

  • ML
    Marie Lefebvre

    Ich kann verstehen, wenn hier für günstigen, sozialen und solidarischen Wohnraum argumentiert wird. Diese Vorstellung vom für Dich und mich und alle bezahlbaren Wohnraum hat leider mit dem Bebauungsprojekt des Senats nichts zu tun. Dort geht es darum, Baugrundstücke an private Investoren zu vergeben, die dann das Gebiet entwickeln. Entstehen werden dabei wunderschöne Townhouses, wie sie auch in den ehemaligen Brachen in Mitte und Prenzlauer Berg gebaut wurden. Das ist zwar schönes Wohnen, bezahlbar ist es allerdings nur für die sog. Besserverdiener, die sich dann hier schön am Feld niederlassen können.

    Wenn dem Senat an bezahlbarem Wohnen für alle gelegen wäre, hätte er nicht die landeseigenen Genossenschaften, die zehntausende Wohnungen verwalteten, privatisiert. Hat er aber.

    Ähnlich soll es auch beim Tempelhofer Feld laufen, nur dass dort eben nicht fertige Wohnhäuser, sondern der Baugrund privatisiert wird. Und genau dagegen richtet sich doch das Volksbegehren.

    Deshalb: Behalten wir doch lieber das, was wir gemeinsam haben am Feld anstatt es den Investoren zu schenken und machen wir im schlimmsten Fall für Wowereit und Konsorten das Tempelhofer Feld zu einem zweiten Schönefeld!

  • V
    viereinsa

    gestern gegen teure wohnungen, heute gegen wohnungen, morgen gegen wohnen an sich? anstatt sich mal für eine echte wohnbauinitiative einzusetzen, bezahlbaren wohnraum im 21jhd in berlin, so dringend benötigte neue, moderne schulen und kitas, quartierparks und verkehrsberuhigtes miteinander leben, sind wir mal wieder einfach nur: dagegen.gegen diskurs, gegen neues, gegen anderes, gegen sinnvolles. ich habe es so satt. der gemeine protestberliner denkt nicht von der wand bis zur tapete. und nur in seinem tanzbereich. die stadt hat kein geld für sbahn, ubahn, sicherheit, strassen, lehrer, sozialarbeiter und jede andere art von wichtigster dienstleitung, ein drittel ist arbeislos, ein drittel am existenzminimum und dem anderen drittel ist aus prizip alles egal. die stadt ist arm an guten gedanken, und das ist verdammt unsexy. das tut weh, das macht keinen spass mehr. und genau das wiederum ist drei dritteln der berliner: egal. das ist dann nur noch traurig.

  • M
    mauersegler

    Öffentlichen Raum verramschen, damit mit billigem EZB-Geld ausgestattete Kapitalgesellschaften dort Betongold in Form von Eigentums- oder Mitwohnungen hinklotzen können, die sich Normalverdiener nie und nimmer werden leisten können, liegt voll im Trend. In Frankfurt besorgt das eine Koalition aus CDU und Grünen. Es scheint inzwischen völlig egal zu sein, wen man wählt, sie machen alle das Gleiche: Privatisierung des öffentlichen Raumes und Förderung von Wohnraum als Kapitalanlage für eine kleine Minderheit der Bevölkerung, die nicht weiß wohin mit ihrem vielen Geld. "Friede den Palästen! Krieg den Hütten!"

  • T
    Tempelhofer

    Es ist wichtiger bezahlbaren Wohnrauf zu schaffen, als das Feld ums Verrecken in seinem jetzigen Zustand zu konservieren. Ich betone allersingd bezahlbar und Sozialbau. Auf eine Luxuskolonie, wie sie in Mitte und Prenzlauer Berg an jeder freien Ecke entstehen, kann ich echt verzichten.

     

    In jedem Fall sollte der Charakter des ehemaligen Flughafen-Geländes erhalten bleiben und die Weite. Allerdings muss etwas Bebauung möglich sein.

     

    Die Leute, die sich gegen die Bebauung einsetzten sind wahrscheinlich eben so gegen hohe Mieten und aufwertung und für mehr Wohnraum.

  • U
    Umsiedelung

    Wowereit soll lieber aufs Flugfeld nach Schönefeld umsiedeln, statt hier das Großmaul zu geben!

  • A
    aujau

    War da nicht noch ein Flughafen fertigzustellen?